Pressemitteilung

7 Juli 2022 Wien, AT

EY Start-up-Barometer Europa 1/2022

Österreichs Start-up-Höhenflug geht vorerst auch in stürmischen Zeiten weiter

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Sarah Mauracher

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Österreich

Nina Eggenberger

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  • Gesamtwert der Investitionen in österreichische Start-ups im ersten Halbjahr steigt im Vergleich zum Rekordjahr 2021 nochmals um 67 Prozent
  • 62 Prozent des Gesamtvolumens entfallen auf die zwei größten Finanzierungsrunden von GoStudent und TTTech Auto
  • Zahl der Finanzierungsrunden steigt im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 um 13 Prozent von 67 auf 76 – das Volumen steigt von 529 Millionen Euro auf 881 Millionen Euro
  • Globale Krise am Finanzierungsmarkt ist im ersten Halbjahr 2022 in Österreich dank starken Jahresbeginns noch wenig spürbar – aber Stimmung trübt sich ein
  • Zurückhaltung der Risikokapitalgeber:innen schlägt sich besonders bei stark wachsenden Start-ups und Unicorns nieder – weniger Auswirkungen in der Frühphase
  • Die meisten Finanzierungsrunden gab es im Software- und Technologiebereich
  • Wien liegt bei Investitionsvolumen und Deal-Zahl weit vorn
  • Nachhaltigkeit bei Start-ups rückt stärker in den Fokus von Investor:innen

Nachdem 2021 weltweit alle Rekorde in Hinblick auf Start-up-Finanzierungen geknackt wurden, haben steigende Zinsen, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation und eine drohende Rezession das Marktumfeld stark eingetrübt. Besonders betroffen davon sind börsennotierte Tech-Unternehmen sowie hoch bewertete Scale-ups oder Unicorns mit Fokus auf ein starkes, schnelles Wachstum. Weltweit haben Unicorns in den vergangenen Monaten aufgrund des schwierigen Marktumfelds für Finanzierungsrunden Mitarbeitende entlassen. Auch in Österreich stellen sich Start-ups auf wirtschaftlich schwierige Zeiten ein.

In den Zahlen für das erste Halbjahr 2022 lässt sich hingegen noch keine Eintrübung des Finanzierungsmarkts für österreichische Start-ups erkennen. Im Gegenteil: Österreichische Start-ups erhielten im ersten Halbjahr 2022 mehr frisches Kapital als je zuvor. Mit insgesamt 881 Millionen Euro wurde das Volumen des Vorjahreszeitraums um 67 Prozent überschritten. Österreichs Start-ups sammelten sogar noch mehr Kapital ein als im bisherigen Rekordzeitraum, dem zweiten Halbjahr 2021. Allerdings vereinigten die zwei großen Finanzierungsrunden von GoStudent mit 300 Millionen Euro sowie TTTech Auto mit 250 Millionen Euro 62 Prozent gesamten Investitionskapitals auf sich. Unter den Top-5-Investments des Jahres finden sich außerdem noch Waterdrop und PlanRadar mit je 60 Millionen Euro sowie der Logistik-Spezialist byrd mit 53 Millionen Euro. Das starke erste Halbjahr trotz der globalen Krisenstimmung beruht vor allem auf einem starken Jahresbeginn mit großen Finanzierungsrunden im Jänner 2022.

Das sind Ergebnisse des Startup-Barometers Österreich der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt. 

„In Österreich ist der Start-up-Höhenflug trotz des bereits stürmischen Umfelds auch im ersten Halbjahr 2022 weitergegangen. Noch nie wurde in einem Halbjahr so viel Kapital in Start-ups gesteckt wie heuer. Diese Zahlen dürfen aber nicht zu dem Trugschluss führen, dass der Boom des Rekordjahres 2021 in Österreich ungebremst weitergeht. Viele Finanzierungsrunden wurden bereits 2021 oder in den noch starken ersten Monaten 2022 auf den Weg gebracht und jetzt abgeschlossen. Gerade bei der Wachstumsfinanzierung, die in Österreich fast ausschließlich durch internationale Investorengruppen getätigt wird, wird sich die starke Zurückhaltung von Risikokapitalgeber:innen in den nächsten Monaten niederschlagen. In der aktuellen Situation sollten Start-ups rasch einen Kassensturz machen und sich darauf vorbereiten, länger als geplant mit dem aktuellen Kapital auskommen zu müssen“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

