3 Minuten Lesezeit 1 Februar 2021
Nahaufnahme von geschlossender Schranke bei Sonnenuntergang

Welche Zinsabzugsbeschränkungen kommen ab 2021?

Autoren
Christian Massoner

Director, Steuerberatung | Österreich

Steuerberater und Universitätslektor. Beschäftigt sich mit Konzernsteuerfragen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen. Mag Hunde, Tauchen und eSport.

Patrick Plansky

Partner, International Tax and Transaction Services | Österreich

Unterstützt Unternehmen bei der Bewältigung der Herausforderungen des Internationalen Steuerrechts. Seine Freizeit verbringt er mit seiner Frau und zwei Söhnen, auf dem Sportplatz oder vor dem Klavier

3 Minuten Lesezeit 1 Februar 2021

Nach einem längeren Abwehrkampf hat sich Österreich schließlich dem Druck der Europäischen Kommission gebeugt und führt mit 01.01.2021 eine neue Zinsschranke ein.

Aber alles der Reihe nach …

Die EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung (Richtlinie 2016/1164 des Rates vom 20. Juli 2016, Anti-Tax Avoidance Directive, ATAD) sieht vor, dass eine Zinsabzugsbeschränkung („Zinsschranke“) bis 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen ist, sofern nicht bereits „gleichermaßen wirksame“ Maßnahmen bestehen. Besteht eine derartige Maßnahme im nationalen Recht, kann eine Einführung bis längstens 2024 hinausgeschoben werden. Ursprünglich wurde erwartet, dass aufgrund der Regelungen von § 12 Abs. 1 Z. 9 KStG (Zinsabzugsverbot für konzernintern erworbene fremdfinanzierte Beteiligungen) und § 12 Abs. 1 Z. 10 KStG (Nichtabzugsfähigkeit von Zins- und Lizenzzahlungen an niedrig besteuerte Konzernunternehmen) die Umsetzung erst bis 2024 zu erfolgen hat. Die Europäische Kommission hat dies jedoch anders gesehen und Österreich zur Umsetzung der Zinsschranke aufgefordert. Am 20.11.2020 wurde die Zinsschranke nun mittels Initiativantrags und ohne die sonst übliche Begutachtung in das Parlament eingebracht. Die bereits bestehenden Zinsabzugsbeschränkungen werden beibehalten, sodass ab 2021 eine weitere Hürde in Bezug für den steuerlichen Zinsabzug besteht.

So wirkt die Zinsschranke

Als Teil des COVID-19-Steuermaßnahmengesetzes wurde Art. 4 der ATAD (die Zinsschrankenregelung) in § 12a KStG umgesetzt. Die Zinsschrankenregelung begrenzt den steuerlichen Zinsabzug für einen Zinsüberhang (also Zinsaufwendungen, die die Zinserträge übersteigen) mit 30 Prozent des steuerlichen EBITDA. Ausgangsbasis für die Ermittlung des steuerlichen EBITDA ist der Gesamtbetrag der Einkünfte, wobei steuerliche Ab- und Zuschreibungen zu neutralisieren sind. Für Details zur Ermittlung des steuerlichen EBITDA ist eine Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Finanzen vorgesehen. Darüber hinausgehende Zinsbeträge können bis zu einem Maximalbetrag von 3 Millionen Euro abgezogen werden. Zu betonen ist, dass die Zinsschranke nicht nur konzerninterne Zinsen erfasst, sondern generell jede Art von Fremdfinanzierung (also z. B. auch externes Fremdkapital wie Zinsen aus Bankdarlehen) beschränkt. Anwendbar ist die Zinsschrankenregelung auf unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen des privaten Rechts sowie auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften mit inländischer Betriebsstätte. Ausgenommen sind allerdings Körperschaften, die nicht vollständig in einen Konzernabschluss einbezogen werden, über kein verbundenes Unternehmen nach steuerlichen Vorschriften verfügen und keine ausländische Betriebsstätte unterhalten („Stand-alone-Ausnahme“).

