Ist Mut der Kompass der unternehmerischen Landkarte?

Unsere Jurymitglieder erzählen, wann sie besonders viel Mut auf ihrem Weg bewiesen haben und ob sie Angst vorm Scheitern haben.

Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Edeltraud Hanappi-Egger – Rektorin Wirtschaftsuniversität Wien

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Edeltraud Hanappi-Egger:
Ich wurde von meinen Eltern in die Hauptschule geschickt, obwohl die Lehrpersonen mich für fähig hielten, das Gymnasium zu besuchen. Als ich nach zwei Jahren selbst den Entschluss fasste, dass ich wechseln möchte, musste ich schon sehr argumentieren, dass ich als Mädchen und Arbeiterkind in eine höhere Schule möchte, um dann auch zu studieren. Sich nicht nur in meiner Familie, sondern auch im Ortsverbund durchzusetzen, erforderte schon eine anständige Portion Mut.

Kann man lernen mutig zu sein?
Hanappi-Egger:
Ich denke, man kann an seinem Selbstbewusstsein arbeiten, daran, die eigenen Stärken zu erkennen – und sich ein Vorbild an anderen nehmen – positive oder auch abschreckende. Das hilft, Chancen zu erkennen und auch zu ergreifen.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Hanappi-Egger:
Nein, ich bin durchaus ein risikobereiter Mensch und weiß, dass ich lieber scheitere als etwas nicht zu versuchen – und dann ständig zu bereuen, dass ich etwas nicht getan habe.

Edeltraud Hanappi-Egger

Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Edeltraud Hanappi-Egger
Rektorin Wirtschaftsuniversität Wien

Rainer Kubicki – Geschäftsführender Gesellschafter Creditreform Wirtschaftsauskunftei Kubicki

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Rainer Kubicki: Ich hatte in einem zusammenhängenden Zeitraum von weit über 10 Jahren extreme Flugangst – mit allen nur denkbaren Zuständen ab dem Zeitpunkt, wenn das Ticket gebucht und damit der Flug fix war. Trotzdem habe ich immer wieder all meinen Mut zusammen genommen, bin aus beruflichen Notwendigkeiten in ein Flugzeug gestiegen und bin mit hochrotem Kopf geflogen und schweißnass angekommen. Aus meiner damaligen Wahrnehmung heraus war das extrem mutig.

Kann man lernen mutig zu sein?
Kubicki: Ja. In meiner Flugangst-Situation habe ich innerhalb von 2 Jahren 2 Seminare gegen Flugangst besucht: eines in der Gruppe mit Schicksalsgenossen, eines exklusiv für mich. In beiden wurden mit die technischen Grundlagen und organisatorischen Abläufe sowie Zusammenhänge des Fliegens bzw. des weltweiten Flugbetriebes vor Augen geführt und auch live demonstriert, ich habe also alles „gelernt“ und daraus den Mut geschöpft, mich den Dingen zu stellen – und fliege seither völlig stressfrei und unbelastet.
Für Unternehmer übersetzt heißt das: eine solide kaufmännische Ausbildung und das Kennenlernen der wichtigsten Risiken im kaufmännischen Umfeld erhöhen den Mut zum Risiko, weil man gelernt hat, sie einzuschätzen und die Profession erlernt hat, damit umzugehen.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Kubicki: Mein beruflicher Alltag führt mir seit Jahrzehnten täglich das Scheitern Anderer vor Augen. Früher galt das Scheitern für Unternehmer als Schande, es bedeutete ein Stigma. Mittlerweile hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das Scheitern durchaus zum Unternehmertum dazu gehört und insofern schlussendlich im Wirtschaftsleben normal ist. Insofern bin ich zwar nicht wild darauf, zu scheitern – aber ich habe auch keine Angst davor.
 

Andreas Lampl

Rainer Kubicki
Geschäftsführender Gesellschafter
Creditreform Wirtschaftsauskunftei Kubicki

Karoline Scheucher – Eigentümerin Steirerfleisch
Vertreterin Österreichs beim EY World Entrepreneur Of The Year 2018

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Karoline Scheucher:
JETZT!  Als Produzent von Lebensmitteln sind wir momentan besonders gefordert, uns auf unsere Kernaufgabe zu fokussieren. Steirerfleisch produziert 25 % des in Österreich konsumierten Schweinefleisches für diverse Kanäle: Frischfleisch, Schinken- und Wurstproduktion, Fertiggerichte, usw. Das ist eine große Verantwortung, zumal Lebensmittel unverzichtbar sind. Wir stehen zurzeit täglich vor neuen Herausforderungen! Gerade jetzt ist Mut und Entscheidungsfähigkeit gefragt, rasch und schnell zu reagieren. Wir sind stolz auf unser Team an Mitarbeitern, welche uns tagtäglich unterstützen und uns vertrauen, den richtigen Weg zu gehen.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Scheucher:
Wie definiert man Scheitern? Als Führungskraft sollte man die Fähigkeit besitzen, Entscheidungen permanent zu evaluieren. Oft ändern sich Umstände, welche eine Richtungsänderung notwendig machen. Ich definiere das nicht als Scheitern, sondern als Interagieren.

