3 Minuten Lesezeit 21 Oktober 2021
Analysis of plantation

Neue GRI-Standards 2021: Steigt die Messlatte für Transparenz?

Von Bernhard Gehmayr

EYCarbon-Verantwortlicher für Nachhaltigkeitsmanagement und GRI | Senior Assistant, Climate Change and Sustainability Services, Wirtschaftsprüfung | Österreich

Unterstützt Unternehmen ihre Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsthemen zu verstehen und zu managen. Sustainable Development Goals Supporter. Hobbykoch und Gin Lover.

3 Minuten Lesezeit 21 Oktober 2021

Was die IFRS in der finanziellen Berichterstattung sind, sind die GRI-Standards im Bereich Nachhaltigkeit. Die am 05.10.2021 veröffentlichten neuen GRI Universal Standards sollen der Notwendigkeit gerecht werden, verantwortungsvolle Unternehmenskonzepte transparent darzustellen.

Die Grundlage der weltweit am häufigsten verwendeten Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wurde umfassend aktualisiert und wird für viele Organisationen einen wichtigen Meilenstein für die Berichterstattung darstellen. Mehr Pflichtangaben zu Governance und Responsible Business Conduct und eine Präzisierung der Schlüsselkonzepte sollen laut der Global Reporting Initiative (GRI) den Erwartungen von internationalen Instrumenten wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen oder den ILO Arbeits- und Sozialstandards gerecht werden. Damit soll ein Höchstmaß an Transparenz in Bezug auf die Auswirkungen auf Wirtschaft, Umwelt und Menschen geboten werden. Derzeit berichten 72 Prozent der österreichischen Top-Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, nach den GRI-Standards – sie alle wären von diesem Update betroffen.

Die Änderungen sollen Unternehmen eine konsistente und vergleichbare Berichterstattung ermöglichen und sie bestmöglich auf neue regulatorische Anforderungen wie die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und die von der IFRS Foundation geplante Berichterstattung über den Unternehmenswert vorbereiten. Die GRI empfiehlt nun auch explizit die Integration in die finanzielle Berichterstattung und eine externe Prüfung. Darüber hinaus können die Angaben zu Responsible Business Conduct einen passenden Rahmen bieten, um die Einhaltung der sozialen Mindeststandards gemäß der EU-Taxonomie offenzulegen.

Kurzüberblick über die wesentlichen Änderungen

1. Überarbeitete Struktur und Bezeichnungen der Universal Standards

Sowohl die grundsätzliche Struktur der GRI-Standards als auch die Struktur innerhalb der Universal Standards haben sich geändert. Die numerische Bezeichnung der Universal Standards ist nun einstellig (GRI 1 Grundlagen, GRI 2 Allgemeine Angaben und GRI 3 Wesentliche Themen) und die Sektorenstandards komplettieren das modulare Set der GRI-Standards.

2. Verabschiedung von den Optionen „Kern“ und „Umfassend“

Mit den neuen Universal Standards entfällt auch die Möglichkeit der Wahl der Reporting-Optionen „Kern“ oder „Umfassend“ ab 01.01.2023. Das bedeutet für Organisationen, die nach GRI berichten, dass deutlich mehr Angaben im Bereich Governance, die in der Version 2016 der Standards nur bei der „Umfassend“-Option verpflichtend sind, gemacht werden müssen. Bei den Themenstandards werden jedoch weiterhin nur die relevanten GRI-Angaben je verwendeten Themenstandard notwendig sein, so wie momentan unter der „Kern“-Option. Die Möglichkeit „GRI-referenced“ wird auch weiterhin bestehen bleiben.

3. Neue Schlüsselkonzepte der Berichterstattung

Die vier Schlüsselkonzepte sind: Auswirkungen, wesentliche Themen, Due Diligence und Stakeholder. Ihr Zweck ist es, Organisationen in die Lage zu versetzen, Informationen über ihre wichtigsten Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Umwelt und die Menschen, einschließlich der Auswirkungen auf die Menschenrechte, zu berichten – in den GRI-Standards werden diese als „wesentliche Themen“ bezeichnet. Due-Diligence-Prüfungen und die Einbeziehung von Stakeholdern helfen Organisationen, ihre wichtigsten Auswirkungen zu ermitteln.

4. Überarbeitung der Prinzipien für die Qualität der Berichterstattung

Im Vergleich zu den universellen GRI-Standards in der Version 2016, gibt es in der Version 2021 nur mehr acht Prinzipien der Berichterstattung. Die Prinzipien „Wesentlichkeit“ und „Einbeziehung von Stakeholdern“ sind nun in den Schlüsselkonzepten aufgegangen und in GRI 3 Wesentliche Themen konkret geregelt.