Anwendbar ist die Zinsschrankenregelung auf unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen des privaten Rechts sowie auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften mit inländischer Betriebsstätte.
Christian Massoner
Director, Steuerberatung | Österreich

Nicht umfasst sind zudem Steuerpflichtige, die der Einkommensteuer unterliegen. Der Zinsbegriff für Zwecke der Zinsschranke ist ein eigenständiger Begriff, der grundsätzlich sehr weit gefasst ist und neben Zinsen im engeren Sinne auch wirtschaftlich gleichwertige Zahlungen im Zusammenhang mit der Fremdkapitalüberlassung umfasst, beispielsweise Finanzierungsaufwendungen im Rahmen von Finanzierungsleasing und Geldbeschaffungskosten. Der Anwendungsbereich der Zinsschranke wird von einer Escape-Klausel eingeschränkt, wonach Zinsen abzugsfähig sind, wenn die Eigenkapitalquote der betroffenen Gesellschaft über der Eigenkapitalquote des Konzerns auf Basis eines Konzernabschlusses nach UBG, IFRS oder vergleichbaren internationalen Rechnungslegungsstandards liegt, wobei eine 2-Prozent- Toleranz vorgesehen ist. Ist also die Eigenkapitalquote der Gesellschaft um maximal 2 Prozent schlechter als die des Konzerns, steht der Zinsabzug dennoch zu.

Sollte nach diesen Ausnahmeregelungen dennoch ein Zinsüberhang bestehen, der nicht abzugsfähig ist, kann dieser unbefristet auf Folgejahre vorgetragen werden („Zinsvortrag“) und dann wie ein Zinsüberhang des laufenden Jahres unter den gleichen Bedingungen abgezogen werden. Ebenso kann nicht genutzte Zinskapazität auf die folgenden fünf Jahre vorgetragen werden („EBITDA-Vortrag“). Die Zinsschranke soll zwingend auch bei Unternehmensgruppen i. S. d. § 9 KStG zur Anwendung kommen und die mehrfache Inanspruchnahme des Freibetrags in Unternehmensgruppen verhindern. Für Gruppenmitglieder und Gruppenträger erfolgt daher keine isolierte Anwendung der Zinsschranke im Rahmen der Feststellung des eigenen Einkommens, sondern die Zinsschrankenregelung soll sich lediglich auf die Ermittlung des Gruppeneinkommens und somit ausschließlich auf den Gruppen- Körperschaftsteuerbescheid auswirken. Für Unternehmensgruppen kommt daher eine modifizierte Grundregel der Zinsschranke zur Anwendung. Der Gruppen-Freibetrag von 3 Millionen Euro steht nur einmal für die gesamte Gruppe zur Verfügung. Bei der Ermittlung des Zinsüberhangs bleiben Zinsaufwendungen für Darlehen außer Ansatz, die nachweislich und ausschließlich zur Finanzierung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte innerhalb der Europäischen Union von allgemeinem öffentlichen Interesse verwendet werden, wobei Atomkraftwerke und klimaschädliche Infrastrukturprojekte ausgenommen sind. Die neue Zinsschranke ist mit 01.01.2021 in Kraft getreten und für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 beginnen.

Die gute Nachricht

Mit § 12a KStG hat der Gesetzgeber den begrenzten Spielraum, den die ATAD vorgibt, weitgehend ausgenutzt und den Anwendungsbereich der Zinsschranke durch zahlreiche Ausnahmeregelungen deutlich eingeschränkt. So wurde beispielsweise ein Freibetrag eingeführt, sodass ein Zinsüberhang von bis zu 3 Millionen Euro grundsätzlich abzugsfähig bleibt. Von weiteren Ausnahmen profitieren eigenständige Unternehmen, Körperschaften mit einer besseren Eigenkapitalquote als der Konzern sowie bestimmte langfristige öffentliche Infrastrukturprojekte. Für „Altdarlehen“ wurde weiters eine in der Richtlinie optional vorgesehene Ausnahmeregelung umgesetzt, wonach Zinsaufwendungen, die aufgrund von Verträgen anfallen, die vor dem 17.06.2016 geschlossen wurden, bei der Ermittlung des Zinsüberhangs außer Ansatz bleiben. Daraus resultierende Zinsen bleiben zeitlich begrenzt — bis inklusive der Veranlagung 2025 — vollständig abzugsfähig. Wenn ein Zinsüberhang aufgrund der neuen Zinsschranke nicht sofort abzugsfähig ist, kann der Zinsvortrag genutzt werden. Dieser wurde zeitlich unbefristet ausgestaltet, was den Umsetzungsspielraum der EU-Richtlinie ausnutzt. Hinzu kommt der EBITDA-Vortrag auf bis zu fünf Jahre.

