5G und IoT: Warum Telcos ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln müssen

7 Minuten Lesezeit 4 Juni 2019
Von Olaf Riedel

Leiter des Sektors Technologie, Medien & Telekommunikation I Deutschland, Schweiz, Österreich

Ist passionierter Berater, Hiker, Segler, Skifahrer und Hobbykoch. Zudem Wahlhamburger. Brennt dafür, Tech-, Media- und Telco-Kunden bei ihren Transformationen in sicherem Fahrwasser zu leiten.

7 Minuten Lesezeit 4 Juni 2019

Weitere Materialien

  • Mehr als Konnektivität - digitale Chancen für Telcos (pdf)

Telekommunikationsunternehmen bauen die 5G-Netze auf –verdienen aber immer weniger mit Infrastruktur. Ein Blick auf mögliche Alternativen.

Telekommunikationsunternehmen, sogenannte Telcos, sind Vorreiter. Vernetzung und Digitalisierung waren bereits ihre Stärken, als diese Begriffe in anderen Branchen noch als Zukunftsmusik galten. Auch die nächste Stufe der digitalen Revolution, charakterisiert durch 5G und das Internet of Things (IoT), ist ohne ihre Investitionen in die grundlegende Infrastruktur nicht möglich. Doch die Zeiten, als das Bereitstellen von Konnektivität allein hohe Profite sicherte, sind vorbei. Wenn neue Technologien etablierte Industrien herausfordern, müssen auch Telcos neue Geschäftsfelder erschließen – oder zusehen, wie andere zum Zuge kommen.

Im Privatkundengeschäft sind die Felle bereits neu verteilt. Viele Nutzer kennen es gar nicht mehr, für Gesprächsminuten und Kurznachrichten einzeln zu bezahlen. Heute nutzen mächtige Internetkonzerne die Infrastruktur und schöpfen den Mehrwert ab. Für Nutzer ist es unerheblich geworden, welches Netz ihre kostenlosen Skype-Anrufe oder WhatsApp-Nachrichten transportiert. Erreichbarkeit mit hoher Bandbreite gilt als selbstverständlich, Telekommunikationsanbieter werden als austauschbar wahrgenommen. Ihre Umsätze in Deutschland gehen entsprechend seit Jahren zurück.

Der bevorstehende Aufbau der 5G-Netze wird ähnliche Prozesse auch im Geschäftskundenbereich beschleunigen. Wenn Telcos sich weiterhin primär als Anbieter von Infrastruktur verstehen, werden sie nicht nur profitable neue Geschäftsfelder verpassen – im Zuge der Konvergenz von Industriezweigen könnten ihnen sogar neue Wettbewerber das Stammgeschäft streitig machen.  

Wenn sie aber die Bedürfnisse von unterschiedlichen Industrien erkennen und bedienen, können Telcos von ihrer starken Ausgangsposition profitieren und sich zwischen Technologieanbietern und Softwaredienstleistern optimal platzieren.

In Zukunft wird das Geld anders verdient

Ziel in den neu entstehenden Geschäftskunden-Märkten muss es sein, über das bloße Anbieten von Konnektivität hinaus Anteile zu gewinnen. Das Potenzial ist gewaltig:

  • EY geht davon aus, dass durch 5G die Zahl der vernetzten Endgeräte von 15 Milliarden im Jahr 2014 drastisch auf 35 Milliarden (2024) und 50 Milliarden (2050) ansteigen wird.
  • Die globalen Umsätze im Bereich IoT/Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) betrugen 2014 noch weniger als 0,7 Milliarden Dollar – 2020 sollen es 1,7 Milliarden sein, und das ist erst der Anfang.

Reine Konnektivitätsanbieter werden davon aber nur begrenzt profitieren. Die Einnahmen pro Gerät im M2M-Bereich sind viel geringer als im klassischen mobilen Datenverkehr. 

Einnahmequelle

5-14 %

der Gesamtumsätze werden im IoT auf Konnektivität entfallen.

Telcos, die sich auf ihr bisheriges Kerngeschäft begrenzen, verpassen also mehr als 80 Prozent des Marktpotenzials. Was ihnen bliebe, wäre ein reines Kostenoptimierungsgeschäft – und weiterhin erodierende Umsätze.

Telcos als IoT-Plattform-Betreiber

Wollen Telcos stattdessen in den neuen IoT-Märkten ihre Stärken voll entfalten, müssen sie sich sehr viel stärker an den Geschäftsmodellen und Prozessen orientieren, die bei ihren Geschäftskunden ablaufen.