Muss man als Frau mutiger sein?
Scheucher:
Ich bin in einer männlich dominierten Branche tätig. Das ist ein Faktum, das ich von Beginn an zur Kenntnis genommen habe. Am Ende des Tages kommt es immer auf das Resultat an. Meine Erfahrung zeigt, dass Männer die Leistungen von Frauen teilweise höher einschätzen, schlichtweg weil sie von der Leistung im positiven Sinn „überrascht“ wurden.

Karoline Scheucher

Karoline Scheucher
Eigentümerin Steirerfleisch
Vertreterin Österreichs beim EY
World Entrepreneur Of The Year 2018

Mag. Johannes Höhrhan – Geschäftsführer Industriellenvereinigung Wien

EY Österreich: Kann man lernen mutig zu sein?
Johannes Höhrhan:
Manche Menschen sind von Natur aus mutiger als andere. Das heißt aber nicht, dass nicht jeder Mensch unter den richtigen Voraussetzungen kalkulierte Risiken eingehen kann. Vorbereitung ist hier der entscheidende Schlüssel. Denn, wenn man Informationen einholt, in Szenarien denkt und wohlüberlegte Entscheidungen trifft, braucht man nicht „mutig sein“, um „mutig zu handeln“. Mut ist nicht gleich Wagemut. Kein Extremsportler stürzt sich unvorbereitet ins Risiko. Kein Stuntman lässt sich auf einen Stunt ohne Sicherheitsvorkehrungen ein. Insofern kann man Mut also schon lernen – indem man lernt zu planen.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Höhrhan:
Ich habe hohe Ansprüche an mich selbst sowie auch an mein Umfeld und tue viel, um Fehler zu vermeiden. Ich würde das lieber als Gewissenhaftigkeit bezeichnen, aber ja, man könnte auch Angst dazu sagen. Angst ist jedenfalls nicht per se etwas Schlechtes. Sie kann eine starke Triebfeder sein und uns zu Höchstleistungen motivieren. Sie hilft uns auch dabei, wachsam zu bleiben und nicht in Selbstgefälligkeit zu verfallen. Mutige Menschen haben genauso Ängste wie weniger mutige Menschen, sie haben nur gelernt, diese anzunehmen und als eine Quelle der Stärke zu nutzen. Auch hat das Scheitern übrigens einen viel zu schlechten Ruf. Wer wohlüberlegt und mit viel Engagement etwas wagt, „redlich scheitert“ und daraus etwas lernt, der wird auf lange Sicht viel erfolgreicher sein als derjenige, der überhaupt nichts wagt.

Welchen mutigen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute geben?
Höhrhan:
Ob mutig oder nicht, jeder junge Mensch sollte zuallererst einmal eine gute Ausbildung machen. In meinem Fall war das ein Wirtschafsstudium, das mir in meinem bisherigen Berufsleben sehr nützlich war. Das hätte aber genauso gut ein MINT-Studium oder eine MINT-Lehre sein können. Rückblickend würde ich meinem 18-jährigen Ich jedenfalls den Rat geben, zu Beginn des Berufslebens den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Wenn es dann nicht klappt – „redliches Scheitern“ – kann man sich immer noch für eine traditionelle Berufslaufbahn entscheiden.

Johannes Höhrhan

Mag. Johannes Höhrhan
Geschäftsführer Industriellenvereinigung Wien

Andreas Lampl – Chefredakteur trend

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Andreas Lampl: Als ich mit 14 Jahren das Internat nicht verlassen durfte, habe ich die Sache selbst in die Hand genommen, sodass ich es ein Jahr später verlassen musste.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Lampl: Ja. Die hat, glaube ich, fast jeder. Es geht darum, sich von dieser Angst nicht abschrecken zu lassen, sondern das Scheitern als eine Option einzuplanen. Selbst wenn diese Option eintrifft, sind die Folgen selten so schlimm wie zuvor befürchtet.

Welchen mutigen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute geben?
Lampl: Tu, wonach dir der Sinn steht, nicht was von dir erwartet wird. Aber tu es mit Überzeugung und Selbstbewusstsein. Dann ergibt sich alles andere von selbst.

Potraitfoto von Andreas Lampl

Andreas Lampl
Chefredakteur trend

Dietmar Baumgartner – Co-CEO, LGT Bank Österreich

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Dietmar Baumgartner:
Mit 28 nach Australien zu gehen, um dort Karriere zu machen. Da ich weder das Land kannte noch irgendwelche Netzwerke hatte war es ein Sprung ins kalte Wasser.

