3 Minuten Lesezeit 15 Juni 2021
commuters using escalator getting to subway

COVID-19 : Ist Ihre Mobility Policy zukunftsfit?

Autoren
Herwig Debriacher

Partner, People Advisory Services, Steuerberatung | Österreich

Hat langjährige Erfahrung zu sämtlichen Fragestellungen des grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes. Privat widmet sich der gebürtige Kärntner vor allem seiner Familie und dem Eishockeysport.

Rainer Rainer

Senior Manager People Advisory Services; EY Österreich

Beruflich im PAS Team in Wien die Heimat gefunden – privat wird Kraft mit der Familie, beim Bierbrauen und Rockmusik getankt.

3 Minuten Lesezeit 15 Juni 2021

Global-Mobility-Teams tun gut daran, sich rasch mit dem Übergang vom „Now“ zum „Next“ ihrer Global-Mobility-Strategie zu widmen.

Überblick
  • Transformation der eigenen Entsendepraxis und Anstieg virtuellen Arbeitens
  • Erforderliche Strategien und mögliche künftige Entsendeformen

Angesichts der bisherigen Auswirkungen von COVID-19 auf den grenzüberschreitenden Personaleinsatz bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass es im Bereich der Entsendepraxis für Unternehmen wohl kein Zurück zum Status quo zum Jahresbeginn 2020 gibt. Vielmehr gilt es für die Mobility-Bereiche, keine weitere Zeit zu verlieren, um ihre Strategien langfristig an dieses neue Umfeld auszurichten.

Hierzu sei angemerkt, dass EY gemeinsam mit dem RES Forum1 eine Umfrage zu den Folgen der Corona-Pandemie auf die Entsendepraxis durchgeführt hat, deren Ergebnisse aufhorchen lassen. Mehr als die Hälfte der befragten Expert:innen schätzt einen generellen Rückgang aller gängigen Formen des grenzüberschreitenden Personaleinsatzes. Zudem berichten mehr als 80 Prozent, dass die Beschäftigten ihres Unternehmens aufgrund gesundheitlicher Bedenken ihre Familien nicht mehr mit ins Ausland nehmen wollen bzw. dass Formen der virtuellen internationalen Zusammenarbeit an Bedeutung gewinnen werden.

Diese Aussagen decken sich mit Erfahrungswerten und Einschätzungen aus Beratersicht seit Ausbruch der Pandemie. Aber was sind die Treiber dieses Transformationsprozesses und welche Faktoren sind somit bei der Neuausrichtung der Global-Mobility-Strategie zu berücksichtigen?

Effizientes Kosten- und Prozessmanagement, aber auch Nachhaltigkeitsüberlegungen zwingen Unternehmen, ihre Global-Mobility-Strategie zu überdenken und neu auszurichten.
Herwig Debriacher
Partner, People Advisory Services, Steuerberatung | Österreich

In Umfragen vor Ausbruch der Corona-Pandemie wurden noch die Bereiche „Meldewesen“ und „Komplexe steuerliche Regelungen“ von Global-Mobility-Professionals als die größten Herausforderungen der jeweils kommenden fünf Jahre gesehen.Die Tatsache, dass zwischenzeitlich rund 90 Prozent der Weltbevölkerung wegen COVID-19 in Ländern mit Reiseeinschränkungen leben, erhöht die Komplexität länderübergreifender Geschäftsreisen für Unternehmen noch weiter.

Transformation der eigenen Entsendepraxis und Anstieg virtuellen Arbeitens

Effizientes Kosten- und Prozessmanagement, aber auch Nachhaltigkeitsüberlegungen zwingen Unternehmen, ihre Global-Mobility-Strategie zu überdenken und neu auszurichten. Zusätzlich gilt es, Flexibilität aus Arbeitgeber- wie auch aus Arbeitnehmersicht so weit wie nur möglich zu berücksichtigen. Formen virtueller Zusammenarbeit werden zwar die Forderung nach Präsenz am Einsatzort nicht in jedem Fall gleich stark beeinflussen, aber bei neuen, hybriden Entsendungsmodellen zu einem bestimmenden Einflussfaktor werden. Dem Trend zu Remote Work muss natürlich auch Rechnung getragen werden.

Eine schwer bis kaum abschätzbare Nachfrage nach mobilen Mitarbeiter:innen bringt für Unternehmen weitere Planungsschwierigkeiten.

