4 Minuten Lesezeit 6 Mai 2021
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Wieso die Corona-Krise die Chance für den Green-Tech-Hub Österreich ist

Von Florian Haas

Leiter Start-up-Ökosystem | Head of Brand, Marketing & Communications | Österreich

Baut Brücken zwischen wachsenden Start-ups und gewachsenen Unternehmen. Fördert die positive öffentliche Wahrnehmung von Gründung und Unternehmertum.

4 Minuten Lesezeit 6 Mai 2021

Viele Start-ups haben sich in der Pandemie als Problemlöser profiliert. Wie Österreich jetzt zum europäischen Green-Tech-Hub werden kann.

Überblick
  • 2020 war trotz Corona-Krise ein Rekordjahr für das europäische und das österreichische Start-up-System.
  • Die Volumina in Österreich sind dennoch deutlich kleiner als in vergleichbaren Ländern wie Schweden oder Finnland, die beide aufgrund einer Krise starke Start-up-Ökosysteme aufgebaut haben.
  • Auf der Basis eines umfassenden Ökologisierungsprogramms mit Anreizen für private Investitionen und der heimischen Start-ups als Motor von Green Innovation kann Österreich zu einem zentralen Green-Tech-Hub für Europa werden.

2020 war trotz Corona-Krise ein Rekordjahr für das europäische und das österreichische Start-up-System. Wieso diese Schlagzeile nicht nur zu Jubelstürmen Anlass gibt, verdeutlicht der detaillierte Blick auf die Ergebnisse des EY-Start-up-Barometers, mit dem wir jährlich die veröffentlichten Finanzierungsrunden in Europa unter die Lupe nehmen. Das Positive zuerst: Die Finanzierungsrunden legten europaweit um 58 Prozent auf knapp 6.700 zu – ein enormer Sprung und Ausdruck dessen, dass die agilitätserprobten und krisengestählten Start-ups gerade im Hinblick auf die zentralen Herausforderungen für unsere Wirtschaft – etwa die dringend notwendige Digitalisierung, die Modernisierung von Logistikketten oder auch die Stärkung der Sicherheit von IT-Netzwerken – passende Lösungen parat haben. Das hat sie bei Kapitalgebern attraktiv gemacht. Das im Rahmen dieser Runden lukrierte Kapital machte einen Sprung um 17 Prozent auf rund 36,5 Milliarden Euro.

Start-up-Finanzierungen in Europa

Die Entwicklung des österreichischen Start-up-Ökosystems lag 2020 ziemlich genau im europäischen Durchschnitt. Auch hierzulande hat sich der positive Trend der letzten Jahre fortgesetzt: Der Gesamtwert des Investitionsvolumens 2020 stieg um rund 16 Prozent auf 212 Millionen Euro. Damit belegt Österreich Rang 16 im europäischen Vergleich. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Finanzierungsrunden österreichweit deutlich nach oben gegangen: Sie stieg von 88 auf 145 – somit rangiert Österreich weiterhin unter den Top-10-Start-up-Standorten in Europa und belegt den neunten Platz.

So weit, so erfreulich. Die andere Seite der Medaille: Die Finanzierungsrunden, die im internationalen Vergleich ohnehin schon moderater ausfallen, sind sowohl im europäischen Schnitt als auch in Österreich deutlich kleiner geworden.

Nur Kleingeld für Austro-Start-ups?

Die schrumpfenden Volumina und der überwiegende Anteil Early-Stage-Finanzierungen unterstreicht ein strukturelles Thema für den Wirtschaftsstandort Österreich: Bei der Anschubfinanzierung in frühen Phasen sind wir hierzulande grundsätzlich sehr gut aufgestellt. Geht es aber darum, den nächsten Wachstumsschritt über die Grenzen oder zur breiteren Skalierung zu gehen, bleiben die Finanzspritzen oft aus. So sehen wir in Österreich selten Series-A- oder Series-B-Runden. Bleibt das nötige Kapital aus, müssen sich die Start-ups zunehmend jenseits der Landesgrenzen umsehen, wodurch die Gefahr der Abwanderung von Intellectual Property droht. Wie viel Luft nach oben es bei den Investments in Start-ups gibt, zeigt der Blick in den Norden Europas auf zwei Länder, die eine vergleichbare Bevölkerungszahl haben: Schweden und Finnland.

Finanzierungsvolumen für Start-ups

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so hoch wie in Österreich war das Finanzierungsvolumen in finnische Start-ups 2020 – bei der gleichen Anzahl Finanzierungsrunden

In Schweden konnten Start-ups im vergangenen Jahr bei 234 Runden (Österreich 145) ein Volumen von 1,75 Milliarden Euro und damit mehr als achtmal so viel wie Österreich erzielen. Finnland kommt mit einer Finanzierungsrunde weniger (144) auf knapp über 1 Milliarde Euro und damit auf das Fünffache von Österreich. Beide Länder gehören seit Jahren zu den Top-Start-up-Standorten weltweit und sind ein Fixpunkt auf der Landkarte internationaler Investor:innen. Warum ist das so?

Was kann der Start-up-Standort Österreich von Schweden und Finnland lernen?

