7 Minuten Lesezeit 7 Jan. 2021
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Bankenbarometer 2021 –Resilienz

Autoren
Patrick Schwaller

Managing Partner, Audit in Financial Services | EY Switzerland

Reliable and trusted business partner. Gets things done. Pragmatic. Enjoys mountaineering.

Olaf Toepfer

Partner, Banking & Capital Markets Leader | EY Switzerland

Transformation leader. Passionate about shaping the banking industry of tomorrow. Father of 3 kids.

7 Minuten Lesezeit 7 Jan. 2021

Weitere Materialien

Die Schweizer Banken zeigen sich gemäss Umfrage resilient gegenüber den Folgen der Corona-Pandemie und blicken optimistisch in die Zukunft.

Überblick

  • Die Banken haben die Corona-Krise bisher gut gemeistert, insbesondere dank der seit 2008 erhöhten Substanz sowie der gesunden Struktur ihrer Kreditbücher.
  • Die Zementierung des Negativzinsumfelds verschärft die strukturellen Ertragsprobleme. Negativzinsen werden folglich für Privatkunden wahrscheinlicher.
  • Die Corona-Pandemie hat zu einer unerwarteten Beschleunigung der Digitalisierung geführt, dies ermöglicht einen neuen Blick auf Kosten und Innovationen.

Weltwirtschaft im Ausnahmezustand – Banken zeigen Resilienz

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie zu Beginn des Jahres 2020 befindet sich die Weltwirtschaft im Ausnahmezustand. Nur durch ein beherztes Eingreifen der Regierungen und Zentralbanken konnte ein Kollaps verhindert werden. Im Kreditgeschäft führte die Krise zu einem Anstieg der Kreditrisiken in einzelnen Branchen, hingegen konnten wesentliche Kreditausfälle aufgrund der umfassenden staatlichen Rettungsmassnahmen bislang vermieden werden. Die durch die Krise sprunghaft angestiegene Volatilität führte gleichzeitig zu mehr Handelsaktivitäten von Kunden und Investoren, wovon die Banken im Handels- und Kommissionsgeschäft profitieren konnten. Die Schweizer Banken sind aus einer Position der Stärke in die Corona-Krise geraten.

Operative Geschäftsentwicklung

53%

der befragten Banken bewerten ihre Geschäftsentwicklung im vergangenen Jahr als positiv

Die jahrelange «Fitness-Kur», ausgelöst durch die Finanzkrise 2008, hat sich ausbezahlt und die Banken haben in dieser Krise eine hohe Resilienz gezeigt. Seither haben die Banken Risiken abgebaut und ihre Eigenmittel- und Liquiditätspolster deutlich ausgebaut. So überrascht es nicht, dass die Banken den durch die Corona-Pandemie ausgelösten Härtetest bisher gut gemeistert haben: solide Resultate, keine Systemunterbrüche, eine weitgehend reibungslose Umstellung auf Arbeit im Homeoffice und keine negativen Schlagzeilen. Auch den Ansturm von Firmenkunden im Zuge der staatlich geförderten – und von den Banken proaktiv mitgestalteten – Kreditprogramme haben die Banken professionell und zuverlässig bewältigt. Kurzum: Die Banken haben einen wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet und waren – anders als in der Finanzkrise im Jahr 2008 – nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

Die jahrelange Fitness-Kur ausgelöst durch die Finanzkrise 2008 hat sich ausbezahlt und die Banken haben in dieser Krise eine hohe Resilienz gezeigt
Patrick Schwaller
Managing Partner, Audit in Financial Services | EY Switzerland

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Keine Panik trotz erwarteten Kreditausfällen

Trotz der guten Ausgangslage sind sich die Banken einig, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nicht spurlos an ihnen vorbeigehen werden. Eine Mehrheit von 75% der befragten Banken befürchtet dennoch, dass es kurzfristig zu einem sprunghaften Anstieg der Wertberichtigungen vor allem im Kreditgeschäft mit KMU kommen wird (Vorjahr: 12%). Auch im Geschäft mit Wohnbaufinanzierungen ist die Skepsis etwas gestiegen. So rechnen 36% der Banken mit steigenden Kreditausfällen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten (Vorjahr: 7%). Angesichts dieser Erwartungen überrascht es nicht, dass nur noch 59% der befragen Banken, das sind 8 Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr, kurzfristig mit einer positiven Geschäftsentwicklung rechnen (Vorjahr: 67%).

