4 Minuten Lesezeit 12 November 2019
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Wie sich Pharma-Unternehmen im Transaktions-Dschungel behaupten

Von Isabelle Heiber

Partnerin, Life Sciences, Strategy I Deutschland

Ist spezialisiert auf große strategische Transformationen in einer sich völlig neu orientierenden Life-Sciences-Branche.

4 Minuten Lesezeit 12 November 2019

Die Pharmabranche steht unter hohem Innovationsdruck. Das sollte aber nicht zu voreiligen Entscheidungen bei der Portfoliogestaltung führen.

Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Gene Editing: Die Digitalisierung treibt in der Pharma-Branche rasant Entwicklungen voran, die in Zukunft nicht nur Medikamente für seltene Krankheiten oder gezieltere Behandlungsmethoden schaffen sollen. Auch für Kunden und Patienten eröffnen sich neue Wege, unter anderem durch volldigitale Patientenkarteien, Apps für Therapie-Systeme oder eine Bandbreite spannender Lifestyle-Produkte. Keine Frage also, die Branche ist im Umbruch.

Joint Venture, M&A, Carve-out – welcher Transaktionstyp passt?

Was das für Pharma-Unternehmen bedeutet? Zum einen eine Fülle neuer Möglichkeiten, zum anderen aber auch einen stetig steigenden Innovationsdruck. Und: Die Kosten wachsen ebenso wie der Drang, sich weiter zu entwickeln. Transaktionspläne sind die logische Konsequenz und eine sehr gute Alternative zum organischen Wachstum. Kein Wunder also, dass Pharma eine der aktivsten Branchen ist: Es wird gekauft und verkauft, Portfolios werden neu zusammengesetzt.

Von Allianzen über Joint Ventures bis hin zu Akquisitionen und Verkäufen wird das gesamte Transaktions-Spektrum abgedeckt. Aber manchmal preschen Unternehmen mit nur einem Ziel vor Augen voran: dem Abschluss eines Deals. Was dann zu kurz kommt, ist die Analyse, ob der Transaktionstyp und das Target überhaupt passen, und vor allem: ob die Transaktion die Vision unterstützt. Denn eine Transaktion ist nur Mittel zum Zweck, aber nicht das eigentliche Ziel. Das sollte zuerst in einer langfristigen Vision und Strategie definiert werden.

Manchmal preschen Unternehmen mit nur einem Ziel vor Augen voran: dem Abschluss eines Deals. Was dann zu kurz kommt, ist die Analyse, ob der Transaktionstyp und das Target überhaupt passen.

Die Vision bestimmt den Weg

Wie so oft sind die simplen Fragen am wichtigsten. Zuallererst muss man wissen, was eigentlich erreicht werden soll. Und wer dann im weiteren Vorgehen flexibel bleibt und sich alle Möglichkeiten offenhält, hat den ersten Schritt gemeistert. Die weiteren Fragestellungen sind grundlegend, um die Wachstumsmöglichkeiten herauszufiltern:

  • Welche Business-Ziele habe ich?
  • Soll eine bessere Markenpositionierung erreicht werden?
  • Steht der Eintritt in neue Märkte und Länder im Vordergrund oder eher die Expansion des Produktportfolios?
  • Geht es primär um neue Technologien?
  • Oder steht die Verbesserung von Effizienz und Profitabilität im Vordergrund?

Nur wer festlegt, wohin er wachsen, ausbauen oder erneuern will, findet das richtige „Wie“ – und erkennt, dass das Ziel über unterschiedliche Pfade erreicht werden kann.

Fazit: Nur wer festlegt, wohin er wachsen, ausbauen oder erneuern will, findet das richtige „Wie“ – und erkennt, dass das Ziel über unterschiedliche Pfade erreicht werden kann. Das muss nicht immer eine Akquisition bedeuten. Oft sind Allianzen oder Partnerschaften die bessere Lösung und in manchen Fällen bietet sich sogar ein Divestment an. Auch ein „Nein“ zur Transaktion ist möglich, wenn sich organisches Wachstum als am effektivsten herauskristallisiert. Die Vorteile sind geringere finanzielle und operative Risiken sowie mehr Flexibilität.

Volle oder partielle Integration?

Was die Integrationsstrategie angeht – der nächste Schritt nach der Entscheidung zur Akquisition –, ist in der Pharma-Branche eine ganze Bandbreite möglich. Es gibt Unternehmen, die eine Business-Unit kaufen und voll integrieren. Das dauert oft lange, kostet zunächst viel und birgt Störungspotential durch Herausforderungen im Umgang mit Mitarbeitern oder mit der Unternehmenskultur. Am Ende kann die Vollintegration aber zu schlankeren Strukturen und höheren Synergien führen.

Immer häufiger sieht man im Pharma-Bereich die bewusste Entscheidung gegen eine volle Integration, gerade wenn Start-ups oder Biotech-Unternehmen gekauft werden.

Bei einer partiellen Integration kommt es wiederum stark auf die aktuelle Kundensituation an. Es kann sein, dass nur ein Portfolio gekauft wird, das aber über Allianzen oder Partner vermarktet wird und nur einen rudimentären Integrationsprozess verlangt. Immer häufiger sieht man im Pharma-Bereich die bewusste Entscheidung gegen eine volle Integration, gerade wenn Start-ups oder Biotech-Unternehmen gekauft werden. Dann ist eine Integration am langen Arm oft sinnvoller, lediglich das Backoffice wird integriert. Alles andere bleibt ausgelagert und die Unternehmen können immer noch sagen: Das ist unsere Kultur, das ist unser Business.

Ein „Nun macht mal“ kann nur im Chaos enden

Durch die einschneidenden und langfristigen Veränderungen in der Branche wird vor allem eines immer klarer: Die gemeinsame Vertriebsstrategie sollte früh geklärt sein. Supply und Demand müssen aufeinander abgestimmt werden und die Verfügbarkeit der hinzugekauften Produkte muss gewährleistet werden. Neue Assets und Technologien müssen in Forschung und Entwicklung ihren Platz finden, um Potentiale voll heben zu können. Und natürlich sollen Lizenzen und Vertriebsgenehmigungen in den Ländern vorliegen und ggf. übertragen werden. Manchmal heißt es dann an die Funktionen gewandt: „Jetzt haben wir den Zukauf, nun macht mal!“ Das kann nur im Chaos enden. Gerade in den Kernfunktionen eines Pharmaunternehmens wie bei Forschung & Entwicklung, Vertrieb & Vermarktung, sowie in Produktion & Logistik und Regulierung & Compliance ist es unerlässlich, dass die Zahnräder ineinandergreifen.

Die Lösung? Eine klar definierte Transaktionsstrategie. Strategische Optionen, Wachstums- und Transaktionsmöglichkeiten wollen ebenso durchdacht sein wie die Integration und Strategien für die einzelnen Business-Units und Kernfunktionen – und zwar frühzeitig! Nur so wird die große Vision letztendlich auch Realität.

Fazit

Die Digitalisierung katapultiert die Pharmabranche in einen großen Umbruch, den viele Unternehmen nur mit Hilfe von Transaktionen bewältigen können. Wichtig ist dabei, erst die Richtung und das Ziel festzulegen, um dann den Weg dorthin nach Plan zu beschreiten. Nicht immer sind Zukäufe die alleinige Lösung, auch Allianzen oder Divestments können Optionen sein.

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Von Isabelle Heiber

Partnerin, Life Sciences, Strategy I Deutschland

Ist spezialisiert auf große strategische Transformationen in einer sich völlig neu orientierenden Life-Sciences-Branche.