4 Minuten Lesezeit 7 Juni 2017
man building computer

Wie KI schnelleres und klügeres Arbeiten ermöglichen wird

Von Jeanne Boillet

EY Global Assurance Innovation Leader

Innovation driver in audit services. Client-centric. Strong advocate for diversity and the advancement of women in business.

4 Minuten Lesezeit 7 Juni 2017

Künstliche Intelligenz hat das Potential, die Wirtschaftsprüfung zu verändern, aber den Wirtschaftsprüfer wird sie nie ersetzen.

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Spielregeln der Geschäftswelt zu verändern, besonders in der Wirtschaftsprüfung und Beratung. Die schnellen Entwicklungen in maschinellem Lernen, Data Mining und Cognitive Computing versprechen riesige Fortschritte für das nächste Jahrzehnt.

Trotz der nachvollziehbaren Begeisterung über die möglichen Einsatzgebiete der neuen Technologien, entwickeln sich derzeit jedoch einige Missverständnisse und Ängste beim Thema KI. Die Angst etwa, dass KI den Menschen in der Wertschöpfungskette ersetzen wird, unsere jetzigen Aufgaben schneller und akkurater ausführt und uns damit überflüssig macht.

Wir bei EY versuchen, solche Bedenken auszuräumen und zu zeigen, wie KI uns stattdessen eine bessere, intelligentere und schnellere Arbeit ermöglichen wird – anstatt den Menschen am Arbeitsplatz zu ersetzen.

Die Welt verstehen

Wir stehen noch am Anfang der Reise. Nach einer Flaute bei der Entwicklung, konnten wir in den vergangenen drei Jahren beobachten, wie KI-Anwendungen im der Dienstleistungsbranche gebräuchlicher wurden.

Ich nenne diese Phase „Die Welt verstehen”. Damit meine ich, dass KI besser darin wird, eine Vielzahl von Signalen zu analysieren. In erster Linie riesige Mengen an strukturierten und unstrukturierten Daten. Das liegt vor allem daran, dass wir dafür nun über die notwendigen Datenmengen verfügen. Die digitale Revolution hat den Treibstoff für den KI-Motor geschaffen. Der Einsatz von Computerintelligenz führt bei eng umrissenen Aufgaben allmählich zu einigen sehr interessanten Ergebnissen.

Nehmen wir zum Beispiel die Leasingbilanzierung – ein aktuelles Thema: Erst kürzlich wurden die Bilanzierungsregeln dahingehend geändert, dass Unternehmen ihre Position in Bezug auf Leasingverträge genau überprüfen und zugehörige Verbindlichkeiten erfassen müssen. Bisher wurde die Leasingbilanzierung vor allem von menschlichen Prüfern durchgeführt. Aktuelle Pilotprogramme zeigen jedoch, dass KI-Anwendungen eine größere Anzahl von Leasingdokumenten in wesentlich kürzerer Zeit analysieren könnten.

Diese Pilotprogramme zeigen, dass Künstliche Intelligenz 70 bis 80 Prozent des Inhalts eines einfachen Leasingvertrags elektronisch analysieren könnte. Der Rest bedürfte einer menschlichen Prüfung. Bei komplexeren Leasingverträgen (zum Beispiel aus dem Immobilienbereich) läge der Anteil bei 40 Prozent. Da sich aber die Anwendungen verbessern und die Maschinen lernen werden, kann KI in Zukunft wahrscheinlich komplexere Verträge und Daten lesen, handhaben und analysieren.

Dieses Beispiel veranschaulicht, was Computerintelligenz auf bestimmten Gebieten erreichen kann. Was sie noch nicht kann, ist das Urteilsvermögen, die natürliche Skepsis oder die Arbeitserfahrung von Menschen zu ersetzen. Vergleiche oder Wertungen vorzunehmen ist nicht die Aufgabe dieser Art von KI.

KI kann einiges leisten, vieles jedoch auch nicht. Zudem können wir uns nicht darauf verlassen, dass sie natürliche Skepsis oder menschliches Urteilsvermögen an den Tag legt.