Auch weiterhin gilt, dass grenzüberschreitender Mitarbeitereinsatz und Wissensaustausch von Expert:innen auch in Zukunft für zahlreiche Geschäftsbereiche und Projekte eine wesentliche Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs bleibt.

Somit müssen grenzüberschreitend tätige Unternehmen auch in Zukunft sicherstellen, die richtigen Mitarbeiter:innen am richtigen Ort zu haben. Forderungen nach einer Flexibilisierung der Moblilitätsstrategien, die sich bisher in die klassische Geschäftsreise (bis zu drei Monaten) sowie kurzfristige (bis zu einem Jahr) und langfristige Entsendungen (bis zu drei Jahren) einteilen lassen, wurden aus Kosten- und Effizienzgründen ja bereits vor der Corona-Pandemie laut, durch selbige aber weiter verstärkt und komplexer.

Hybride Entsendungsmodelle, die nicht zwingend mit einem Umzug in das Gastland verbunden sind und somit die Attraktivität eines Auslandseinsatzes auch angesichts aktueller Gesundheitsbedenken der Beschäftigten erhöhen, können hier ergänzend zu den klassischen Formen der Mobilitätsstrategie der aktuellen Situation Rechnung tragen. 

Erforderliche Strategien und mögliche künftige Entsendeformen

Wie können künftige Mobilitätsstrategien aussehen, die all diesen Entwicklungen Rechnung tragen?

Kurzfristige grenzüberschreitende Geschäftsreisen werden aus Kostengründen und auch aufgrund gesundheitlicher Risiken und aus Nachhaltigkeitsüberlegungen wohl in Zukunft noch detaillierter auf deren Notwendigkeit evaluiert und auf Grundlage der während der Pandemie gewonnenen Erfahrungswerte im Bereich des virtuellen Arbeitens wo immer möglich auch durch Letzteres ersetzt werden.

Für Geschäftsbereiche wie auch für länderübergreifende Prozesse und Projekte, die aufgrund des Sachverhalts nicht durch virtuelle Meetings/Konferenzen ersetzt werden können, sind nachfolgende Denkansätze zur Entsendungsvariante möglich.

Überall dort, wo es die Entfernung und Reiseverbindung zulässt, wäre eine Commutertätigkeit denkbar, bei der der/die Entsandte die Zeit unter der Woche am Einsatzort verbringt und am Wochenende an den Hauptwohnsitz, z. B. zur Familie, zurückehrt.

Bei längerfristigen Einsätzen bzw. Entfernungen zwischen Wohnsitz und Einsatzland, die ein Pendeln schlichtweg nicht möglich machen, wären beispielsweise wiederholte kurzfristige, schwerpunktmäßige Einsätze vor Ort denkbar, beginnend beim Projektstart und um Strukturen zu schaffen, die zwischenzeitlich auch eine virtuelle Koordination ermöglichen. Ein „letzter“ physischer Einsatz wäre am Ende des Projekts denkbar, um dieses erfolgreich abzuschließen.

Denkt man beispielsweise an die zentrale Rolle der Partner:innen und der Familie für den Erfolg einer Entsendung und an den verfügbaren Talent-Pool von Beschäftigten, die für Auslandseinsätze infrage kommen, könnten derartige Mischformen von Entsendungen durchwegs weitere Vorteile bringen. Mit der grundsätzlichen Möglichkeit, dass Partner:innen und Kinder im Heimatland bleiben, sinken nicht nur die Gesamtkosten einer Entsendung (z. B. durch wegfallende oder geringe Aufwände für Umzüge, Partner-Supply-Policy-Maßnahmen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulgelder im Einsatzland), sondern es vergrößert sich gleichzeitig der Pool potenziell infrage kommender Mitarbeiter:innen. Denn mit dem Wegfall eines zwingenden langfristigen Umzugs in das Gastland steigt für viele Talente auch die grundsätzliche Attraktivität einer Entsendung – für bereits vorhandene Mitarbeiter:innen wie auch für neu zu gewinnende Talente am Markt. Derartige hybride Entsendungsformen würden sowohl für Dienstgeber als auch Dienstnehmer:innen die notwendige und gewünschte Flexibilität bringen.