5. Neue Angaben zu Responsible Business Conduct

In GRI 2 Allgemeine Angaben sind nun Informationen über die Strategie der Organisation für eine nachhaltige Entwicklung und ihre Richtlinien und Praktiken für ein verantwortungsvolles Geschäftsgebaren notwendig. Die Angaben beruhen auf den Erwartungen an Unternehmen, die in maßgeblichen zwischenstaatlichen Instrumenten, z. B. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder OECD-Leitsätze, enthalten sind. Zu den Erwartungen an ein verantwortungsvolles Geschäftsgebaren gehören die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften, die Achtung aller international anerkannter Menschenrechte einschließlich der Rechte der Arbeitnehmer sowie der Schutz der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Die Erwartungen beziehen sich auch auf die Bekämpfung von Bestechung, Bestechungsversuchen, Erpressung und anderen Formen der Korruption, die Einhaltung guter Steuerpraktiken und die Durchführung von Sorgfaltsprüfungen, um die negativen Auswirkungen der Organisation auf die Umwelt zu identifizieren, zu verhindern, zu mindern und darüber Rechenschaft abzulegen.

Diese neuen Pflichtanforderungen spiegeln auch Entwicklungen auf EU-Ebene hinsichtlich der vorgeschlagenen EU Due Diligence Directive wider.

6. Konkretere Struktur für die Identifikation wesentlicher Themen

In den aktualisierten Universal Standards gibt es nun auch eine deutlich klarere Anleitung zum Prozess der Wesentlichkeitsanalyse. Dabei wird ein vierstufiger Ansatz empfohlen und die Schritte, die eine Organisation durchlaufen sollte, um ihre wesentlichen Themen zu identifizieren, erklärt. Die Befolgung dieser Schritte ist jedoch nicht verpflichtend.


7. Neustart des Sektorenstandards-Programms der GRI

Die Sektorenstandards sollen die GRI-Standards vervollständigen bzw. ergänzen und den Unternehmen innerhalb der Sektoren helfen zu verstehen, welche Themen sie bei ihrer Wesentlichkeitsanalyse berücksichtigen sollten. Sektorenstandards wurden mit bereits bestehenden Rahmenwerken wie den SASB-Standards verknüpft und darauf aufgebaut. In den kommenden Jahren sollen 40 Sektorenstandards in den vier Bereichen „Grundstoffe und Grundbedarf“, „Industrie“, „Verkehr, Infrastruktur und Tourismus“ und „Sonstige Dienstleistungen und Leichtindustrie“ entwickelt werden.Sektorenstandard Öl und Gas

Sektorenstandard Öl und Gas

Der neue Sektorenstandard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Öl- und Gassektor ermöglicht eine vollständige Offenlegung der komplexen Transparenzanforderungen dieses Sektors. Damit sind die Unternehmen am besten in der Lage, Rechenschaft über ihre Auswirkungen abzulegen und zu zeigen, wie sie den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft gestalten. Der GRI-Sektorenstandard für Öl und Gas konzentriert sich auf die dringlichsten Herausforderungen des Sektors im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die Entscheidungen und Maßnahmen der Unternehmen den weit verbreiteten Bedenken der Stakeholder hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel Rechnung tragen und gleichzeitig einen gerechten Wandel für Arbeitnehmer:innen, Gemeinden und die Umwelt gewährleisten.

Zu den wichtigsten Merkmalen gehören die folgenden:

  • Leitfaden für die Berichterstattung über die 22 wahrscheinlichsten wesentlichen Themen, einschließlich Klimaanpassung, Widerstandsfähigkeit und Übergang, Schließung und Sanierung von Standorten, biologische Vielfalt, Rechte indigener Völker, Korruptionsbekämpfung, Wasser und Abfall. Sofern ein Unternehmen manche der genannten wahrscheinlich wesentlichen Themen als nicht wesentlich bewertet, muss eine Erklärung inkludiert werden, warum dies konkret der Fall ist.
  • Gewährleistung einer umfassenden Offenlegung der Treibhausgasemissionen – sowohl der direkten (Scopes 1 und 2) als auch der indirekten Emissionen, die durch die Endnutzung der Produkte des Unternehmens entstehen (Scope 3)
  • Berücksichtigung der maßgeblichen Erwartungen an verantwortungsbewusste Unternehmen, einschließlich der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) und der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD)

Standards für die Sektoren Kohle, Bergbau, Landwirtschaft, Aquakultur und Fischerei sind bereits in Arbeit.

Fazit

Die Neuerung der GRI-Standards wird bereits ab 2023 viele Unternehmen betreffen. Für Berichterstatter ist es also empfehlenswert, sich mit den erhöhten Transparenzanforderungen, speziell im Governance-Bereich, auseinanderzusetzen und die Berichterstattung entsprechend anzupassen. Die Konvergenz mit internationalen Rahmenwerken und Regulierungen auf EU-Ebene bietet den Vorteil, die verschiedenen Anforderungen mit einem Berichterstattungsstandard weitestgehend abzudecken. Daher ist es auch nicht überraschend, dass die GRI nun explizit die Integration in die finanzielle Berichterstattung und die externe Prüfung empfiehlt.

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Von Bernhard Gehmayr

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