Sowohl in Schweden als auch in Finnland hat der Höhenflug des Start-up-Ökosystems seinen Ausgangspunkt in einer Krisensituation. In Schweden war es eine veritable Bankenkrise, in Finnland der Abschwung des größten Unternehmens des Landes, Nokia, infolge des Smartphone-Booms. In beiden Fällen wurden umfangreiche Programme aufgelegt, die sowohl Gründungen als auch Investitionen in Unternehmen attraktiv gemacht haben und von breit angelegten Infrastruktur- und Bildungsprogrammen begleitet wurden, um die Digitalisierung und die dafür nötigen Skills voranzutreiben. Und ein beiden Fällen wurden Cluster bzw. Science Parks forciert, um den Austausch zwischen Unternehmen, Start-ups, Investor:innen und Universitäten zu fördern. Und beide Länder haben sich über die Jahre eine starke Brand und einen hervorragenden Ruf als Tech-Start-up-Standort aufgebaut. Ein Schlaraffenland für Venture-Capital-Fonds mit viel Kapital, die Alternativen zu den Start-ups mit hohen Bewertungen im Silicon Valley suchen.

Heute ist Schweden das Land mit der zweithöchsten Dichte an Unicorns nach den USA und weltweit Spitze beim Verhältnis von Start-ups zu Beschäftigten. In Schweden kommen auf 1.000 Beschäftigte 20 Start-ups, verglichen mit nur fünf in den USA. Finnland verfügt mit mehr als 1.000 Hightech-Unternehmen im Raum Helsinki über einen der weltweit stärksten Hotspots. Diese Erfolgsgeschichten können und sollten wir uns auch in Österreich zum Vorbild nehmen – die Gelegenheit ist besser denn je.

Wie Österreich zum Green-Tech-Hotspot Europas werden kann

Vor zehn Jahren und noch mitten in der Corona-Krise hat Österreich gezielt die Weichen gestellt, um zum Green-Tech-Hotspot Europas zu werden. Mit gezielten Maßnahmen wie einer Investitionsprämie mit Fokus auf Digitalisierung und Ökologisierung, der Förderung von Spin-offs durch eine enge Zusammenarbeit von Hochschulen, Start-ups, Unternehmen und Investoren sowie der Erhöhung der Attraktivität von Gründung und Unternehmertum bereits im Schulkindalter sind die richtigen Hebel bewegt worden, mit denen es Österreich geschafft hat, international als Hotspot für Green Innovation wahrgenommen zu werden und eine starke Standortmarke zu werden.

Österreich hat jetzt die Chance, mit den richtigen Maßnahmen und einem breiten Schulterschluss zum international anerkannten Hotspot für Green Innovation und zum Vorreiter der Dekarbonisierung zu werden – Start-ups können der Innovationsmotor dafür sein.

Damit dieser fiktive Blick aus der Zukunft ins Heute nicht nur Vision bleibt, sondern geschichtliches Faktum wird, braucht es natürlich große gemeinsame Anstrengungen, Durchhaltevermögen und einen engen Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Bildungswesen, Politik und (Zivil-)​Gesellschaft.

Die Voraussetzungen dafür sind günstig: Für den Neustart nach Corona braucht es Innovationen und eine Ökologisierung unseres Wirtschaftssystems. Das haben Politik und Wirtschaft bereits erkannt. Viele staatliche Unterstützungsmaßnahmen zeichnen den Weg zur Ökologisierung vor und die Motivation der heimischen Unternehmen, die dadurch für sie entstehenden Chancen zu nutzen, ist groß. Das unterstreichen auch zwei groß angelegte Studien, die wir im Rahmen unserer Initiative EYCarbon durchgeführt haben: Dort gaben 68 Prozent der mittelständische Betriebe mit 30 bis 2.000 Beschäftigten und 78 Prozent der Führungskräfte aus Österreichs umsatzstärksten Unternehmen an, geschäftlich davon zu profitieren, wenn sie mehr auf Nachhaltigkeit setzen. Bei vielen spielt Nachhaltigkeit bereits jetzt eine große Rolle im Geschäftsmodell. Gleichzeitig sehen sich zwei Drittel der heimischen Jungunternehmen als „Green Start-ups“, ein Viertel definiert den Kampf gegen den Klimawandel sogar als oberstes Unternehmensziel.

Um diese ambitionierten Pläne in die Realität umzusetzen, braucht es vor allem Anreize für private Investitionen in Start-ups. Immer noch sind auf den Sparbüchern der Österreicher:innen 300 Milliarden Euro geparkt, die aufgrund des Niedrigzinsumfelds und der Inflation langsam und still schrumpfen. Es braucht die richtigen Anreize – ob Investitionsprämie, Steuerfreibetrag oder Risikokapitalprämie – und ein positiveres Image der für unseren Wirtschaftsstandort unschätzbar wichtigen Unternehmer:innen und Gründer:innen, um Investitionen in (Green) Start-ups anzustoßen. In Kombination mit Investments aus den prall gefüllten Kassen der großen Venture-Capital-Fonds kann eine positive Dynamik entstehen, die den „Green-Tech-Hub“ Österreich realistischer werden lässt.

Fazit

In jeder Krise steckt eine Chance. Dieses in Schweden und Finnland bereits erfolgreich umgesetzte Sprichwort sollte sich Österreich als Leitbild für den Neustart nach der Corona-Pandemie nehmen. Auf der Basis eines umfassenden Ökologisierungsprogramms mit Anreizen für private Investitionen und der heimischen Start-ups als Motor von Green Innovation kann Österreich zu einem zentralen Green-Tech-Hub für Europa werden. Die Voraussetzungen und der Zeitpunkt dafür sind derzeit besser denn je.

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Von Florian Haas

Leiter Start-up-Ökosystem | Head of Brand, Marketing & Communications | Österreich

Baut Brücken zwischen wachsenden Start-ups und gewachsenen Unternehmen. Fördert die positive öffentliche Wahrnehmung von Gründung und Unternehmertum.