- Zwei von drei österreichischen Unternehmen (68 %) sehen geschäftlichen Nutzen in verstärkter Nachhaltigkeitsaktivität
- Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell werden von einem Drittel (33 %) eher als Chance erkannt
- Nur knapp mehr als ein Drittel (38 %) der Mittelständler verfügt bereits über eine Nachhaltigkeitsstrategie
- Vor allem Investitionsentscheidungen werden als Hebel für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen gesehen
- Fast die Hälfte (45 %) rechnet mit weiteren Einbußen – speziell im Tourismussektor
- Kurzarbeitsgeld als meistgenutzte staatliche Unterstützung 2020
- 71 Prozent beantragten staatliche Unterstützung, ein Drittel (33%) plant Neubeantragung weiterer Hilfen
Wien, 1. April 2021. Die mittelständischen Unternehmen Österreichs sind sich ihrer Verantwortung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimawandel bewusst. Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen (68 %) sind überzeugt, durch eine aktive Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsbereiches geschäftlich profitieren zu können. Aktuell gibt es aber nur bei etwas mehr als jedem dritten Mittelständler eine Nachhaltigkeitsstrategie (38 %). Bei weiteren 14 Prozent existiert zwar aktuell keine Strategie, allerdings ist die Implementierung innerhalb der nächsten zwei Jahre geplant. Hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell sehen die befragten Unternehmen eher Chancen (33 %) als Risiken (14 %).
Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 800 mittelständische, nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Österreich befragt wurden.
„Nachhaltigkeit wird zu dem zentralen Megatrend unserer Generation und hat sich in den letzten Jahren vom Nischenthema zum zentralen Strategiethema für Unternehmen entwickelt. Sowohl Investoren und Konsumenten als auch die Politik verlangen heute nachhaltige Lösungen. Österreichische Unternehmen sind sich zwar der Verantwortung hinsichtlich Nachhaltigkeit bewusst, allerdings sind sie noch unentschlossen, welche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt werden soll und wie daraus auch Geschäfts- und Ertragspotenziale lukriert werden können. Wichtig ist, dass alle österreichischen Unternehmen die Relevanz des Themas erkennen, aktiv werden und Nachhaltigkeit als wesentlichen Eckpfeiler der Unternehmensstrategie ansehen. Nur so kann es gelingen, Wettbewerbspotenziale in der beginnenden Nachhaltigkeitsära zu sichern und die Klimaziele bis 2040 zu erreichen“, so Martin Unger, Leiter von EYCarbon, der Nachhaltigkeitsberatungsschiene von EY Österreich.
Verstärkte Nachhaltigkeitsaktivität bringt Chancen für das eigene Geschäft
Österreichs Unternehmen sehen Nachhaltigkeit als Chance für das eigene Geschäft, denn gut zwei von drei mittelständischen Unternehmen (68 %) gehen davon aus, einen geschäftlichen Nutzen aus einer verstärkten Nachhaltigkeitsaktivität ziehen zu können.
„Durch die wachsenden Anforderungen am Markt und den zunehmenden regulatorischen Druck im Bereich Nachhaltigkeit wird eine vorausschauende Positionierung für Unternehmen zukünftig immer wichtiger. Gerade die Herausforderungen im Klimabereich machen eine monetäre Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf das Geschäftsmodell essenziell für strategische Entscheidungen. Die Instrumente dafür gibt es, sie werden jedoch noch kaum herangezogen. Betriebe, die sich jetzt intensiv mit Nachhaltigkeitsaktivitäten auseinandersetzen und Kunden ein umfassendes und nachhaltiges Portfolio bieten, sind in Zukunft klar im Vorteil“, erklärt Georg Rogl, Co-Leiter von EYCarbon in Österreich.
Besonders hoch werden die Chancen durch verstärkte Nachhaltigkeitsaktivitäten von den Verantwortlichen bei Energie- und Wasserversorgern gesehen – alle befragten Unternehmen in dieser Branche denken, durch mehr Nachhaltigkeitsaktivitäten auch geschäftlich profitieren zu können. Überdurchschnittliche Chancen gibt es zudem in der Industrie (72 %) sowie im Handel und Konsumgüterbereich (73 %). Den Studienergebnissen zufolge erwarten sich Unternehmen aus dem Gesundheits- beziehungsweise aus dem Life-Sciences- und Health-Care-Sektor (35 %) den geringsten geschäftlichen Nutzen durch Nachhaltigkeit.
