Der offensichtlichste Ansatz ist dabei, die „natürlichen Hedges“ innerhalb des Unternehmens zu nutzen: Erzielt eine Tochtergesellschaft beispielsweise Umsätze in einer Fremdwährung, kann sie diese dazu nutzen, ihre Kosten in derselben Währung zu decken. Dieser natürliche Ausgleich bietet eine gewisse Absicherung. In großen und komplexen internationalen Konzernen mit unzähligen Zweigstellen und einer globalen Lieferkette kann es allerdings äußerst schwierig sein, diese Potenziale zu nutzen. Das Unternehmen ist von unmittelbar verfügbaren Informationen zum Cashflow abhängig.
„Vor mehr als zwei Jahren standen den Unternehmen diese Daten in der Regel monatlich oder vierteljährlich zur Verfügung“, so Royall, „doch 2015 änderten sich die Kurse innerhalb eines Monats so drastisch, dass dies in manchen Firmen nicht mehr ausreichte. So entstand der Wunsch nach möglichst tagesaktuellen Daten.“
Ein laufendes Absicherungsprogramm
Natural Hedges sind ein wichtiger Bestandteil der Strategie von Abbott, einem Gesundheitsunternehmen mit Sitz in den USA, das in Schwellenmärkten stark vertreten ist. Das Unternehmen sah sich laut CFO Brian Yoor nach der Abspaltung vom Pharmakonzern AbbVie Ende 2012 deutlich stärker den Fremdwährungen in Schwellenländern ausgesetzt als zuvor. Da das Unternehmen in den Entwicklungsländern langfristig von der steigenden Nachfrage nach medizinischer Versorgung profitieren möchte, war das nicht zu vermeiden.
Gemäß seiner Strategie, erhöht das Unternehmen - wenn möglich – seine Präsenz im jeweiligen Markt und baut lokale Teams für Vertrieb und Marketing, Produktion, F&E und Administration auf. Dadurch werden nicht nur die Kosten besser an der Kaufkraft des Kunden abgestimmt, sondern es entstehen auch mehr „natürliche Hedges“ innerhalb des Unternehmens. „Damit können wir möglichst viele Risiken ganz natürlich absichern“, meint Yoor, „und gleichzeitig verfolgen wir unsere langfristige Strategie, die bei uns über allem steht.“
Aus der Abspaltung ging ein Unternehmen hervor, das 70 Prozent seiner Umsätze außerhalb der USA und 50 Prozent in Schwellenländern erzielt. Obwohl ein natürlicher Währungsausgleich wichtig war, erkannte die Unternehmensführung von Abbott, dass das Unternehmen angesichts der Währungsrisiken künftig anders geführt werden muss, erklärt Yoor. War der Hedging-Ansatz des Unternehmens zuvor eher „opportunistisch“, so setzte es nun auf ein laufendes Absicherungsprogramm, das 18 Monate in die Zukunft plant. „Wir sahen uns die verfügbaren Absicherungen in bestimmten Ländern an und prüften, ob Sie realisierbar waren. Würden wir damit die gewünschten Bilanzierungseffekte erreichen? Ist der Markt liquide? “
Ein solches Absicherungsprogramm passt niemals so perfekt wie Natural Hedges, hat Abbott aber während des turbulenten Jahres 2014/15 gute Dienste geleistet, erklärt Yoor. „Wir haben es geschafft, mit einen Mix aus bestimmten Instrumenten in einem äußerst wechselhaften Umfeld einen Ertrag zu generieren, den wir ins Unternehmen investieren konnten.“ Die Investoren von Abbott sind sich bewusst, dass sich die Vorteile des laufenden Absicherungsprogramms über die Zeit verändern. Wenn zum Beispiel Hedges nach 18 Monaten Laufzeit auslaufen und dann durch neue, ggf. kostspieligere ersetzt werden müssen. „Am Ende bleibt immer noch ein Gewinn über, er ist aber nicht ganz so groß wie erwartet“, so Yoor.
Wirtschaftliche Absicherungen – Economic Hedges
Die Vodafone Group befand sich in einer ähnlichen Situation wie Abbott, als sie die Anteile an Verizon Wireless in den USA verkaufte. Dies veränderte das Währungsprofil der Firma nachhaltig. Der daraus hervorgegangene Mobilkonzern bilanzierte in Pfund, obwohl er die Hälfte seiner Umsätze in Euro, 15 Prozent in Pfund, 10 Prozent in Rupien und weitere 10 Prozent in Rand machte.