  • Statt wie bislang nur die Infrastruktur bereitzustellen, verknüpfen Telcos kundenseitige Geschäftsprozesse sinnvoll mit weiteren Kunden und bieten darauf zugeschnittene neue Dienstleistungen an.
  • Gemeinsam mit kompetenten Partnern sollten sie IoT-Plattformen entwickeln – also Softwareprodukte, die in IoT-Ökosystemen Geräte vernetzen und verknüpfen, Daten sammeln und verarbeiten.
  • Ihre große Erfahrung auf dem Feld der Datenanalyse können Telcos dann etwa nutzen, um Analyse-Dienstleistungen anzubieten. Diese haben den Vorteil, skalierbar zu sein.

Kompetenz aufzubauen ist erfolgsentscheidend: intern, durch Recruiting von Fachexperten, durch Akquisition, über Partnering oder über Co-Creation. Nur so wird es möglich, komplexe Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und IoT-Angebote am Markt erfolgreich zu positionieren – gebündelt in einem Ökosystem von Partnerschaften und Allianzen.

Ein Beispiel aus der Praxis:

  • Ein Maschinenbauer fertigt seine Produkte mit einer per IoT/M2M vernetzten Produktionsstraße.
  • Auf der IoT-Plattform kann ein Analyse-Service aufsetzen, der die hier gewonnenen Daten aufbereitet.
  • Methoden wie Künstliche Intelligenz (KI) können diesen Prozess unterstützen.
  • Auf Grundlage von über Monate gesammelten Daten wie Maschinenlauf- und Standzeiten macht der Dienst Fehlerquellen ausfindig und gibt Empfehlungen, wie die Störungen der Zukunft schon heute beseitigt werden können (Predictive Maintenance).

IoT-Plattformen sollten offen gestaltet sein

Zwar arbeiten einige Telcos bereits seit geraumer Zeit an IoT-Plattformen, doch sind viele dieser Projekte nicht ausgereift oder kaum bekannt. Ein grundlegendes Problem liegt darin, dass sie meist als geschlossene Systeme angelegt sind. Damit verbunden ist die Hoffnung auf Einnahmen durch Kunden, die sich an diese Plattformen binden.

Aber wie im klassischen mobilen Datenverkehr sind Kunden auch hier weniger bereit, für die Nutzung einer grundlegenden Plattform zu zahlen – sondern vielmehr für die darauf aufbauenden Services.

Eine Rolle als „Spinne im Netz“ bringt dem Betreiber eines geschlossenen Systems kaum Vorteile.

In einem offenen System kann der Betreiber unterschiedliche externe Dienstleister dazu gewinnen, ihre Dienste auf seiner IoT-Plattform anzubieten. Er verdient dann nach dem Prinzip eines Shared Revenue Stream laufend mit. Für solche Geschäftsmodelle ist jedoch Umdenken erforderlich.

Kooperationen und Konvergenz

Dieses Umdenken betrifft auch die notwendige Zusammenarbeit mit anderen. Telcos müssen für den Aufbau der 5G-Infrastruktur hohe Investitionskosten schultern. Darüber hinaus gänzlich neue Felder zu erschließen, ist für sie wenig sinnvoll. So liegen die Kompetenzen von Telcos nicht darin, IoT-Hardware selbst zu entwickeln. Sie können aber Hardwareprodukte von Drittanbietern zertifizieren, um die Kompatibilität mit ihren IoT-Plattformen sicherzustellen.

Bei IoT-Plattformen hat sich der Fokus bereits verschoben – weg von industrieübergreifenden Ansätzen, hin zur Spezialisierung auf einzelne Technologien und Märkte. Viele dieser IoT-Lösungen sind wegen ihrer Komplexität und des großen erforderlichen Branchenwissens ohne Kooperationen gar nicht realisierbar.

Konvergenz im IoT-Zeitalter bedeutet, dass neue Player außerhalb ihrer ursprünglichen Branchen auf den Plan treten, sich Konkurrenz machen, aber auch gemeinsam ganz neue Lösungen entwickeln.

Als Anbieter unverzichtbarer Konnektivität starten Telcos von einer strategisch äußerst günstigen Ausgangsposition in diese Zeit neuartiger Wertschöpfungsketten. Sowohl für Technologie- als auch für Softwareanbieter und -Dienstleister sind sie attraktive Partner.

