3 Minuten Lesezeit 7 Juli 2022
Frau auf Schaukel

Nach Corona-Tief im Vorjahr - Aufschwung für den heimischen Mittelstand?

Von Erich Lehner

Managing Partner Markets, Programm Partner EY Entrepreneur Of The Year I Österreich

Erich Lehner verantwortet die serviceübergreifende Zusammenarbeit. Seine unternehmerisch geprägten Wurzeln zusammen mit seiner Berufserfahrung bilden die Basis seines ganzheitlichen Beratungsansatzes.

3 Minuten Lesezeit 7 Juli 2022

Nach einem starken coronabedingten Einbruch im Vorjahr hat sich die Geschäftslage deutlich verbessert. Der österreichische Mittelstand blickt wieder optimistisch in die Zukunft.

Die Corona-Pandemie ist nach wie vor, nicht zuletzt aufgrund der rapiden Ausbreitung der Omikron-Variante, omnipräsent. Der österreichische Mittelstand blickt jedoch nach einem coronabedingtem Tiefpunkt im vergangenen Jahr wieder positiv auf die Gegenwart und in die Zukunft. Nur mehr knapp jeder Zehnte (9 %) bewertet die derzeitige Geschäftslage negativ. Zum Vergleich: 2020 war das noch mehr als jeder Vierte (28 %). Auch die Geschäftslage hat sich erholt und ist so gut wie vor dem Ausbruch der Pandemie. Zudem rechnet ein Drittel der Unternehmen (33 %) damit, dass sich die eigene Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten verbessern wird. Das unterstreicht, wie gut und schnell sich Österreichs Unternehmen angepasst haben, wie resilient ihre Geschäftsmodelle sind und wie sie die Situation in vielen Fällen nutzen, um wichtige strategische Weichenstellungen – insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit – vorzunehmen. Das hat unser aktuelles Mittelstandsbarometer, eine Befragung von über 600 Verantwortlichen von mittelständischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiter:innen in Österreich, gezeigt.

Corona-Folgen: Fast vier von zehn Betriebe verzeichnen Umsatzrückgänge

Trotz optimistischem Blick in die Zukunft, ist die Situation aktuell noch sehr angespannt und kritisch. Denn die Corona-Krise hat Spuren hinterlassen: Österreichs Unternehmen haben mit Umsatzrückgängen (38 %) und Problemen mit der Lieferkette (37 %) zu kämpfen, bei 18 Prozent kam es zu Stornierungen von Aufträgen. Positiv ist, dass immerhin mehr als ein Viertel (27 %) keine Auswirkungen durch COVID-19 gespürt hat.

Die Industrie leidet vor allem unter den schwankenden Rohstoffpreisen und Lieferengpässen, insbesondere bei Chips in Folge der Halbleiterkrise.
Erich Lehner
Managing Partner Markets, Programm Partner EY Entrepreneur Of The Year I Österreich
woman on swing

EY Mittelstandsbarometer

Im Rahmen des EY Mittelstandsbarometers 2022 wurden über 600 Verantwortliche mittelständischer, nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiter:innen in Österreich befragt. Die vollständigen Ergebnisse unserer EY-Studie finden Sie unter folgendem Link zum Download.

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Jedes zweite Unternehmen hat 2021 Kurzarbeit in Anspruch genommen

Zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie gab es auch im vergangenen Jahr staatliche Unterstützungsangebote, welche mehr als die Hälfte (56 %) der österreichischen Unternehmen in Anspruch genommen haben. Der Tourismus lag bei den Branchen, in welchen die meisten Unternehmen auf Unterstützungsleistungen zurückgreifen mussten, ganz weit vorne (90 %). Auch Handelsunternehmen (59 %) und Industrieunternehmen (56 %) mussten 2021 überdurchschnittlich oft auf Unterstützungsangebote zurückgreifen.

Zudem hat knapp die Hälfte (47 %) 2021 ihre Mitarbeiter:innen im vergangenen Jahr in Kurzarbeit geschickt. 14 Prozent haben das Angebot von Steuerstundungen wahrgenommen bzw. einen Fixkostenzuschuss beantragt.

Die Benotung des wirtschaftlichen Umgangs mit der Coronakrise durch Österreichs Unternehmen fällt nicht gut aus. Nur 24 Prozent vergeben die Note „gut“ oder „sehr gut“. Zum Vergleich: vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 31 Prozent. Wie im Vorjahr würden 21 Prozent sogar nur ein „Genügend“ oder „Nicht genügend“ vergeben. Auch die Zustimmungsrate zur nationalen Standortpolitik hat bereits im dritten Jahr in Folge abgenommen: Während zu Jahresbeginn 2021 39 Prozent der Unternehmen diese als positiv bewerteten, so ist diese positive Zustimmungsrate auf 29 Prozent gesunken. Noch vor drei Jahren bekundeten 51 Prozent der befragten Unternehmen ihre Zustimmung zur nationalen Standortpolitik.