Die neue Zinsschranke ist mit 01.01.2021 in Kraft getreten und für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 beginnen.
Patrick Plansky
Partner, International Tax and Transaction Services | Österreich


Die Wermutstropfen

Zum einen hat der Gesetzgeber mit der Einführung die Zinsschranke die, wie zuvor behauptet, gleichermaßen wirksamen Regelungen für Zinsabzüge bei Beteiligungserwerben im Konzern und für Zinszahlungen an niedrig besteuerte konzerninterne Empfänger nicht gestrichen, sondern die Zinsschrankenregelung lediglich ergänzt und insoweit die Abzugsfähigkeit von Zinsen weiter beschränkt. Weiters findet sich die nach der ATAD vorgesehene mögliche Ausnahme für Finanzunternehmen nicht im Gesetzentwurf. Die bloß einmalige Anwendung der Freigrenze für Unternehmensgruppen kann insbesondere bei größeren Unternehmensgruppen zu einer dramatischen Reduktion des Zinsabzugs führen und wird u. U. dazu führen, dass bei etablierten Unternehmensgruppen Restrukturierungsbedarf entsteht.

Bereits eine erste Auseinandersetzung mit der Neuregelung zeigt, dass in der Praxis komplexe Anwendungs- und Auslegungsfragen entstehen werden. Die Zinsschranke wird wohl jedenfalls die Komplexität des Konzernsteuerrechts und die Compliance-Anforderungen für einige Steuerpflichtige dramatisch erhöhen. 

Aufgrund des Freibetrags von 3 Millionen Euro und weiterer Ausnahmeregelungen wird ein beträchtlicher Anteil österreichischer (mittelständischer) Unternehmen nicht unter die Zinsschrankenregelung fallen. Dies ist zu begrüßen. Bereits eine erste Auseinandersetzung mit der Neuregelung zeigt, dass in der Praxis komplexe Anwendungs- und Auslegungsfragen entstehen werden. Die Zinsschranke wird wohl jedenfalls die Komplexität des Konzernsteuerrechts und die Compliance-Anforderungen für einige Steuerpflichtige dramatisch erhöhen. Dies liegt auch (aber nicht nur) an der Beibehaltung der bestehenden Zinsabzugsverbote. Zahlreiche Elemente der Zinsschranke — etwa die Ermittlung des steuerlichen EBITDA und des Zinsüberhangs sowie die Vornahme des Eigenkapitalquotenvergleichs — machen die Anwendung der neuen Regelung zu einer enormen Herausforderung. Aus diesem Grund wird gleich in mehrfacher Hinsicht eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Finanzen eingeräumt, um Zweifelsfragen und die praktische Handhabung der Regelung in einer Verordnung im Detail zu regeln. Dies betrifft insbesondere die Ermittlung des steuerlichen EBITDA und des Gruppen-EBITDA, die Voraussetzungen für den Übergang von nicht verrechneten Zins- und EBITDA-Vorträgen im Rahmen von Umgründungen und die nähere Definition von begünstigten langfristigen öffentlichen Infrastrukturprojekten.

Fazit

Themen wie die Einheitsbetrachtung steuerlicher Unternehmensgruppen, der Zins- und EBITDA-Vortrag sowie Spezialfragen bei Umgründungen und Personengesellschaften machen offensichtlich, dass die Auswirkungen der Zinsschranke auf das konkrete Unternehmen bzw. die konkrete Transaktion möglichst frühzeitig untersucht werden müssen, um Optimierungspotenziale zu identifizieren.

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