Letzendlich geht es nicht darum, alle bisherigen Modelle und Herangehensweisen vollständig zu ersetzen, sondern gerade in Zeiten schwer vorhersehbarer Entwicklungen für jeden Fall eine praxistaugliche Lösung zu implementieren.
Rainer Rainer
Senior Manager People Advisory Services; EY Österreich

Entwicklungsstufen neuer Entsendemodelle und relevante Stakeholder:innen

Zum zeitlichen Ablauf der Entwicklung neuer Entsendemodelle empfiehlt es sich, im ersten Schritt – auch unter Berücksichtigung der in den Unternehmen gemachten Erfahrungen während der Corona-Zeit – verschiedene Mobilitätsszenarien (die für die Beschäftigten zielführend wie auch möglich sind) zu entwickeln und im zweiten Schritt deren Vor- und Nachteile zu prüfen.

Während aus Perspektive des Unternehmens sicherzustellen ist, dass alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit geschaffen sind, gilt es auf Ebene der Mitarbeitenden, nicht nur deren Zufriedenheit zu erhöhen und somit Talente an Bord zu halten, sondern auch als attraktiver Arbeitgeber für neu zu gewinnende Talente in Erscheinung zu treten. Es ist wichtig, hier den Mittelweg zu finden: Wie weit kann man sich als Arbeitgeber bewegen, um den Beschäftigten entgegenzukommen und gleichzeitig nicht die Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen?

Was die hausinterne Kommunikation betrifft, ist zu empfehlen, diese erst nach eingehender Prüfung auf Erfüllung der unternehmensspezifischen Anforderungen sowie möglicher steuerlicher Themen zu starten.

Als relevante Stakeholder:innen sind selbstredend das Unternehmen selbst wie auch bereits bestehende Mitarbeiter:innen und potenzielle neue Talente zu sehen.

Unter diesen Gesichtspunkten steigt mit den Anforderungen der Global-Mobility-Teams in den Unternehmen in diesen herausfordernden Zeiten auch deren hausinterne Bedeutung. Für Mobility ergibt sich hier die große Chance, als wichtiger strategischer Partner der Geschäftsführung wahrgenommen zu werden.

Letzendlich geht es nicht darum, alle bisherigen Modelle und Herangehensweisen vollständig zu ersetzen, sondern gerade in Zeiten schwer vorhersehbarer Entwicklungen für jeden Fall eine praxistaugliche Lösung zu implementieren. Anders ausgedrückt: Die angeführten Mischvarianten können selbstverständlich auch neben den klassischen Entsendungsformen bestehen und diese ergänzen.

Ist man abschließend der Ansicht, dass sich die Bedürfnisse aller betroffenen Stakeholder:innen in ausreichender Form in den entwickelten neuen Entsendungsvarianten wiederfinden, bleibt als letzter aber essenzieller Schritt vor deren Implementierung, die aus ihnen resultierenden Fragen zur Sozial- und Krankenversicherung, zum Aufenthaltsrecht, zum Arbeitsrecht oder zur Steuerpflicht restlos zu klären und vollumfänglich zu kommunizieren.

Corona-bedingte Reiseeinschränkungen bringen auch nachhaltige Auswirkungen auf die Entsendepraxis international agierender Unternehmen, die auch weiterhin sicherstellen müssen, länderübergreifend die richtigen Mitarbeiter:innen am richtigen Ort zu haben. Physischer Einsatz vor Ort lässt sich allerdings auch in Zukunft nicht unbegrenzt durch virtuelles Arbeiten ersetzen.

Für die Global-Mobility-Bereiche in den Unternehmen gilt es, keine Zeit zu verlieren, um neue Entsendemodelle, die diesen komplexen Anforderungen gerecht werden, unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder:innen zu entwickeln und die bestehenden Mobility-Policies zukunftstauglich zu machen. Eine schwer abschätzbare Nachfrage nach mobilen Mitarbeiter:innen macht die Planung für Unternehmen noch komplexer. 

Fazit

Hybride Entsendungsmodelle, die nicht zwingend mit einem Umzug in das Gastland verbunden sind und somit die Attraktivität eines Auslandseinsatzes auch angesichts aktueller Gesundheitsbedenken der Beschäftigten erhöhen, können hier ergänzend zu den klassischen Formen der Mobilitätsstrategie der aktuellen Situation Rechnung tragen.

Über diesen Artikel

Autoren
Herwig Debriacher

Partner, People Advisory Services, Steuerberatung | Österreich

Hat langjährige Erfahrung zu sämtlichen Fragestellungen des grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes. Privat widmet sich der gebürtige Kärntner vor allem seiner Familie und dem Eishockeysport.

Rainer Rainer

Senior Manager People Advisory Services; EY Österreich

Beruflich im PAS Team in Wien die Heimat gefunden – privat wird Kraft mit der Familie, beim Bierbrauen und Rockmusik getankt.