4 Minuten Lesezeit 26 Oktober 2017
Frau beobachtet zwei Bildschirme

Warum Kultur zählt: Übergang von der Sanierung zur Innovation

Von Jan Bellens

EY Global Banking & Capital Markets Sector Leader

Passionate leader on innovation in financial services, especially in emerging markets. Global citizen. Keen traveler.

4 Minuten Lesezeit 26 Oktober 2017

Um die für eine Wachstumsagenda notwendigen Finanz- und Managementkapazitäten zu schaffen, müssen Banken ihre Risikokultur verbessern.

Auf die Kultur kommt es an. Die Dinge richtig zu machen, ist mindestens genauso wichtig, wie die richtigen Dinge zu tun. Das ist eine der Lehren, die Aufsichtsbehörden aus der Finanzkrise und den immer wieder auftretenden Compliance- und Verhaltensfehlern gezogen haben.

Für die Banken kommt diese Einsicht zur rechten Zeit: Geldstrafen und Vergleiche wegen Fehlverhaltens haben ihr Kapital geschmälert, die Sanierung hat das Management beschäftigt. Das drückt die Renditen und behindert das Wachstum.

Um die für eine Wachstumsagenda notwendigen Finanz- und Managementkapazitäten zu schaffen, müssen Banken ihre Risikokultur verbessern. Eine bessere Kultur kann dazu beitragen, die Zahl kostspieliger Compliance-Verstöße zu reduzieren, sie vielleicht sogar ganz zu verhindern. Dadurch wiederum schützen Banken ihre Reputation, bewahren ihr Kapital und verschaffen dem Management den Freiraum, sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie zu konzentrieren, mit der das Geldinstitut wettbewerbsfähig bleibt.

Was macht eine gute Risikokultur aus?

Risikobereitschaft ist die Essenz des Bankwesens. Banken schaffen Mehrwert, weil sie die Risiken im Zusammenhang mit Krediten, Liquidität, Zinssätzen und Devisen sowie operative Risiken tragen, die Privatpersonen und Institutionen scheuen.

Die Risikokultur einer Bank umfasst die Prozesse, bei denen sie Risiken übernimmt und steuert. Eine gute Risikokultur macht aus, die Risiken aus Sicht der Kunden, Geschäftspartner und Anleger gewissenhaft zu managen. In einer solchen Kultur behandelt die Bank ihre Kunden fair. Sie verhält sich auf den Finanzmärkten integer, gleicht Risiko und Ertrag aus und stellt sicher, dass sie angemessen für das eingegangene Risiko entschädigt wird. Und sie hält sich an alle geltenden Vorschriften.

Eine gute Risikokultur bedeutet also, die richtigen Risiken in der richtigen Weise zum richtigen Preis einzugehen. Dazu müssen auch die internen Anreizsysteme diese Kultur widerspiegeln und stärken.

Den Rahmen abstecken: Leitlinien für das Risikomanagement und die Risikobereitschaft

Eine gute Risikokultur beginnt ganz oben. Der Vorstand muss dafür sorgen, dass die Führungsverantwortlichen der Bank, allen voran der CEO, einen wirksamen Risikomanagementrahmen und Leitlinien für die Risikobereitschaft schaffen. Diese Dokumente sollten einerseits die Risiken beschreiben, die Strategie und Geschäftsmodell der Bank mit sich bringen und andererseits – was genauso wichtig ist – die Risiken, die die Bank nicht eingeht, um die angestrebte Eigenkapitalrendite zu erreichen. Damit wird der Rahmen festgelegt, in dem sich die Kultur der Bank entwickelt. Zur Verbesserung ihrer Risikokultur müssen sich die Banken nach Vorgaben der Aufsichtsbehörden auf vier Bereiche konzentrieren:

  • Der Ton von oben: Sendet die Führungsriege vom C-Level, allen voran der CEO, regelmäßig die richtige Botschaft zum Thema Risiko? Unterstützt der Vorstand diese Botschaft? Wird sie wirksam im gesamten Unternehmen kommuniziert?
  • Rechenschaftspflicht: Macht die Bank leitende Manager für ein effektives Risikomanagement verantwortlich?
  • Anreize: Unterstützen die Anreizsysteme der Bank ein effektives Risikomanagement? Oder begünstigen sie gegenteiliges Verhalten?
  • Wirksame Kommunikation und Herausforderung: Kommt die Risikobotschaft an? Sind die Eskalationswege klar definiert und verständlich? Ist die Nachricht falsch oder geht die Lieferung schief - wird darauf jemand hinweisen? Und wenn ja, wird diese Person gehört und ernstgenommen? Dies sicherzustellen ist eine der Hauptaufgaben des Verwaltungsrates der Bank.

Was bleibt zu tun und warum lohnt es sich, aktiv zu werden?

Eine Kultur zu verbessern ist wesentlich schwieriger, als bestehende Standards schleifen zu lassen, besonders wenn Fehlverhalten bereits zur Norm geworden ist. Entsprechend gaben nur 39 Prozent der Befragten im Rahmen der Risikostudie von EY/IFF für 2017 an, dass sie den angestrebten Endzustand ihrer Risikokultur erreicht haben oder diesem nahe gekommen sind. Dieser Prozentsatz ist nur unwesentlich höher als in der Studie ein Jahr zuvor.

Was ist die Lösung? Erstens muss jede Bank an ihrer Botschaft und an der Umsetzung der oben skizzierten Maßnahmen zur Verbesserung der Kultur festhalten, wenn sie die Mitarbeiter davon überzeugen will, dass es sich hierbei nicht um eine weitere Management-Masche, sondern um einen Paradigmenwechsel handelt. Solange die Menschen nicht verinnerlicht haben, dass ein Wandel unvermeidlich ist, sehen sie keinen Anlass, ihr Verhalten und ihre Routinen zu ändern, mögen sie auch noch so schädlich sein.

Zweitens können Banken – mit Unterstützung der Aufsichtsbehörden – Maßnahmen ergreifen, um die Standards in allen Bereichen zu erhöhen. Solche branchenweiten Normen beugen der Gefahr vor, dass Mitarbeiter einer Bank mit strengen Regeln den Eindruck gewinnen könnten, es ließe sich bei einem Geldinstitut mit lockereren Standards und Kontrollen einfacher leben und man könne dort höhere Boni erzielen. Dementsprechend vernichten strengere Branchenstandards die Argumentation von Vorgesetzten, dass eine verbesserte Risikokultur einen Wettbewerbsnachteil für die Bank darstelle.

Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Banken mit einer guten Risikokultur erzielen höhere Renditen, benötigen weniger Kapital und können sich eher auf Innovation und Optimierung konzentrieren als auf Schadensbehebung und Restitution. Am Ende des Tages zählt tatsächlich die richtige Kultur.

Fazit

Risikokultur beginnt mit dem Risikomanagement der Bank und ihrer Risikobereitschaft. Zur Verbesserung der Risikokultur, fordern Aufsichtsbehörden weltweit, dass sich Banken auf vier Bereiche konzentrieren: Vorbildrolle der Führungsriege, Verantwortlichkeit, Anreize sowie effektive Kommunikation und Herausforderung.

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Von Jan Bellens

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