In einigen Schlüsselbranchen liegen besondere Chancen:

  • Maschinenbau / Produzierende Industrie

    Bei den Ausgaben für IoT-Projekte ist das verarbeitende Gewerbe führend. Im deutschen Sprachraum spielt der Maschinenbau eine besonders starke Rolle und auch im Bereich der produzierenden Industrie gibt es etliche Weltmarktführer. Bislang wenden die Unternehmen vor allem Monitoring-Lösungen an. Die Analyse der dabei gewonnenen Daten und andere Funktionen, die über das reine Monitoring hinausgehen, bieten schon in naher Zukunft großes Potenzial.

    Über die Möglichkeiten der Technologie sind sich viele Unternehmen noch gar nicht im Klaren. Telcos, die IoT-Plattformen sowie kompatible Hardware anbieten, können ihnen konkrete Anwendungsfälle näherbringen.

    In den kommenden Jahren ist eine zweite Welle zu erwarten, in der Unternehmen nach einer Phase des Experimentierens das Thema IoT strategisch angehen, operativ umsetzen und teilweise disruptiv in das eigene Geschäftsmodell hineintragen werden.

  • Mobilität

    Energieunternehmen und Unternehmen aus der Automotive-Branche arbeiten bereits gemeinsam an neuen Angeboten zur E-Mobilität. Dabei geht es etwa um den Aufbau einer Ladeinfrastuktur für Elektroautos. Telcos können ihren Vorsprung bei 5G nutzen und gemeinsam mit diesen Playern beispielsweise E-Lade-Netze mit Kommunikation verbinden, um autonomes Fahren zu ermöglichen.

    Künftige Echtzeitanwendungen mit hohem Marktpotenzial, wie das autonome Fahren, funktionieren nicht ohne zuverlässige mobile Konnektivität mit geringen Latenzzeiten. 5G bringt im Mobilitätsbereich für Telcos vielfältige Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

  • E-Health

    Die Verbindung von Wearable Technology wie Smart Watches mit Diagnoseplattformen ist durch die vielen vertraulichen Gesundheitsdaten ein besonders sensibles Feld, auf dem Telcos bislang keine Rolle spielen. Auch hier werden 5G und IoT, vor allem durch Fortschritte bei der Sensorik, ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

    Als Plattformbetreiber können Telcos dabei eine Rolle spielen, wenn sie ihren über lange Jahre erworbenen Ruf als zuverlässige und in Datenschutzfragen erfahrene Instanzen zur Geltung bringen. Verglichen mit anderen Anbietern, die oft als „Datenkraken“ verschrien sind, gelten Telcos als unabhängige und vertrauenswürdige Dienstleister, denen viele Nutzer ihre persönlichen Daten eher anvertrauen würden.

Konvergenz als zweischneidiges Schwert

Die Deutsche Bahn zeigt, wie die Grenzen zur Telekommunikationsbranche verschwinden: Weil ihr eigenes, entlang der Gleisstrecken verlegtes Glasfasernetz nicht ausgelastet ist, will sie es an Mobilfunkbetreiber vermarkten. Die könnten diese Kapazitäten zum Aufbau von Backbones für ihre 5G-Netze gut gebrauchen.

Industrieunternehmen werden wohl bald selbst 5G-Netze aufbauen – zunächst wohl auf dem eigenen Fabrikgelände. Wenn dann aber mehrere Unternehmen ihre Netze verbinden, könnten sie ihr Angebot als Dienstleistung nach außen anbieten und in direkten Wettbewerb mit Telcos treten.

Sollten Telcos sich den Herausforderungen nicht stellen, verpassen sie nicht nur vielversprechende Geschäftsmöglichkeiten – sie setzen sich auch der Gefahr aus, dass ihnen im Lauf zunehmender Konvergenz neue Player ihr Kerngeschäft streitig machen.

Fazit

5G und das Internet of Things (IoT) eröffnen nicht nur in der Industrie neue Geschäftsfelder. Telcos starten von einer guten Ausgangsposition – müssen aber mehr bieten als nur die Infrastruktur, wenn sie von der Wertschöpfung angemessen profitieren wollen.

Um schnell die nötigen Kompetenzen aufzubauen, sollten sie mit anderen Playern kooperieren. Das IoT verlangt maßgeschneiderte Services und Ökosysteme mit offenen Strukturen. Besonders vielversprechend in Deutschland sind der Bereich Maschinenbau, aber auch alle Produktionsbereiche.

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