Konjunkturerwartungen deutlich aufgehellt – Investitionsdynamik bremst ab

Österreichs Unternehmen sind optimistischer bei der Einschätzung in Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung im nächsten halben Jahr. Mehr als jedes dritte Unternehmen (38 %) erwartet, dass sich die Wirtschaftslage im nächsten Halbjahr verbessern wird, das sind fast doppelt so viele wie vor einem Jahr (20 %). Auch der Anteil an Konjunkturpessimisten hat mit 63 Prozent zu Jahresbeginn 2021 auf aktuell 19 Prozent deutlich abgenommen. Somit sind erstmals seit Anfang 2019 wieder mehr Unternehmen optimistisch als pessimistisch bezüglich der Binnenkonjunktur.

Erwartungen an die Wirtschaftslage im ersten Halbjahr 2022

38%

gehen davon aus, dass sie sich verbessern wird.

Trotz der Pandemie, die auch 2022 das öffentliche Leben noch maßgeblich bestimmen dürfte, spricht einiges für einen spürbaren Konjunkturaufschwung, denn in vielen Bereichen besteht inzwischen ein enormer Nachholbedarf. Nun wird es allerdings darum gehen, dass dieser Bedarf auch gedeckt werden kann. Die aktuellen Lieferengpässe zeigen, dass dies eine echte Herausforderung ist. Nachdem die Unternehmen im abgelaufenen Jahr überdurchschnittlich viel Investitionen getätigt haben, werden die heimischen Unternehmen in den kommenden Monaten zurückhalten agieren und den Fokus auf Stabilisierung und nachhaltige Weichenstellungen legen.

Nur noch zwölf Prozent der Unternehmen rechnen mit höheren Investitionen – im vergangenen Jahr waren es noch 19 Prozent. Die Investitionsdynamik war zuletzt Anfang 2016 so niedrig. Positiv ist, dass immerhin nur sieben Prozent der Unternehmen ihre Investitionen zurückschrauben wollen und beinahe drei Viertel (74 %) ihre Investitionen konstant halten möchten.

Investitionsdynamik

12%

planen höhere Investitionen.

Gefahrenranking: Fachkräftemangel löst Pandemie als Hauptsorge ab

Österreichs Unternehmen sehen die größte Gefahr für den eigenen Betrieb im Fachkräftemangel, welcher die Pandemie als Hauptsorge ablöst. Für 61 Prozent der befragten Unternehmen stellt der Mangel an qualifiziertem Personal das größte Risiko dar. In Hinblick auf die Pandemie sind die Unternehmen mittlerweile weniger besorgt, nur mehr 46 Prozent bereitet eine mögliche Verschärfung der Corona-Maßnahmen Sorge – im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 76 Prozent. Neben dem Fachkräftemangel bereiten Lieferkettenprobleme (51 %), hohe Rohstoffpreise (49 %), hohe Energiepreise (44 %) sowie steigende Inflation (44 %) den österreichischen Unternehmen Sorgen.

Das derzeitige Umfeld ist für Unternehmen extrem volatil, es ist gerade für kleinere Unternehmen enorm schwierig, alle Risiken im Blick zu behalten und ihnen angemessen zu begegnen.
Erich Lehner
Managing Partner Markets, Programm Partner EY Entrepreneur Of The Year I Österreich

Blick in die Bundesländer: Oberösterreich wie im Vorjahr mit bester Geschäftslage

Oberösterreichs Unternehmen schätzen die aktuelle Geschäftslage am besten ein (76 %), gefolgt von Kärnten (65 %) und Niederösterreich (64 %). Das Burgenland betrachtet die aktuelle Geschäftslage weniger optimistisch – lediglich 40 Prozent der Unternehmen bewerten die Geschäftslage positiv.

Unternehmen mit Sitz in Wien sind am positivsten bei der Geschäftsprognose: 45 Prozent erwarten eine Verbesserung der eigenen Geschäftslage im kommenden Halbjahr. Auch in Tirol (40 %) ist man sehr optimistisch gestimmt.

In den kommenden sechs Monaten planen Unternehmen aus Salzburg (24 %), der Steiermark (22 %) und Tirol (21 %) am stärksten zu investieren. Die Bundesländer Vorarlberg und Oberösterreich sind weniger investitionsfreudiger, wo nur jeweils 16 Prozent ihre Investitionen im kommenden Halbjahr steigern wollen.

Fazit

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, sondern hält immer wieder Überraschungen für Österreichs Unternehmen bereit. Es ist daher besonders wichtig, auf Sicht zu fahren und sich soweit möglich auch auf zunächst unwahrscheinlich erscheinende Negativszenarien vorzubereiten.

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Von Erich Lehner

Managing Partner Markets, Programm Partner EY Entrepreneur Of The Year I Österreich

Erich Lehner verantwortet die serviceübergreifende Zusammenarbeit. Seine unternehmerisch geprägten Wurzeln zusammen mit seiner Berufserfahrung bilden die Basis seines ganzheitlichen Beratungsansatzes.