4 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020
Wolkenkratzer in Börsenstadt

Sind Sie bereit für den IPO?

Autoren
EY Österreich

Wegbereiter des Wandels

Gerald Steckbauer

Senior Manager, Assurance I Österreich

Ist Wirtschaftsprüfer aus Leidenschaft. Liebt die Herausforderung, die eine Unternehmenstransformation vom Start-up hin zum Kapitalmarkt mit sich bringt.

4 Minuten Lesezeit 22 Jänner 2020

Die neuen Marktsegmente der Wiener Börse sollen vor allem kleineren und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern. Zuvor sollte man allerdings klären, ob das Unternehmen für den Kapitalmarkt bereit ist.

Am 21.01.2019 starteten an der Wiener Börse die neuen Marktsegmente „direct market plus“ und „direct market“. Diese lösen die bisherigen Segmente „mid market“ und „other securities“ ab. Mit den neuen Marktsegmenten soll vor allem kleineren und mittleren Unternehmen, Wachstumsunternehmen und Start-ups ein einfacher und kostengünstiger Zugang zur Wiener Börse eröffnet werden. Ermöglicht wurde dies durch eine im Jahr 2018 beschlossene Gesetzesänderung. Demnach können ab 2019 auch nicht börsennotierte Gesellschaften Inhaberaktien ausgeben und ihre Aktien mit geringen Zulassungsanforderungen an der Wiener Börse listen. Die Aktien werden dabei über das Handelssystem Xetra® T7 handelbar und Investoren können sie unkompliziert kaufen und verkaufen.

Die Anforderungen

Die Basis bildet der neue „direct market“ mit geringen Anforderungen. Im „direct market plus“ müssen Unternehmen u. a. eine Mindestbestandsdauer von einem Jahr aufweisen, Jahresabschluss (wahlweise IFRS oder nationale Rechnungslegungsvorschriften) und Zwischenberichte veröffentlichen, einen Unternehmenskalender führen und sich von einem Capital Market Coach begleiten lassen. Nachfolgende Tabelle zeigt die wesentlichen Anforderungen an Unternehmen im „direct market“ und im „direct market plus“ im Vergleich.

Sie erwägen einen Börsengang (IPO)?

Der Börsengang (IPO) ist eine großartige Möglichkeit, um Kapital zu beschaffen, Wachstum zu beschleunigen, Innovationen zu finanzieren und Marktführerschaft zu erlangen. Er kann die Marke stärken und die Präsenz eines Unternehmens bei Stakeholdern und in der Öffentlichkeit erhöhen. Darüber hinaus steigert er auch die Attraktivität des Unternehmens für Topmanager und Mitarbeiter. Börsengänge sind daher wieder „en vogue“ und auch beispielsweise für Private-Equity- oder Venture-Capital-Geber eine ernst zu nehmende strategische Option.

Doch der Weg an die Börse ist oft eine Herausforderung für ein Unternehmen auf vielen Feldern. Bevor die Vorteile einer Börsennotierung genutzt werden können, steht eine Reihe strategischer, organisatorischer, struktureller, steuerlicher und rechtlicher Entscheidungen an, die weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen haben. Das ist Grund genug, diesen bedeutenden Schritt in den Kapitalmarkt genau vorzubereiten und zu planen.

IPO — Transformation vs. Transaktion

Angesichts der steigenden Anforderungen seitens der Investoren und Regularien an die Transparenz ist es unerlässlich, auch einen Plan für die Zeit nach dem Börsengang bereitzuhaben. Ein IPO als Transaktion erfordert daher vor allem eine strukturierte und gemanagte Transformation von einem privat geführten Unternehmen in ein börsennotiertes Unternehmen. Betroffen sind dabei neben der Infrastruktur und Prozessen auch neue Verwaltungsbereiche mit neuen Aufgaben. Obwohl die heiße Umsetzungsphase eines IPO in der Regel 90 bis 120 Tage dauert, sollte die Vorbereitung mindestens 12 bis 18 Monate vor dem IPO beginnen und insbesondere auf die Erfüllung der Pflichten und auf die Kür nach dem IPO abzielen.

Wie kann ich meine Kapitalmarktfähigkeit prüfen?

Nicht alle Unternehmen sind fit für den Kapitalmarkt. Ist eine Börsennotierung jedoch der geplante nächste Schritt in der Unternehmensgeschichte, ist ein IPO Readiness Assessment der Schlüssel zum Erfolg.

Ein IPO Readiness Assessment ist ein strukturierter Ansatz, der ganzheitlich wichtige IPO-relevante Themenbereiche im Unternehmen betrachtet. „Ganzheitlich“ bedeutet dabei, dass beispielsweise nicht nur die Frage nach dem „richtigen“ Börsenplatz oder die Anforderungen an die Finanzberichterstattung analysiert werden, sondern es wird auf alle nachfolgend dargestellten Themenbereiche umfassend eingegangen.

Wie verläuft ein IPO Readiness Assessment?

Normalerweise findet das IPO Readiness Assessment bereits in einem sehr frühen Stadium auf dem Weg zum Börsengang statt. Idealerweise nehmen sich Unternehmer ein oder zwei Tage Zeit, um in einem Workshop herauszuarbeiten, ob der Börsengang die Unternehmensstrategie unterstützt. Auch geht es darum, die Vorteile und Risiken eines IPO abzuwägen, mehr über die eigenen Lücken in den zuvor dargestellten Themenbereichen im Hinblick auf die IPO Readiness zu erfahren und eine IPO Roadmap bzw. einen Aktions-/Projektplan zu entwickeln, wie alle identifizierten Lücken geschlossen werden können.

Das Ergebnis ist ein ausführlicher IPO Readiness Assessment Result Report, der

  • zunächst die Annahmen des potenziellen Börsengangs definiert,
  • den aktuellen Status in den verschiedenen Themenbereichen aufnimmt,
  • diesen mit der Zielstruktur den Anforderungen des Kapitalmarktregelbetriebs gegenüberstellt und
  • daraus die notwendigen Maßnahmen ableitet und aufzeigt.

Zudem enthält der Result Report konkrete Empfehlungen und einen möglichen Zeitplan für die interne Umsetzung, mit dem Ziel, die Kapitalmarktfähigkeit zu erlangen. Der IPO Readiness Assessment Result Report dient dabei oft auch als Entscheidungsbasis im Gesellschafterkreis.

Fazit

Ein Börsengang birgt viele Chancen für Unternehmen, ist aber auch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Es ist daher unabdinglich, sich im Vorfeld im Detail mit allen möglichen Szenarien auseinander zu setzen.

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Gerald Steckbauer

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