Im gesamten letzten Jahr reduzierten Währungsumrechnungen die Umsätze um rund 2 Milliarden Pfund und das EBITDA um rund 700 Millionen Pfund, so CFO Nick Read. Da die oft starken Währungsschwankungen in Schwellenländern für das Unternehmen nichts Neues sind, entwickelte es eine vielschichtige Strategie, um die Währungsrisiken zu mindern.
Teil dieser Strategie sind laut Read so genannte „Economic Hedges“, also „wirtschaftliche Absicherungen“. Dabei stimmt Vodafone den Währungsmix seiner Verbindlichkeiten mit dem abgezinsten Cashflow seiner ausländischen Niederlassungen ab. „Das bedeutet, dass sich negative Effekte in der Gewinn- und Verlustrechnung mindernd oder positiv auf unsere Nettoverschuldung auswirken. Sie sank [im letzten Jahr] um 2 Milliarden Pfund. Das war bei uns der Economic Hedge.“
Das Unternehmen steuert seine weltweite Beschaffung zentral und reduziert das Fremdwährungsrisiko für Ankäufe in Schwellenwährungen, indem es Vereinbarungen in lokalen Währungen trifft. Es wird also erst gar nicht in Euro verhandelt. Eine unvorteilhafte Umrechnung im verbleibenden Jahr ist so ausgeschlossen.
Read meint, dass Vodafone immer zuerst seine „organische Performance“ offenlegt und anschließend die Effekte von Währungsschwankungen herausfiltert, um sie klar sichtbar zu machen. Die Investoren verstehen recht gut, wie sich Währungsschwankungen auf Vodafone auswirken, so Read. Damit spielt er auf den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Unternehmenskurses in Pfund und Veränderungen im Wechselkurs an. Da das Unternehmen heute die Hälfte seiner Umsätze in Euro erzielt, wechselte es im April 2016 vom Pfund zum Euro als funktionale Währung. Dieser Wechsel betrifft künftig auch Dividenden. Das sollte Schwankungen im Berichtswesen mindern und bedeutet zudem, dass nicht nur Cashflows in Euro generiert, sondern auch Dividenden in Euro ausgezahlt werden. Das Risiko unumgänglicher Währungsschwankungen wird damit vom Unternehmen an die Shareholder weitergegeben.
„Ich fragte bei institutionellen Investoren nach, ob sie den Wechsel auf Euro unterstützten und die Zustimmung war groß. Denn dadurch können sie das Währungsrisiko selbst steuern“, so Read.
Was ist Ihre Strategie?
Laut Royall sind die Währungsschwankungen vor und nach dem britischen EU-Referendum ein Beweis dafür, dass es auch in Zukunft wichtig sein wird, Währungsrisiken zu steuern. „Im Moment herrscht eine gespannte Stille“, sagt er. „Vor einem Jahr war sich noch jeder bewusst, wie unangenehm Schwankungen sein können und viele Unternehmen begannen sich zu fragen: ‚Wie gehen wir eigentlich mit Fremdwährungen um? ‘“
Das ist die Frage, die letztlich alle beantworten müssen, so Royall. „Das Problem sind die Schwankungen, nicht die langfristige Entwicklung. Hedging verändert die allgemeine Tendenz nicht, kann jedoch die Berg- und Talfahrt abfedern. Sie müssen entscheiden, ob Sie an Hedging glauben oder nicht.“
Manche Unternehmen meinen, sie bräuchten so viel Absicherung wie möglich. Für andere gehören Währungsschwankungen in einem langfristig international agierenden Unternehmen einfach dazu. Sie sind der Meinung, dass sich Schwankungen mit der Zeit ganz von selbst ausgleichen. Unabhängig davon bleibt die Herausforderung für CFOs stets dieselbe: Zum einen müssen sie Fremdwährungsrisiken steuern und zum anderen ihre Strategie in diesem komplexen, Bereich klar kommunizieren. Für die Steuerung von Währungsrisiken stehen Unternehmen mehrere Lösungsansätze zur Verfügung.
Vollständig vermeiden lassen sich die Effekte von Währungsschwankungen allerdings nicht. Wichtig ist es, laufend zu prüfen, ob das Unternehmen über den besten Mix an Lösungen für die jeweilige Situation verfügt. In einem zweiten Schritt müssen sie dafür sorgen. dass Investoren den Hedging-Ansatz und die Gründe dahinter verstehen.