Österreichs Unternehmen sind bezüglich Auswirkungen des Klimawandels auf Geschäftsmodelle eher positiv gestimmt
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geschäftsmodelle der jeweiligen Unternehmen werden zusammenfassend als eher positiv beurteilt. Jedes dritte mittelständische Unternehmen (33 %) sieht in den Auswirkungen des Klimawandels eher eine Chance in Hinblick auf das eigene Geschäftsmodell – ein Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr um rund sieben Prozentpunkte. Nur etwa jeder siebte Mittelständler (14 %) denkt, dass der Klimawandel Risiken für das eigene Geschäftsmodell mit sich bringt. Die Bewertungen fallen in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich aus: Eine besonders positive Einschätzung der Geschäftschancen gibt es in der Immobilienbranche (49 %), gefolgt von der Energie- und Wasserversorgung (43 %). Auch in Industrieunternehmen (30 %) werden die Auswirkungen des Klimawandels auf Geschäftsmodelle eher als Chance gesehen, wobei der Transport- und Verkehrssektor (6 %) vor allem Risiken durch die Auswirkungen des Klimawandels für das Geschäftsmodell erwartet.
Stefan Uher, Co-Leiter von EYCarbon bei EY Österreich, dazu: „Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geschäftsmodelle österreichischer Betriebe bzw. die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken werden von Unternehmen aktuell sehr unterschiedlich wahrgenommen. Grundsätzlich gilt auch hier: Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Aus unserer Sicht wird es kein Unternehmen geben, dessen Geschäftsmodell durch den Klimawandel nicht in irgendeiner Form herausgefordert wird. Wir haben jetzt die Gelegenheit, das Beste aus der Situation zu machen und müssen die Kehrtwende unbedingt schaffen. Nachhaltigkeit auch in den Geschäftsmodellen und Strategien – das ist die Zukunft.“
Knapp mehr als ein Drittel hat eine Nachhaltigkeitsstrategie
Speziell in puncto Strategie gibt es allerdings Luft nach oben: Nur etwas mehr als ein Drittel (38 %) der Mittelständler in Österreich verfügt aktuell über eine schriftlich niedergelegte Nachhaltigkeits- oder Klimastrategie. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen leichten Anstieg um drei Prozentpunkte. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen (48 %) gibt an, keine Nachhaltigkeitsstrategie zu haben und diese auch innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht zu planen – 14 Prozent haben die Ausarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie in den nächsten zwei Jahren auf ihrer Agenda.
Wie die Umfrage verdeutlicht, verfügen größere Unternehmen mit Jahresumsätzen von mehr als 30 Millionen Euro deutlich häufiger über Nachhaltigkeitsstrategien als kleinere Unternehmen. Am weitesten verbreitet sind Nachhaltigkeits- und Klimastrategien in Unternehmen der Energie -und Wasserversorgung (86 %). Danach folgen Unternehmen im Handel und Konsumgüterbereich (46 %) sowie Industrieunternehmen (45 %). Unternehmen aus der Immobilien -und Baubranche sind aktuell das Schlusslicht (15 %).
„Es überrascht uns, wie viele Unternehmen aktuell keine Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie implementiert haben und diese auch in Zukunft nicht andenken. Das scheint uns als gefährlich, da aufgrund der zu erwartenden Nachhaltigkeitsinitiativen seitens Regulatorik alle Branchen und Unternehmen betroffen sein werden und eine strategische Antwort finden müssen. Das erklärte Ziel der österreichischen Bundesregierung, dass unser Land bis 2040 klimaneutral sein soll, rückt außerdem in weite Ferne. Betriebe egal welcher Branche und Größenordnung sollten dieses Thema deshalb unbedingt ganz oben auf ihre strategische Agenda schreiben: Globale Trends, regulatorische Instanzen und deren Entscheidungen mit Auswirkungen auf die unterschiedlichen Sektoren, Investoren, Konsumenten und nicht zuletzt die Gesellschaft werden in Zukunft große Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Unternehmen und deren Geschäftsmodelle stellen. Wer in Zukunft noch relevant und nachhaltig erfolgreich sein möchte, der muss jetzt die geeigneten Strategien und Konzepte entwickeln“, sagt Unger.
Österreichische Unternehmen treffen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel
Trotz der oft noch fehlenden strategischen Grundlage sind Unternehmen in Österreich aber dennoch bereit, Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu ergreifen. Bei drei Viertel der Befragten (74 %) werden Investitionsentscheidungen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten getroffen. Sieben von zehn Unternehmen (68 %) setzen außerdem auf die Anteilserhöhung von erneuerbarer Energie. Knapp zwei Drittel der Mittelständler (65 %) bauen auf die Bewusstseinsbildung bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Insgesamt trifft nur knapp ein Zehntel der heimischen Unternehmen (9 %) gar keine Maßnahmen zum Schutz des Klimas.
„Es ist natürlich erfreulich, dass das Bewusstsein und das Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt und dem Klima beim Großteil der österreichischen Unternehmen vorhanden sind. Es ist aber wichtig, dass Unternehmen nicht nur punktuelle Maßnahmen ergreifen, sondern umfassende und strategiebasierte Nachhaltigkeitskonzepte entwickeln. Nur so lässt sich ein nachhaltiges Wirtschaftssystem und Klimaneutralität über einen doch sehr langen Zeitraum von fast 20 Jahren überhaupt erreichen“, so Unger abschließend.