„Weltweit ist die Goldgräberstimmung des Boom-Jahres 2021 der Ernüchterung gewichen. Viele Geldgeber:innen sind nervös, die Risikobereitschaft sinkt, ebenso wie die Bereitschaft zu investieren. Viele Scale-ups und Unicorns haben von Hypergrowth auf Überlebensmodus geschaltet, in vielen stark gefundeten Wachstumsunternehmen gibt es aktuell Entlassungen. Das Stimmungsbild hat sich innerhalb weniger Monate komplett gedreht – allerdings ist auch das eine Momentaufnahme. Wie nachhaltig der Krisenmodus ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, insbesondere der Zinspolitik, der Höhe der Inflation und dem Ausmaß der drohenden Rezession“, so Haas.

Das österreichische Start-up-Ökosystem sei aber grundsätzlich gut für die Bewältigung dieser Situation gerüstet: „Die Marktkonsolidierung und das Absinken von Bewertungen trifft einerseits vor allem Märkte, in denen der Wettbewerb um Investments in den vergangenen 18 Monaten sehr stark war, und andererseits vor allem Scale-ups und Unicorns, die auf sehr starkes und schnelles Wachstum und das rasche Gewinnen von Markteinteilen fokussieren und daher einen entsprechend hohen Kapitalbedarf haben – Stichwort „the winner takes it all“. Beides trifft trotz der positiven Entwicklung mit steigenden Finanzierungsvolumina und erster Unicorns nur sehr bedingt auf Österreich zu. Investorengruppen verlagern ihren Fokus aktuell von Potenzial auf Profitabilität. Da bei heimischen Start-ups und Scale-ups konkrete Kennzahlen im Normalfall über dem Anspruch auf fremdfinanzierte Weltherrschaft um jeden Preis stehen, sollte das österreichische Start-up-Ökosystem verhältnismäßig gut durch die kommenden schwierigen Monate kommen“, so Haas. „Gute Unternehmen bekommen auch in der Krise Geld“. 

Anzahl großer Runden für Österreichs Start-ups gestiegen

Die Anzahl der Finanzierungsrunden für österreichische Start-ups ist in den ersten sechs Monaten 2022 um rund 13 Prozent von 67 auf 76 gestiegen. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, ist deutlich um 50 Prozent von rund neun Millionen Euro auf 13,5 Millionen Euro gestiegen. Im ersten Halbjahr 2020 wurden durchschnittlich pro Finanzierungsrunde nur 2,5 Millionen Euro investiert. 

Der Trend zu größeren Finanzierungsrunden in Österreich hielt auch 2022 bislang an: Im ersten Halbjahr 2022 wurden fünf Abschlüsse mit einem Volumen von mehr als 50 Millionen Euro gezählt gegenüber drei Abschlüssen in der Vorjahresperiode. Auch in den Finanzierungsbereichen von 1,1 bis 10 Millionen Euro und 10,1 bis 50 Millionen Euro lag die Zahl der Abschlüsse im jüngsten Halbjahr jeweils etwas höher als im ersten Halbjahr 2021. Gleichzeitig ging die Zahl der Abschlüsse im Finanzierungsbereich bis zu einer Million Euro etwas zurück (von 42 auf 40). Insgesamt stieg die Anzahl der Millionenrunden von 19 auf 25 an.

„Aufgrund des Einbruchs von Tech-Aktien an den Börsen stehen insbesondere Scale-ups und Unicorns knapp vor einem Börsengang enorm unter Druck und brauchen Finanzierungsspritzen, die sie im aktuellen Umfeld oft nur deutlich unter der Unternehmensbewertung der letzten Finanzierungsrunde bekommen. Dementsprechend ist die Krisenstimmung auf dem globalen Risikokapitalmarkt vor allem in einem deutlichen Rückgang von Megarunden mit mehr als 100 Millionen Euro sichtbar. Diese Runden sind in Österreich nach wie vor die Ausnahme und die starken potenziellen heimischen Unicorns haben fast alle in den letzten 18 Monaten eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Natürlich wird sich das eingetrübte Marktumfeld in allen Phasen zeigen, speziell in der Frühphase und bei der ersten Wachstumsfinanzierung werden die Auswirkungen zumindest kurzfristig weniger spürbar sein“, so Haas. 

