Goodbye alte Geschäftsmodelle
KI kann alles Wissen und alle Erfahrung ohne nennenswerte Spezialisierungskosten erheben und zusammenführen. Dadurch wird sich die Bedeutung des Faktors Arbeit verändern und entsprechend auch das Ausbildungskalkül von Menschen. Arbeit wird künftig ökonomisch nicht mehr mit KI konkurrieren, da Löhne viel zu stark sinken müssten. Ausgenommen sind kreative und soziale Tätigkeiten. KI ist ein Sprung in die Automatisierung von Entscheidungen - schnell, effizient und fehlerfrei. Wesentlich schneller, effizienter und fehlerfreier, als es Menschen je könnten. Abläufe in der Verwaltung und Produktion werden präziser und zuverlässiger durch regelbasierte Automatisierung (Robotic Process Automation, RPA). Und sie werden viel günstiger.
Außerdem entstehen neue Produkte, gerade im Bereich Predictive und Contextualized Services. Durch KI produktiv gemachte Daten als Teil einer Produktionsfunktion ermöglichen vollkommen neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Ein Beispiel ist ein großer US-amerikanischer Online-Händler, der nicht nur effektiv Produkte verkauft, sondern treffsicher voraussagen kann, was den Kunden interessiert, die Logistik dahingehend optimiert und mittelfristig selbst die Herstellung von Produkten gezielt steuern kann.
KI macht aus Unternehmen offene Kollaborationen, die sich aus Daten speisen.
Auch branchenspezifische Wettbewerbsvorteile werden neu definiert. Die neuen Trümpfe sind datenbasierte Verbundeffekte zwischen Unternehmen. Vertikale Branchenstrukturen werden diagonalen Plattformstrukturen und Datenarchitekturen weichen. In anderen Worten: KI löst Industrien mit spezialisierten, abgeschlossenen Produktionseinheiten auf und macht aus Unternehmen offene Kollaborationen, die sich aus Daten speisen. Die Welt formt sich neu und die Ordnungsprinzipien, nach denen Wirtschaft und Gesellschaft organisiert werden, ändern sich. Die größte Veränderung wird die Transformation der industriellen Wertschöpfungsketten in digitale Plattformarchitekturen sein.
KI ist mehr als nur ein nächster technischer Schritt. Sie ist eine Revolution.
Für Unternehmen bedeutet dies ein massives Umdenken. Es geht um mehr als ein Standbein, eine Abteilung oder ein Produkt. Die Konsequenzen des digitalen Wandels erstrecken sich auf praktisch alle Bereiche: KI substituiert Arbeit durch Daten, KI kombiniert Kapital mit Daten und KI definiert das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit neu. Das heutige Startkapital ist nicht mehr generationenübergreifendes Familienvermögen. Das neue Kapital sind Kenntnisse im Bereich Künstliche Intelligenz und Big Data. Das stellt das geltende Ordnungsprinzip auf den Kopf: Nicht die Effizienz der spezialisierten und standardisierten Produktion (Know-how) ist das Rückgrat eines Unternehmens, sondern die Fähigkeit zur Exekution des datenbasierten Wissens (Know-what).
Unternehmer müssen sich mindestens fünf Fragen stellen:
- Sind die relevanten Datenquellen für das heutige und zukünftige Geschäftsmodell bekannt?
- Beinhaltet die Geschäftsstrategie explizit die Nutzung von Daten zur Wertschöpfung?
- Besitzt das Unternehmen diese Daten in ausreichender und maschinenlesbarer Qualität?
- Werden diese Datenquellen schon heute aktiv genutzt, beispielsweise mittels Robotic Process Automation oder Advanced Analytics, um Kundenbedürfnisse (B2B und B2C) zu verstehen und vorherzusagen?
- Sind diese Daten ausreichend gegen Angriffe von innen und außen geschützt?

Die Gefahr: Datenmonopole. Die Antwort: Regulation.
Unternehmen stellen sich den Herausforderungen der Zukunft – und die Politik ist gefragt, einen flankierenden, regulatorischen politischen Rahmen zu schaffen. Der aktuelle Stand drängt dabei zur Eile: Europa und auch Deutschland sind hintenan, vor allem im Vergleich zu den USA und China. Objektiv betrachtet, ist dies ein Balanceakt, denn politische Regulation darf das Innovationspotenzial von KI nicht beschneiden und muss gleichzeitig dafür sorgen, dass Datenmonopole verhindert werden. Dafür muss sich die Politik umgehend mit Datenschutz und Datensicherheit sowie mit steuerlichen und beteiligungsrechtlichen Aspekten beschäftigen. Und ebenso geht es um die Frage, wo Wertschöpfung entsteht und wie sie sinnvoll gemessen werden kann.
Der Autor ist Co-Verfasser der EY-Studie „Think beyond Tomorrow“, die Fragen zur Zukunft aufwirft und zu beantworten versucht.
Fazit
Durch die Transition vom Industriekapitalismus zum Datenkapitalismus wird die Wirtschaft neu vermessen. Etablierte Standorte und Branchen werden unter Druck geraten, neue Unternehmen steigen schnell auf. Das hat nicht nur eine unternehmensstrategische, sondern auch eine geopolitische Dimension: Es ist der Beginn einer fundamentalen Transformation der alten Industriewelt in ein neues KI-Paradigma. In der Weltwirtschaft deutet sich ein Kampf um die Vormachtstellung an: Die neue Weltordnung wird maßgeblich durch die Technologieführerschaft in der Digitalisierung entschieden. Die Schlüsselrolle spielt KI.