Das Wesen der Wirtschaft besteht im Wettbewerb. Es geht um das Überleben des Stärkeren – so lautet zumindest die traditionelle Sichtweise.
Doch die vergangenen Jahre haben gezeigt, an welche Grenzen Unternehmen mit dieser Denkweise stoßen: „Traditionelle Geschäftsmodelle basierten auf dem Nullsummenspiel und auf der ‚Wir gegen die‘-Mentalität“, sagt Jeff Wong, EY Global Chief Innovation Officer. „Die meisten Wirtschaftsmodelle und Fallstudien beruhten auf dem Konzept: Ein kleiner Wettbewerber nimmt einem großen Marktteilnehmer Marktanteile ab – oder das große Unternehmen drängt das kleine vom Markt.“
„Zwar werden viele Unternehmen immer noch so geführt, doch wir sind überzeugt, dass sich die Zeiten geändert haben. Wer heute gewinnen will, muss eine andere Frage stellen: Können wir nicht auch gemeinsam erfolgreich sein?“
Es geht nicht darum, unternehmerische Grundprinzipien über Bord zu werfen. Vielmehr merken immer mehr Unternehmen in Zeiten der digitalen Disruption und der Branchenkonvergenz, dass sie zusammenarbeiten müssen, um ihre Fähigkeiten und Vermögenswerte zu bewahren und um sich die nötige Unterstützung zu sichern, die sie brauchen. Insbesondere können Unternehmen Innovationen nur sehr schwer alleine erfolgreich entwickeln.
Natürlich ist Zusammenarbeit zwischen Unternehmen nichts Neues. Aber im heutigen Geschäftsumfeld, das sich immer stärker beschleunigt, ändert sich die Art des Zusammenarbeitens. Immer mehr Unternehmen entdecken neue, immer kreativere und fluide Wege der Kollaboration.
Neue Kollaborationsformen für eine neue Welt
Wir stehen am Beginn des goldenen Zeitalters rasanter Business Innovation. Doch gerade die immer kürzeren Innovationszyklen führen dazu, dass klassische Partnerschaftsmodelle wie M&A oder Joint Ventures oft zu langsam, zu teuer und zu schwerfällig sind, um mit dem Markt mithalten zu können.
Fusionen und Übernahmen setzen außerdem voraus, dass ein Unternehmen genug Ressourcen hat, um ein anderes zu übernehmen. Das bedeutet auch sorgsame, zeitintensive Verhandlungen sowie Dokumentationspflichten. Joint Ventures sind zwar weniger komplex, verlangen aber eine exakte Planung bezüglich der Erlöse und der künftigen Kostenverteilung.
Natürlich wird es weiterhin Übernahmen und Joint Ventures geben, und sie sind eine gute Lösung für viele unternehmerische Herausforderungen. Eine Untersuchung der Economist Intelligence Unit (EIU) mit Unterstützung durch EY ergab, dass fast ein Viertel der Unternehmen bereits M&A und Joint Ventures genutzt haben, um der Disruption zu begegnen oder sie selbst voranzutreiben.
Als Antwort auf den derzeitigen geschäftlichen Druck und die rasanten Veränderungen wenden sich immer mehr Unternehmen dabei aber agileren und fließenden Partnerschaften zu:
- Laut EIU-Bericht schloss fast ein Drittel der befragten Firmen bereits eine strategische Allianz mit einem Branchenunternehmen. Jede Vierte ging zudem eine Partnerschaft mit einem branchenfremden Unternehmen ein.
- Im Finanzsektor bildete etwa ein Drittel aller Firmen eine strategische Allianz mit Wettbewerbern und Angreifern, um disruptiven Kräften zu begegnen, fand die EIU-Studie heraus. Die Zusammenarbeit mit FinTech-Firmen kann Banken helfen, die digitale Innovation voranzutreiben.
- Diese Ergebnisse werden gestützt durch EY-Studien: Die Digital Deal Economy Study von EY zu den künftigen Absichten bei Allianzen ergab, dass ein Drittel (32 Prozent) aller Führungskräfte aus dem nicht technologischen Bereich innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre Allianzen und Partnerschaften plant oder umsetzen will, um die eigenen Transformationsziele zu erreichen.
Solche hochflexiblen Allianzen, die wir „Industrial Mash-ups“ nennen, sind auf dem Vormarsch, und sie helfen Unternehmen dabei, der Disruption besser zu begegnen und sie proaktiv zu nutzen.
Kollaboration im digitalen Markt
In einem Industrial Mash-up teilt ein Unternehmen einen Vorteil oder Fähigkeiten mit einem Partner oder mit mehreren, sodass neue Chancen für alle entstehen – und zwar ohne dass das jeweilige Unternehmen dabei beeinträchtigt würde, seine Vorteile weiterhin am Markt auszuspielen. Die Beteiligten können rascher neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, indem sie Bestandteile aller Netzwerkpartner nutzen und zusammenfügen.
Im Gegensatz zu M&A und Joint Ventures beruhen Mash-ups auf simplen Kooperationsvereinbarungen, für die man nicht notwendigerweise finanzielle Konditionen im Detail aushandeln muss. Es geht vorrangig darum, beiden Seiten Vorteile zu verschaffen, indem sie Ressourcen effektiv teilen und nutzen. Mash-ups zwingen die Beteiligten nicht, ihre Zielvereinbarungen abzustimmen, und erfordern auch keine komplexen Integrationsbemühungen, wie sie etwa nach Übernahmen nötig sind.
Laut der Digital Deal Economy Study von EY werden diese Kooperationen, die auf einem Markt, der zunehmend von den Kräften der digitalen Disruption getrieben wird, immer beliebter werden: 58 Prozent der Unternehmen, die bisher ihre Daten, geistiges Eigentum oder andere Werte noch nicht vollständig ausschöpfen, gaben an, strategische Allianzen eingehen zu wollen, um diese Ressourcen zu Geld machen zu können.