Auf lange Sicht kommt bei den Banken keine Panik in Bezug auf die drohenden Kreditausfälle auf. 52% bzw. 44% der befragten Institute gehen langfristig für Wohnbau- bzw. KMU-Finanzierungen von unveränderten Wertberichtigungen aus und rechnen offensichtlich nur mit einer kurzfristigen Phase von erhöhten Kreditausfällen. Dies ist vor allem begründet durch die gesunde Struktur der Kreditbücher der Banken, welche vornehmlich aus hypothekarisch besicherten Krediten bestehen. Darüber hinaus sind die Banken von der Widerstandsfähigkeit der Schweizer KMU überzeugt. 83% der Banken rechnen nämlich damit, dass sich die KMU innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre von der Krise erholen.

Negativzinsen für Privatkunden unausweichlich?

Eine Normalisierung der Geldpolitik ist mit der zusätzlichen Ausweitung der Geldmengen durch die Zentralbanken als Folge der Corona-Krise in weite Ferne gerückt. So glaubt die grosse Mehrheit der Banken (82%), dass die Zinsen in der Schweiz auch noch in 10 Jahren sehr tief sein werden. Die Aussicht, dass die Niedrig-/Negativzinsen möglicherweise noch mehrere Jahre Bestand haben werden, verschärft die strukturellen Ertragsprobleme der Banken und die bereits seit einigen Jahren anhaltende Margenerosion im wichtigen Zinsgeschäft. Die höher verzinslichen Kredite und Finanzanlagen aus der Vergangenheit laufen allmählich aus – ohne dass diese adäquat ersetzt werden können. Dies gilt auch für die Anleger, welche die Rückzahlungen auslaufender Obligationen mangels Alternativen vorerst auf dem Bankkonto belassen und damit die Ertragsprobleme der Banken weiter verstärken.

Negativzinsen

11%

der befragten Banken schliessen die Weitergabe von Negativzinsen kategorisch aus.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen überrascht es nicht, dass mittlerweile nur noch 11% der befragten Banken die Weitergabe von Negativzinsen für Privatkunden kategorisch ausschliessen. Im letzten Jahr waren es noch 21% und vor fünf Jahren lag der Wert sogar bei 70%. Die Belastung von Kundenguthaben mit Negativzinsen ist demnach längst kein Tabubruch mehr – insbesondere bei Kunden, die neben der reinen Kontoführung keine weiteren für die Bank ertragsgenerierenden Dienstleistungen nutzen.

Bei der Festlegung des Schwellenwertes für Negativzinsen ist in diesem Jahr vorerst etwas Ruhe eingekehrt und 50% der Banken – etwa gleich viele Banken wie im Vorjahr – geben an, diesen senken zu wollen. Einerseits helfen hier die von der SNB vorgenommenen Erhöhungen des Freibetrags für Negativzinsen, andererseits haben sich die Banken im Zuge der Corona-Pandemie bei der verstärkten Weiterbelastung von Negativzinsen vermutlich auch aus Reputationsgründen bewusst zurückhaltend gezeigt. Aufgrund des zunehmenden Drucks auf die Ertrags- und Ergebnisseite der Banken scheint dies aber nur eine Momentaufnahme zu sein.

