9 Minuten Lesezeit 4 Dezember 2019
Smartphone im Logistiklager

Innergemeinschaftliche Lieferungen

Autoren
Raffaela Herges-Geier

Senior Managerin, Indirect Tax, Steuerberatung | Österreich

Ist Umsatzsteuerspezialistin und Prokuristin in der Abteilung für indirekte Steuern.

Andreas Gelke

Senior Manager, Steuerberatung | Österreich

Sieht es als Umsatzsteuer-Spezialist als seine Aufgabe an, Unternehmen durch die Komplexität des Umsatzsteuerrechtes zu führen und die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.

9 Minuten Lesezeit 4 Dezember 2019

Steuerfreie Lieferungen stellen für die Finanzverwaltung ein wichtiges Prüfungsfeld im Rahmen von Außenprüfungen dar. Doch wie geht man’s richtig an?

Steuerfreie Lieferungen stellen für die Finanzverwaltung ein wichtiges Prüfungsfeld im Rahmen von Außenprüfungen dar. Der finanzielle Schaden, der durch den innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug, auch „missing trader intra-community fraud“ genannt, verursacht wird, beträgt in der EU jährlich weit über 100 Milliarden Euro und stellt nicht nur die Finanzbehörden, sondern auch die Unternehmen vor große Herausforderungen.

Finanzieller Schaden

100 Milliarden

Euro – so hoch ist der finanzielle Schaden, der EU-weit durch den innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug jährlich verursacht wird.

So ist es nicht weit hergeholt, dass die innergemeinschaftlichen Lieferungen Thema der derzeit in den Medien viel diskutierten und vom Rat der Europäischen Union beschlossenen „Quick Fixes“ sind, die mit 01.01.2020 in Kraft treten. Höchste Zeit, sich als Beteiligter an innergemeinschaftlichen Lieferungen diesem Thema zu widmen, um die Steuerbefreiung auf diese Lieferungen nicht zu gefährden.

Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen

Nach bisheriger österreichischer Rechtslage ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Gegenstand der Lieferung muss von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet werden (Warenbewegung).
  • Der Abnehmer ist ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder eine nichtunternehmerische juristische Person (Abnehmerqualifikation).
  • Der Erwerb des Gegenstands der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Erwerbsbesteuerung).
  • Die genannten Voraussetzungen müssen buchmäßig nachgewiesen werden (Buchnachweis). Dazu gehört auch die Aufzeichnung der UID des Abnehmers der Lieferung.
  • Die innergemeinschaftliche Lieferung ist nicht steuerfrei, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.

Wie oben erwähnt, müssen die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden. Wie der Nachweis der Beförderung oder Versendung sowie der Buchnachweis zu führen sind, findet sich in der Verordnung BGBl Nr. 401/1996, wobei nach der Judikatur des VwGH im Einklang mit der EuGH-Judikatur auch Alternativnachweise zulässig sind. Nach der oben genannten Verordnung müssen folgende Details aus den Belegen hervorgehen:

  • Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers
  • Name und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers in Abholfällen
  • handelsübliche Bezeichnung und Menge des Gegenstands der Lieferung
  • Tag der Lieferung
  • das vereinbarte Entgelt oder bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten das vereinnahmte Entgelt und der Tag der Vereinnahmung
  • Art und Umfang einer Be- oder Verarbeitung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
  • Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet (Beförderungsnachweis)
  • Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet

Bei innergemeinschaftlichen Verbringungen eigener Waren muss der Unternehmer die handelsübliche Bezeichnung und die Menge der verbrachten Gegenstände, die Anschrift und die UID im anderen EU-Mitgliedstaat, den Tag des Verbringens und die Bemessungsgrundlage aufzeichnen.

