Das Schweizer Parlament beschloss einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Sollte die Initiative abgelehnt werden, tritt der Gegenvorschlag automatisch in Kraft. Aus diesem Grund werden in beiden Fällen viele Schweizer Unternehmen mit umfassenderen Berichts- und Sorgfaltspflichten irgendeiner Art konfrontiert sein.
Konzernverantwortungsinitiative
Die Initiative würde einen neuen Artikel über die Konzernhaftung von Muttergesellschaften für Fehlverhalten von kontrollierten Unternehmen im Ausland (z.B. Tochtergesellschaften und wirtschaftlich abhängige Lieferanten) in die Eidgenössischen Verfassung aufnehmen. Schweizer Unternehmen müssten sich vergewissern, dass international anerkannte Menschenrechte (z.B. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) und Umweltstandards (z.B. Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen) von kontrollierten Unternehmen eingehalten werden.
Ferner wären Unternehmen verpflichtet, angemessene Sorgfaltspflichten zu erfüllen, um tatsächliche und potentielle Auswirkungen zu ermitteln, geeignete Massnahmen zur Vorbeugung von Fehlverhalten zu ergreifen und Rechenschaft über ergriffene Massnahmen abzulegen.
Schweizer Unternehmen würden für mögliche Verstösse ihrer kontrollierten Unternehmen (einschliesslich mancher Lieferanten) gegen Menschenrechte und Umweltstandards haften, sofern sie nicht nachweisen können, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen sind (Beweislastumkehr).
Indirekter Gegenvorschlag
Der indirekte Gegenvorschlag sieht eine Berichterstattungspflicht für Publikumsgesellschaften und grosse Finanzinstitute vor, die die Bereiche Umwelt (insbesondere CO2-Ziele), Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruption in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2014/95/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller Informationen abdecken muss. Die nichtfinanzielle Berichterstattung sollte eine Beschreibung des Geschäftsmodells, der verfolgten Konzepte und entsprechender Sorgfaltspflichten, der Darstellung der Umsetzung der Konzepte, der wesentlichen Risiken und der Leistungskennzahlen enthalten. Der entsprechende nichtfinanzielle Bericht müsste vom höchsten Leistungs- und Verwaltungsorgan genehmigt und unterzeichnet und vom höchsten Gremium, das für den Jahresabschluss zuständig ist (ein Audit ist nicht ausdrücklich erforderlich), bewilligt sein. Des Weiteren führt der Gegenvorschlag eine Berichts- und Sorgfaltspflicht in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten (auf Grundlage der Verordnung (EU) 2017/821) und Kinderarbeit (auf Grundlage des niederländischen Gesetzes über die Kinderarbeitssorgfaltspflicht) ein. Die Sorgfaltspflicht über Mineralien und Metalle soll Gegenstand einer Prüfung durch einen unabhängigen Dritten sein.
In Bezug auf die Haftung gäbe es keine Änderungen. Der Ständerat reichte die Grundlage für den Gegenvorschlag als Antwort auf den weitreicherenden Gegenvorschlag des Nationalrats ein.
2020 EY Institutional Investor survey
98 %der befragten Investoren evaluieren nichtfinanzielle Berichterstattung.

Welche Fragen muss ich stellen?
- Wie wird mein Unternehmen von den künftigen gesetzlichen Änderungen in beiden Szenarien beeinflusst?
- Wären wir aktuell in der Lage, die Berichtspflichten gemäss der Richtlinie 2014/95/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller Informationen zu erfüllen?
- Haben wir oder haben von uns kontrollierte Unternehmen Geschäftsaktivitäten oder Lieferanten in Regionen mit hohem Risiko betreffend Kinderarbeit und/oder Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten?
- Haben wir bereits geeignete Prozesse zur Erfüllung unserer Sorgfaltspflichten bezüglich Menschenrechte und Umweltstandards?
- Enthalten unsere Verträge mit Zulieferern international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards?
- Wollen wir ein externes Audit unserer nichtfinanziellen Berichterstattung und Sorgfaltspflichten, sind wir dafür bereit und haben wir die offenen Fragen mit dem Verwaltungsrat besprochen?
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Nahe Zukunft
Am 29. November 2020 findet die Volksabstimmung statt. Im Fall der Annahme der KVI wird die Eidgenössische Verfassung geändert, wobei Einzelheiten noch zu klären sind. Lehnt das Stimmvolk die Initiative ab, tritt der Gegenvorschlag in Kraft. Die Änderungen dürften ab 2022 Geltung erhalten. In beiden Fällen bedeutet dies, dass es Änderungen bei den Due-Diligence-Prozessen von Schweizer Unternehmen und eine Einführung einer gewissen Form von obligatorischer nichtfinanzieller Berichterstattungspflicht in der Schweiz geben wird.
Fazit
Im Juni 2020 beschloss das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag zur eidgenössischen Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt». Am 29. November 2020 findet eine Volksabstimmung statt. Sollte die Initiative abgelehnt werden, tritt der Gegenvorschlag automatisch in Kraft. In beiden Fällen bedeutet dies, dass es Änderungen bei den Due-Diligence-Prozessen von Schweizer Unternehmen und eine Einführung einer gewissen Form von obligatorischer nichtfinanzieller Berichterstattungspflicht in der Schweiz geben wird.