Die Aussicht, dass die Niedrigzinsen möglicherweise noch mehrere Jahre Bestand haben werden, verschärft die strukturellen Ertragsprobleme der Banken und die bereits seit einigen Jahren anhaltende Margenerosion im wichtigen Zinsgeschäft
Patrick Schwaller
Managing Partner, Audit in Financial Services | EY Switzerland

Corona-Krise ermöglicht neuen Blick auf Kosten und Innovationen

Bekanntlich steckt in jeder Krise auch eine Chance. Die Corona-Pandemie hat unter anderem zu einer unerwarteten Beschleunigung der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und -prozessen geführt. Die Banken mussten in sehr kurzer Zeit auf Arbeit im Homeoffice umstellen und haben diese Herausforderung dank der in den letzten Jahren getätigten IT-Investitionen durchaus erfolgreich und ohne nennenswerte Probleme gemeistert. Darüber hinaus haben auch Bankkunden ihre Bankgeschäfte vermehrt über digitale Kanäle erledigt, was letztlich dazu geführt hat, dass Online- und Mobilebanking heute eine deutlich breitere Akzeptanz geniessen als noch vor der Krise.

Diese Erfahrungen ermöglichen neue Perspektiven auf Kosten und Innovation, was vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen hilfreich sein kann. Drohende Kreditausfälle, fortschreitende Margenerosion im Kredit- und Anlagegeschäft, anhaltende Konkurrenz durch Challenger-Banken und FinTechs, ein weitgehend gesättigter Inlandmarkt – angesichts dieser Entwicklungen ist es wenig erstaunlich, dass mit 46% beinahe die Hälfte der Banken ihren Fokus in den kommenden sechs bis zwölf Monaten vornehmlich auf Kostenreduktionen legen wollen. Daher ist es naheliegend, dass Arbeitsplätze aus den teuren Zentren vermehrt in die günstigere Peripherie oder in die Haushalte der Mitarbeitenden verschoben und zugleich die bestehenden Büroliegenschaften sowie Filialnetze überprüft werden.

Sparen allein wird nicht genügen, um die Wertschöpfungskraft der Banken auch in Zukunft aufrechtzuerhalten
Olaf Toepfer
Banking & Capital Markets Leader | Switzerland

Sparen allein wird nicht genügen, um die Wertschöpfungskraft der Banken auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Daher wollen sich die Banken nicht nur auf die Kostenseite konzentrieren. Das Thema «Innovation und Wachstum» nennen die Banken mit 44% als zweitbedeutendstes Fokusthema. Um den Ausbau der digitalen Kanäle voranzutreiben und den veränderten Kundenbedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen, sind – gleichzeitig zu den Kostensenkungsmassnahmen – weitere Investitionen in Innovationen erforderlich.

Nachhaltigkeit gewinnt auch im Kreditgeschäft an Bedeutung

Das Thema Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren vermehrt in den Blickpunkt der Investoren und Kunden gerückt. Diese «grüne Welle» rollt auch im Jahr 2020 ungebrochen weiter und hat nun auch das Kreditgeschäft der Banken erreicht. Während im Vorjahr noch 56% der Banken angaben, bei der Kreditvergabe an kommerzielle Kunden keine Nachhaltigkeits-/ESG-Faktoren (Environmental, Social and Governance) zu berücksichtigen, hat in der aktuellsten EY-Umfrage ein bedeutender Meinungsumschwung stattgefunden. Nur noch 27% der Banken wollen auch weiterhin auf die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe verzichten. Dieser signifikante Rückgang innerhalb von nur einem Jahr unterstreicht die Dringlichkeit einer angemessenen ESG-Integration in das Kreditgeschäft der Banken.

Fazit

Die Banken haben die Herausforderungen der Corona-Pandemie bisher gut bewältigt und zeigen sich resilient. Auch wenn die Banken kurzfristig erhöhte Kreditausfälle befürchten, schauen sie recht positiv in die Zukunft.

Die absehbare langfristige Zementierung der Negativzinsen durch die Corona-Krise erhöht den schon seit längerem bestehenden Druck der Banken auf der Ertragsseite. Der Trend zu einer verstärkten Belastung von Kundenguthaben mit Negativzinsen sollte sich demnach fortsetzen.

Die Corona-Pandemie hat unter anderem zu einer unerwarteten Beschleunigung der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und -prozessen geführt. Diese Erfahrungen ermöglichen neue Perspektiven auf Kosten und Innovation, was vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen hilfreich sein kann.

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Patrick Schwaller

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