Zukunftsprognosen erstellen

Der wirkliche Mehrwert, den ich bei dieser Art von KI-Anwendung zu sehen beginne, ist ihre Fähigkeit, Vorhersagen zu treffen. Kürzlich haben wir Deep-Learning-Technologien genutzt, und mithilfe von sechs Algorithmen Erkenntnisse aus Finanzberichten aus sieben Jahren zu ziehen. Dadurch konnten wir genug Daten auswerten, um zu evaluieren, wo mögliche Anpassungsrisiken liegen könnten. Diese Technologien ermöglichen einen Blick in die Zukunft. Risiken lassen sich besser vorhersagen. So können die Wirtschaftsprüfer ihren Ansatz überdenken und verfeinern. Außerdem bieten sie beeindruckende Möglichkeiten bei der Betrugsaufdeckung.

Die Fähigkeit, Prognosen für die Zukunft zu machen, stellt den nächsten Schritt in der Entwicklung von KI dar und erlaubt es Wirtschafsprüfern, effizienter und akkurater zu arbeiten.

Mit der Welt interagieren

Die zweite Phase in der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz bezeichne ich als „Mit der Welt interagieren“. Diese Phase hält bereits Einzug bei Konsumgütern wie Amazons Alexa und Cortana von Microsoft, die Tools wie Stimmerkennung nutzen. Durch klugen Einsatz von KI können sie Fragen der User auf intuitive Weise beantworten.

Diese Interaktionsphase befindet sich mit ihren relativ schlichten Anwendungen noch ganz am Anfang. Wahrscheinlich werden die Fortschritte aber schon bald möglich machen, KI zur Verbesserung der Unternehmensleistung zu nutzen. Die Konvergenz von Technologien wie Drohnen und dem Internet of Things (IoT) wird es der Künstlichen Intelligenz ermöglichen, besser mit der materiellen Welt zu interagieren und die sogenannte vierte industrielle Revolution anzuschieben.

Spürbar wird der Einfluss der Computerintelligenz jedoch nicht nur bei Aufgaben wie der Wirtschaftsprüfung sein. Konkret könnte ihr Wachstum und ihre Entwicklung auch die Personalrekrutierung auf den Kopf stellen. Tatsächlich wird Künstliche Intelligenz keine Fachkräfte ersetzen – besonders keine Buchhalter. Stattdessen wird sie neue Arbeitsanforderungen schaffen.

Wir werden Fachkräfte mit neuartigen Fähigkeiten brauchen, die sich in einer größeren Bandbreite an Disziplinen wohlfühlen. Die nächste Generation wird Expertise im Bereich Finanzbuchhaltung und der einschlägigen Branche brauchen. Ebenso wird sie sich mit KI, Blockchain und maschinellem Lernen auskennen müssen. Um weiterhin eine hochqualitative Wirtschaftsprüfung mit Mehrwert zu liefern, muss diese Generation verstehen, wie all diese Elemente in einer schnelllebigeren und komplexeren Welt zusammenarbeiten.

Wenn diese Technologien sorgfältig und effektiv eingesetzt werden, können sie die Qualität steigern, Risiken verringern und Vertrauen stärken. Die größte Herausforderung – für Unternehmen sowie ihre Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater – geht über die Technologie hinaus: sie liegt im Veränderungsmanagement und in der etwaigen Verwirrung darüber, wie KI angewandt wird. Seien Sie beruhigt: KI kann einiges leisten, vieles jedoch auch nicht. Zudem können wir uns nicht darauf verlassen, dass sie natürliche Skepsis oder menschliches Urteilsvermögen an den Tag legt.

Die Zukunft ist noch nicht hier – aber KI bringt sie uns näher.

Fazit

Bei Künstlicher Intelligenz liegt die größte Herausforderung jenseits der Technologie. Die Frage ist, wie wir mit den Veränderungen umgehen.

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Von Jeanne Boillet

EY Global Assurance Innovation Leader

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