Software- und Technologiebranche verzeichnet die meisten Deals 

Die meisten Finanzierungsrunden wurden im ersten Halbjahr 2022 im Softwarebereich abgeschlossen. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. Mit 25 Finanzierungsrunden (2021: 17) liegt die Branche deutlich vor den ex aequo platzierten E-Commerce-Unternehmen (8; 2021: 9), FinTech-Firmen (8; 2021: 5) und Health-Start-ups (8; 2021: 13) vorne. Nachdem 2021 aufgrund der Corona-Pandemie der Gesundheitsbereich deutlich zulegte, rangieren wieder eindeutig Tech-Unternehmen ganz oben in der Gunst der Investorengruppen. 

Gleich fünf Branchen konnten im bisherigen Jahresverlauf Gesamtfinanzierungssummen von mindestens 60 Millionen Euro anziehen. Hinter den Bereichen Mobility mit 315 Millionen Euro, wovon 250 Millionen Euro auf TTTech Auto entfallen und dem Bereich Education, der es mit nur einer 300 Millionen Euro starken Finanzierungsrunde für GoStudent auf Platz 2 brachte, sind dies die Sektoren Software & Analytics, Mobility, E-Commerce und PropTech. Den größten absoluten Zuwachs gegenüber der Vorjahresperiode verzeichnete der Sektor Mobility (plus 309 Millionen Euro), gefolgt von den Sektoren PropTech und Software & Analytics (jeweils plus 57 Millionen Euro). Das stärkste Minus verzeichnete der Bereich FinTech: Hier wurde im ersten Halbjahr 2022 ein Gesamtfinanzierungsvolumen von 18 Millionen Euro realisiert gegenüber einem Volumen von 153 Millionen Euro im Vorjahreshalbjahr.

Wien bleibt Start-up-Hotspot

Erneut gab es in Wien besonders viele Investitionen, die Hauptstadt konnte ihren Vorsprung als Start-up-Hotspot gegenüber den anderen Bundesländern wieder klar behaupten: Mit 47 Finanzierungsrunden (2021: 40) vereinigten die Hauptstadt-Jungfirmen 62 Prozent der hierzulande gezählten Finanzierungsrunden auf sich (2021: 60 %). Auf Rang zwei folgt Oberösterreich, wo zehn Finanzierungsrunden gezählt wurden (2021: 11), vor der Steiermark, deren Start-ups es auf sieben Finanzierungsrunden (2021: 6) brachten.

Das mit weitem Abstand meiste Kapital konnten erneut Wiener Start-ups einwerben: Mehr als vier von fünf hierzulande in Start-ups investierte Euros wurden im ersten Halbjahr 2022 in Wiener Jungunternehmen investiert – insgesamt 740 Millionen Euro. Sechs der zehn größten Abschlüsse betrafen im jüngsten Halbjahr Start-ups, die in Wien ansässig sind. Der Standort Steiermark belegt mit einem Marktanteil von rund neun Prozent Rang zwei vor Oberösterreich, das es auf einen Marktanteil von rund fünf Prozent bringt. 

Nachhaltigkeit rückt stärker in den Fokus

Für Investorengruppen liegt der Fokus bei Investments in Start-ups eindeutig auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien. Als zweiter wesentlicher Bereich hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. 

Im ersten Halbjahr 2022 wurden elf Finanzierungsrunden verzeichnet, die einen Sustainability-Bezug aufweisen. Damit hatte rund jede siebte Finanzierungsrunde einen Bezug zum Querschnittsthema Sustainability. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 18 Millionen Euro in österreichische Start-ups mit Sustainability-Fokus investiert, das entspricht einem Anteil von rund zwei Prozent an der insgesamt investierten Summe von 881 Millionen Euro. 

„Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, die Dekarbonisierung oder Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. Investorengruppen werden in diesem Bereich in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es das erste österreichische Green Unicorn gibt“, so Haas. 

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EY im Überblick

EY* ist eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter:innen an vier Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Gemeinsam mit den insgesamt über 280.000 Mitarbeiter:innen der internationalen EY-Organisation betreut EY Kund:innen überall auf der Welt.

EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung sowie Transaktionsberatung und Managementberatung. 

Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com/at  

*Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst &Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.