In welcher Situation in Ihrem Leben wären Sie gerne mutiger gewesen?
Baumgartner:
Ich habe erst später erkannt, dass die Situationen, denen man bewusst aus dem Weg geht, eigentlich die Dinge sind die einen weiter bringen. Dazu gehört Mut und Überwindung. Früher habe ich des Öfteren den einfacheren Weg gewählt.

Kann man lernen mutig zu sein?
Baumgartner: 
Zu einem gewissen Grad wahrscheinlich schon. Mut und Selbstbewusstsein gehören für mich zusammen. Selbstbewusstsein steigt mit dem Können und an dem kann jeder arbeiten.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Baumgartner: 
Ja sicherlich. Ohne Angst zu scheitern hätte ich wahrscheinlich auch nicht in schwierigen Phasen meine letzten Reserven mobilisieren können. Man darf die Angst aber nicht zu groß werden lassen, sonst wird sie lähmend.

Welchen mutigen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute geben?
Baumgartner: 
Sich zumindest einmal im Leben auf etwas völlig Unbekanntes, Neues einzulassen ohne zu wissen wie es ausgeht. Und Zweitens ein tiefes Interesse für etwas zu entwickeln. Im Idealfall wenn man beides zusammenfügt, kann etwas Tolles entstehen.

Meinhard Platzer – Co-CEO, LGT Bank Österreich

EY Österreich: In welcher Situation in Ihrem Leben wären Sie gerne mutiger?
Meinhard Platzer: 
Es gibt immer wieder Momente im Leben, in denen ich gerne beherzter eine Situation meistern würde. Mut hat aber auch mit Empathie und Verantwortung zu tun. Daher versuche ich stets zwischen der Auswirkung meines Tuns und dem erwünschten Resultat abzuwägen. Mut ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Person, die sich für einen mutigen Schritt entscheidet, auch selbst die Konsequenzen mitträgt, insbesondere die negativen. Ansonsten kann ein mutiges Vorgehen sehr schnell fahrlässig sein. Nicht umsonst spricht man vom Übermut, einer Art Leichtfertigkeit, deren Folgen zumeist von Dritten getragen werden müssen.

Kann man lernen, mutig zu sein?
Platzer: 
Ja, jeder Mensch kann lernen, mutig zu sein. Dem einen fällt es leichter, dem anderen schwerer. Dies ist wahrscheinlich eine Charaktersache. Unabhängig davon, kann man sich antrainieren, aus der Komfortzone hie und da auszubrechen. Diese zu verlassen, ist die wahre Herausforderung, denn sie kann Unsicherheit und vielleicht auch Scheitern bedeuten. Die Angst davor zu überwinden, ist aber notwendig, um sich weiterzuentwickeln. 

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Platzer: 
Scheitern ist ein wichtiger Schritt zum Erfolg. Wesentlich dabei ist, nicht zweimal den gleichen Fehler zu machen, und das Scheitern möglichst frühzeitig zu erkennen. Es ist ein Paradoxon: Begangene Fehler sind die einzige Quelle, wo man wirklich etwas daraus lernen kann.

Welchen mutigen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute geben?
Platzer: 
Mit Entschlossenheit meinem Talent zu folgen. Versuchen herauszufinden, was mir Spaß macht. Nicht die Verdienstmöglichkeiten in den Vordergrund zu stellen, sondern sich auf den Inhalt und die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten zu konzentrieren.

Dietmar Baumgartner und Meinhard Platzer

Meinhard Platzer und Dietmar Baumgartner

Rainer Nowak – Chefredakteur Die Presse

EY Österreich: Wann haben Sie besonders viel Mut auf Ihrem Weg bewiesen?
Rainer Nowak: Mit der Chefredaktion der „Presse“ eine Aufgabe und Verantwortung zu übernehmen, die mir zum Zeitpunkt der Entscheidung zum Glück nicht bewusst war. Über oder nach dem Mut kommt mitunter der Übermut.

In welcher Situation in Ihrem Leben wären Sie gerne mutiger gewesen?
Nowak: In vielen Gesprächen und Situationen, in denen ich meinem Gegenüber nicht die ungeschminkte Wahrheit und meine Gefühle gesagt und gezeigt habe. Aus falscher Höflichkeit und übertriebenem Harmoniebedürfnis.

Kann man lernen mutig zu sein?
Nowak: Ja. Mit wachsender Lebenserfahrung, mit Niederlagen, und mitunter der Gewissheit, zu feig gewesen zu sein.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?
Nowak: Täglich nach dem Aufstehen.

Welchen mutigen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute geben?
Nowak: Neugierig, ungebremst und mitunter übermütig zu sein, besser Ecken und Kanten zu zeigen als sich diese abschleifen zu lassen.

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