Szenario 1 - Die 90% Ökonomie
The Economist wagte sich früh aus der Deckung und postulierte eine gesamtwirtschaftliche Post-Corona-Situation, in der 90% der Volkswirtschaft in den Zustand vor Corona zurückschwingen, während sich 10% in einer neuen Situation wiederfinden und sich in ihren Geschäftsmodellen neu aufstellen müssen. Wollte man dieses Szenario entlang der obigen Achsen aufspannen, wäre dieses wohl unter „kurzer Krisendauer“ und „dominant strukturerhaltenden Maßnahmen“ zu verorten.
Szenario 2 - Konservierende Post-Corona-Sklerose
Unter der Annahme, dass die globale Ökonomie wiederholt von Infektionswellen überrollt wird, wir aber immer wieder mit den gleichen, weniger wirksam werdenden strukturerhaltenden Maßnahmen versuchen dagegen anzukämpfen, werden wir uns in einer sklerotischen, wenig leistungsfähigen Welt wiederfinden. Dieses Szenario gilt es unserer Einschätzung nach mit aller Kraft zu vermeiden.
Szenario 3 - Katalytische Post-Corona-Erneuerung
Ginge man davon aus, dass die Krise rasch vorbei ist und gleichzeitig die Akteure diese Situation als beherzt als Chance begriffen, alte Zöpfe abzuschneiden, bereits vor der Corona-Krise bestehende Verwerfungen zu bereinigen und mutig neue Strukturen zu schaffen, werden wir in einer erneuerten Welt aufwachen, in der Corona eine Schocktherapie im reinen Wortsinn darstellt. Angesichts der anrollenden zweiten Infektionswelle und dem bisherigen Fokus auf strukturerhaltende Maßnahmen scheint sich dieses Fenster in diesen Wochen zu schließen.
Szenario 4 - 50% Ökonomie
In Anlehnung an das 90%-Szenario von The Economist schlagen wir für eine Situation, in der die Krise lange andauert und sich Entscheider letztlich zu überwiegend strukturerneuernden Maßnahmen durchringen, den Begriff der „50%-Ökonomie“ vor. Wir meinen damit, dass substanzielle Teile unserer Wirtschaft sich neu erfinden müssen und nicht mehr zum Zustand vor Corona zurückkehren können. Dieser Pfad wird zweifelsfrei von Verwerfungen und Widerständen der Betroffenen geprägt sein, ist aus unserer Sicht aber der konservierenden Post-Corona-Sklerose vorzuziehen.
Entwicklungslinien trotz Unsicherheit
Unsere vier Szenarien sind stark konzeptionell geprägt – und es ist derzeit nicht absehbar, in welcher der vier Post-Corona-Welten wir aufwachen werden. Dennoch lassen sich schon heute einige Eckpunkte eingrenzen, welche unsere Post-Corona-Realität prägen werden.
Einerseits wird die makroökonomische Volatilität zunehmen – gestiegene Staatschulden in Verbindung mit hohen Kreditlasten von Unternehmen und Haushalten senken die Absorptionsfähigkeit gegenüber neu auftretenden bzw. sich aus der aktuellen Situation ergebenden Folgekrisen.
Zusätzlich wird sich das internationale Marktumfeld verschärfen – einerseits, weil die Krise Konzentrationsbewegungen in nahezu allen Branchen beschleunigt, andererseits weil Staatseinflüsse Wettbewerbsgefüge zunehmend verzerren werden.
Unternehmen müssen Überlegungen zur Resilienz und Anpassungsfähigkeit in ihre Strategie genauso einbauen, wie sie ihre Fähigkeiten zur Agilität und Kooperationsfähigkeit aufgrund fundamentaler Unsicherheit ausbauen müssen.
Zudem wird auch die Bedeutung von Technologie und Innovation weiter zunehmen - insbesondere die Digitalisierung von Geschäftsmodellen wird eine unabdingbare Voraussetzung. Darüber hinaus wird der „Green Deal“ der Europäischen Union einen deutlichen Akzent in Richtung Nachhaltigkeit setzen.
Dominante Strategien für Unternehmen und Österreich
Aus dem obigen ergeben sich unserer Meinung dominante Strategien. Auf nationalstaatlicher Ebene muss gerade ein kleines, hochvernetztes und wohlhabendes Land auf konsequente Erneuerung und Modernisierung setzen. Selbst wenn die Perpetuierung strukturerhaltender Maßnahmen populär ist, müssen Entscheider in der Politik den Fokus mutig auf strukturerneuernde Maßnahmen richten – die Investitionsprämie kann nur der Anfang sein.
Für Österreichs Unternehmens- und Industrielandschaft, die von oftmals in Nischenmärkten global erfolgreichen und vergleichsweisen kapitalstarken Akteuren geprägt ist, gilt das ebenso. Klarerweise müssen Unternehmer in diesen Monaten umsichtig sein, gleichzeitig besteht durch die Forcierung von (digitaler) Geschäftsmodellinnovation und Nachhaltigkeitsinitiativen sowie die Nutzung anorganischer Wachstumsmöglichkeiten die Chance, gerade jetzt die Wettbewerbssituation neu zu definieren.