Geeignete Nachweise

Werden Waren vom Lieferanten bzw. Abnehmer bzw. deren unselbstständigen Beauftragten selbst befördert („Beförderungsfall“), ist der Beförderungsnachweis mit der Rechnung, einem Beleg (z. B. Lieferschein), aus dem der Bestimmungsort hervorgeht, sowie einer Empfangsbestätigung des Abnehmers zu führen. Bei Abholung durch den Abnehmer wird eine Erklärung des Abnehmers über die geplante Beförderung benötigt, wofür in Anhang 5 und 6 der Umsatzsteuerrichtlinien geeignete Muster zu finden sind. Die Erklärung des Abnehmers, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wird, muss bereits bei Abholung vorliegen.

Werden die Waren im „Versendungsfall“ durch einen unabhängigen Dritten, der vom Lieferanten oder vom Abnehmer beauftragt wurde, transportiert (z. B. Spediteur), ist der Nachweis mit der Rechnung und dem Versendungsbeleg (z. B. Frachtbrief/CMR, Airway Bill, Postaufgabeschein etc.) oder der Speditionsbescheinigung zu führen. Auch die Nachweisführung wie im Beförderungsfall ist zulässig, sofern die Einholung der Versendungsbelege dem Unternehmen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Speditionsbescheinigung muss Pflichtangaben enthalten, um als adäquater Nachweis zu gelten (insb. Name und Anschrift des Abnehmers, handelsübliche Bezeichnung der Waren, Verknüpfung zum Lieferschein/zur Rechnung sowie die Bestätigung, dass die Angaben aufgrund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die in der EU überprüfbar sind).

Zusätzliche Nachweispflichten sind vom Lieferanten bei Abholfällen zu beachten. Hier ist die Identität des Abholers zu überprüfen und zu dokumentieren, z. B. durch die Anfertigung einer Ausweiskopie (z. B. Reisepass, Führerschein). Bei Abholung durch Beauftragte des Abnehmers muss der Lieferant als Nachweis der Berechtigung zusätzlich eine Vollmacht mit Bezug auf die betreffende Lieferung vom Beauftragten einholen. Allgemein gehaltene Vollmachten sind nur bei bestehenden bzw. wiederkehrenden Geschäftsbeziehungen denkbar.

Weiters muss der Abholende schriftlich bestätigen, dass er die konkreten Waren entgegengenommen hat und an welchen Bestimmungsort er diese transportieren wird. Diese Unterlagen müssen bereits bei Übergabe der Ware vorliegen. Unserer Erfahrung nach achtet die Finanzverwaltung bei Überprüfung der Belegnachweise meist auf eine eindeutige Verknüpfung zwischen Transportbelegen, Rechnung und Lieferschein (mengen-, gewichts- und wertmäßige Übereinstimmung), eine genaue Angabe des Bestimmungsortes und den Nachweis des Transportweges in seiner Gesamtheit. Beim Frachtbrief ist anzumerken, dass die Empfangsbestätigung des Kunden wie auch das Übernahmedatum vermerkt und der tatsächliche Leistungsempfänger angegeben sein sollte.

So weit, so gut und nichts Neues. Doch was sind nun die wesentlichen Änderungen, die mit 01.01.2020 in Kraft treten sollen?

UID und zusammenfassende Meldung als materiell-rechtliche Voraussetzungen

Galt die UID des Abnehmers bisher nach der Judikatur des EuGH lediglich als formelles Kriterium, wird sie künftig zu einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Nach wie vor wird nicht unbedingt eine UID des Bestimmungsmitgliedstaates, sondern nur eine solche aus einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Beginns der Warenbewegung verlangt, was insbesondere bei Reihen- und Dreiecksgeschäften relevant ist. Nach den erläuternden Bemerkungen zum aktuellen Begutachtungsentwurf soll die Steuerbefreiung auch in Fällen, in welchen der Erwerber seine UID Nummer bereits beantragt, aber noch nicht erhalten hat, zustehen.

Zudem wird die rechtzeitige und vollständige Deklaration der innergemeinschaftlichen Lieferung in der zusammenfassenden Meldung zur materiell-rechtlichen Voraussetzung. Dadurch soll die grenzüberschreitende Kontrolle der Warenlieferungen über das Mehrwertsteuer Informationsaustauschsystem der EU (MIAS) erleichtert werden.

Fehlt es an diesen Voraussetzungen, entsteht Steuerpflicht und der Lieferant schuldet grundsätzlich die Steuer. Sofern zwischen der Lieferung und dem Erkennen der Steuerpflicht bereits Zeit vergangen ist (womöglich mehrere Jahre), könnte es problematisch sein, die Steuer gegenüber dem Erwerber durchzusetzen. Aus Sicht des Erwerbers ist zu beachten, dass dieser auch bei Fehlen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat melden muss, da ihn die Steuerpflicht im Abgangsland nicht von der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat befreit. Für den Fall, dass im Zeitpunkt der Lieferung noch keine UID des Erwerbers vorgelegen hat (und auch noch nicht beantragt wurde), stellt sich die Frage, ob eine nachträgliche Korrektur auf steuerfreie Verrechnung bei späterem Vorliegen der UID überhaupt möglich ist. Auch ist fraglich, ob der Erwerber im Ausgangsmitgliedstaat das Recht auf Vorsteuerabzug aus einer in Rechnung gestellten Umsatzsteuer hat, sofern es sich um eine Lieferung handelt, die eigentlich steuerfrei gewesen wäre, hätte der Erwerber im Zeitpunkt der Lieferung eine entsprechende UID gehabt.

Weiters ist zu bedenken, dass das materiell-rechtliche Erfordernis einer gültigen UID für „verkannte“ innergemeinschaftliche Verbringungen z. B. durch den Wegfall der Voraussetzungen für vorübergehende Verwendungen (z. B. Untergang der Ware) zu einer finalen Steuerbelastung im Ausgangsland führen könnte, sofern im Zeitpunkt der Verbringung keine UID im Bestimmungsland vorlag.

Nachweis gemäß MwSt-DVO

Eine weitere wesentliche Änderung betrifft den Nachweis der grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Lieferung. In der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung (MwSt-DVO) sind mit Wirkung ab 01.01.2020 einheitliche Nachweise, die für die Beantragung der Steuerbefreiung erforderlich sind, vorgesehen. Demnach sind zwei sich einander nicht widersprechende Belege von zwei unterschiedlichen Parteien notwendig, in Abholfällen sogar drei. Die zwei unterschiedlichen Parteien müssen voneinander sowie vom Verkäufer und vom Erwerber unabhängig sein. Es ist wie folgt zu unterscheiden:

  •  Wenn der Lieferant transportiert oder transportieren lässt, hat er zu bestätigen, dass die Ware durch ihn oder einen für ihn handelnden Dritten befördert oder versendet wurde. Zusätzlich hat er zwei einander nicht widersprechende Nachweise zu erbringen (z. B. unterschriebener CMR/ Frachtbrief, Ladepapier, Luftfrachtrechnung, Speditionsrechnung) oder einen dieser Nachweise plus einen weiteren Nachweis wie z. B. eine Versicherungspolizze für die Ware, einen Bankbeleg über die Zahlung des Transports oder eine offizielle Bestätigung (z. B. notarielle Beglaubigung) über die Ankunft der Ware im Bestimmungsland oder die Quittung der Lagerung (wobei der Lagerhalter in diesem Fall ein externer Dienstleister sein müsste und nicht zum Unternehmen des Erwerbers gehören dürfte).
  • Wenn der Empfänger transportiert oder transportieren lässt, sind die gleichen Nachweise wie bei Transport durch den Lieferanten zu führen. Zusätzlich sind die Identifikation der abholenden Person sowie eine schriftliche Bestätigung des Abnehmers einzuholen, dass der Transport durch ihn oder einen in seinem Auftrag handelnden Dritten erfolgte. Die Bestätigung muss u. a. den Namen und die Adresse des Abnehmers, die Menge und die Art der Gegenstände, das Datum und den Ankunftsort enthalten. Diese Bestätigung muss vom Abnehmer bis zum zehnten Tag des Folgemonats dem Lieferanten ausgehändigt werden.

Wird der Nachweis wie vorgesehen geführt, so gilt eine (widerlegbare) Vermutung, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet transportiert wurde, d. h., die Beweislast liegt hier bei der Finanzverwaltung. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die neuen Nachweispflichten in vielen Fällen schwierig oder gar nicht umsetzbar sind. Insbesondere in Beförderungsfällen wird es in der Regel nicht zwei voneinander wie auch vom Lieferanten und vom Kunden unabhängige Parteien geben, die die notwendigen Nachweise ausstellen können.

Es gibt jedoch Grund zum Aufatmen. Nachdem die Mehrwertsteuer-DVO der MwSt-Systemrichtlinie untergeordnet ist, darf sie diese nur präzisieren bzw. ergänzen, jedoch nicht davon abweichen. Weiters sind die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Belegnachweises ermächtigt, selbst diesbezüglich Regelungen festzulegen (so z. B. EuGH-Urteil vom 09.10.2014 „Traum EOOD“, C-492/13, Rz. 27); folglich darf die MwSt-DVO den Mitgliedstaaten diese Ermächtigung nicht wegnehmen. Dies wird nun auch durch die erläuternden Bemerkungen des aktuellen Begutachtungsentwurfs des Umsatzsteuergesetzes bestätigt. Dort findet sich nämlich ein Passus, nach dem die Nachweise i. Z. m. innergemeinschaftlichen Lieferungen entweder nach den Bestimmungen in der Mehrwertsteuer-DVO geführt werden können oder gemäß der eingangs erwähnten nationalen Verordnung. Vor diesem Hintergrund werden wohl auch die in Österreich bisher akzeptierten Nachweise weiterhin zulässig sein, wenn auch die in der MWSt-DVO vorgesehene (widerlegbare) Vermutung des erfolgten Transportes ins übrige Gemeinschaftsgebiet in diesem Fall nicht anwendbar ist. Aufgrund der derzeitigen Regierungslage müssen jedoch weitere Entwicklungen dahin gehend beobachtet werden.

Handlungsbedarf

Unternehmen mit umfangreichen innergemeinschaftlichen Lieferungen sollten sich bereits heute mit diesen Neuerungen vertraut machen und ihre Systeme und Prozesse auf Anpassungsbedarf überprüfen. Dazu gehören einerseits das Erfassen und das automatisierte Überprüfen von UIDs (Überprüfung der UID zwingend), andererseits aber auch die korrekte Anlage von Steuerkennzeichen im System. Insbesondere bei abweichenden Warenempfängern (Ship-to-Adresse) ist sicherzustellen, dass eine UID des Kunden vorliegt. Um eventuelle Steuernachzahlungen zu vermeiden, sollten die bisher verwendeten Nachweise für die innergemeinschaftlichen Lieferungen analysiert werden. Die Form des Nachweises ist so zu wählen, dass das Maß handhabbar ist, und Mitarbeiter müssen in diesem Zusammenhang geschult werden, worauf es bei der Nachweisführung und -prüfung ankommt. Aber auch eine generelle Überprüfung der innergemeinschaftlichen Warenströme dahin gehend, ob Verbringungstatbestände eine Registrierungspflicht im EU-Ausland begründen könnten, empfiehlt sich.

Fazit

Es zeigt sich wieder einmal, dass Automation und interne Kontrollsysteme für die umsatzsteuerliche Compliance immer wichtiger werden. EY steht Ihnen hier gerne mit Rat und Tat sowie mit geeigneten Tools zur Seite.

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Raffaela Herges-Geier

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Ist Umsatzsteuerspezialistin und Prokuristin in der Abteilung für indirekte Steuern.

Andreas Gelke

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Sieht es als Umsatzsteuer-Spezialist als seine Aufgabe an, Unternehmen durch die Komplexität des Umsatzsteuerrechtes zu führen und die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.