Schon heute berichten viele Unternehmen über Nachhaltigkeitsthemen wie Umweltbelange, Arbeitsschutz und Menschenrechte oder soziales Engagement – doch im Vergleich zu den Finanzkennzahlen machen solche Angaben mit etwa 10 Prozent nur einen sehr kleinen Teil der Bilanz aus. Hinzu kommt ein Problem: Die Angaben sind oft wenig detailliert. Viele Unternehmen beschränken sich darauf aufzuzeigen, wie sich der Klimawandel auf ihre Produktion, Standorte oder Beschäftigten auswirkt. Wesentliche Fragen bleiben dabei ungeklärt: Wie beeinflussen wiederum die Produkte und die Produktion des Unternehmens die Umwelt und die Gesellschaft? Welchen Beitrag leistet das Unternehmen zum Klimaschutz? Zahlreiche voneinander abweichende Standards erschweren zudem einen direkten Vergleich. Wer als Investor vor der Frage steht, ob Autohersteller A oder B klimafreundlicher wirtschaftet, wird in den Berichten nur bedingt eine Antwort finden.
Die steigende Materialität von CO2 birgt neue Herausforderungen
Die Vergleichbarkeit von CO2-Kennzahlen in ihren Qualitäten und Erhebungsansätzen ist derzeit nur eingeschränkt möglich. Ein gutes Beispiel dafür ist der Carbon Footprint von Produkten, der weder national noch international einheitlich geregelt ist. Diesen Berechnungen liegen oftmals unterschiedliche Systemgrenzen, Annahmen und Primärdatenanteile zugrunde.
Neben den klassischen Fragen zu Carbon Accounting steht die doppelte Materialität zunehmend im Fokus der Diskussion. Diese sieht vor, neben einer rein ökonomischen Betrachtung den Einfluss auf Gesellschaft und Natur mitzudenken. Die Nichtberücksichtigung ökologischer und sozialer klimawandelbedingter Risken birgt die Gefahr, dass die Dekarbonisierung des eigenen Geschäftsmodells einen negativen Einfluss auf andere Stakeholder hat und damit weniger nachhaltig wirkt.
Dies führt auch zu einem weiteren Aspekt des Offenlegens von Klimainformationen: dem Aufzeigen der Fähigkeit, das eigene Geschäftsmodell mittelfristig an eine dekarbonisierte Ökonomie anzupassen. Es geht also nicht nur darum, CO2-Zahlen zu berichten. Vielmehr wird von Unternehmen verlangt, dass sie offen Auskunft über ihre Anpassung und das Management von klimawandelbedingten Risiken und Chancen erteilen. Neben dem Setzen ambitionierter und wissenschaftsbasierter Klimaziele dienen Szenarioanalysen dazu, strategische Entscheidungen innerhalb des Unternehmens zu unterstützen.
Disclosure 2.0 – beyond „Checking the Box”
Aufgrund der neu zugeordneten Materialität von CO2 stellen sich neue Herausforderungen an die Erhebung von CO2-Emissionen. Gestern noch ein klassisches „Checking the Box“-Reporting, kann die CO2-Intensität eines Produkts heute den Beschaffungsprozess eines Unternehmens stark beeinflussen. Daher ist es wichtig, neben der Verbesserung der Datenqualität die Vergleichbarkeit und Robustheit von Klimainformationen zu stärken.
Dies gilt auch für die klimawandelbedingte Kosten- und Gewinnprojektion in Szenarioanalysen und für die finanzielle Abschätzung von Risiken und Chancen. Investoren nutzen diese Informationen, um bewerten zu können, inwieweit Unternehmen heute schon fähig sind, das eigene Geschäftsmodell mittelfristig an eine dekarbonisierte Ökonomie anzupassen – also zu prüfen, ob Unternehmen zukunftsfähig sind und wie hoch das Risiko gescheiterter Wertanlagen ist.
Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Berichtsmethoden drängen internationale Investoren und Unternehmen vermehrt auf eine steigende Transparenz und regulatorische Rahmungen für das CO2-Reporting.
Angesichts des mangelnden Konsenses darüber, welche Informationen in der Berichterstattung erforderlich sind, und der Notwendigkeit einer Vergleichbarkeit zwischen und innerhalb von Rechtsordnungen gibt es eine wachsende Dynamik in Richtung einer globalen Harmonisierung von nachhaltigkeitsbezogenen Rechnungslegungsstandards. Die Zahl der Vorschriften und Standards für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) hat sich in den letzten fünf Jahren weltweit fast verdoppelt
Internationale Investoren und Unternehmen drängen auf einen weltweit einheitlichen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Einheitliche Standards für die Berichterstattung gefordert
The EU adopted a proposal in April 2021 that will replace reporting requirements under the Non-Financial Reporting Directive (NFRD), which currently require large public-interest companies with more than 500 employees to disclose environmental, social and employee-related matters, such as anti-bribery, corruption and human rights performance. The proposed Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) will extend the scope to include large companies and all companies listed on EU-regulated markets in the EU (except listed micro-enterprises).
Auch in der Schweiz tut sich was. Mit der Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative wird der Weg frei für einen von der Regierung unterstützten Gegenvorschlag, mit dem erhöhte Anforderungen an die nicht-finanzielle Transparenz und eine Due-Diligence-Prüfung eingeführt werden. Mit dem indirekten Gegenvorschlag werden nichtfinanzielle Offenlegungsanforderungen für bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities, PIEs) eingeführt, die weitgehend die Richtlinie 2014/95/EU über nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) der Europäischen Union (EU) widerspiegeln. Angesichts der Komplexität moderner Wertschöpfungsketten sollten Unternehmen frühzeitig damit beginnen, ihr Gefährdungspotenzial einzuschätzen und sich auf eine transparente Berichterstattung und ein effektives Risikomanagement vorzubereiten.
Für Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre künftige Bilanzierung umstellen müssen. Nichtfinanzielle Angaben werden in Zukunft die Hälfte der Berichterstattung einnehmen. Transparent, nachvollziehbar und vergleichbar sollen Klimaziele, konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz, Fortschritte und Rückschritte beschrieben werden. Dabei zählt nicht nur, was in der Vergangenheit erreicht wurde. Wie bei Bilanzen, die in den vergangenen Jahren sukzessive um die Zukunftssicht erweitert wurden, wird es auch in der Klimaberichterstattung um Prognosen gehen. Schaffen wir es, unser CO2-Etappenziel zu erreichen? Welche Risiken sehen wir? Fragen, die Unternehmen in Zukunft beantworten müssen.
Springen wir nun in das Jahr 2030, um uns vorzustellen, was dies für nichtfinanzielles Reporting bedeuten könnte:
- Doppelte Materialität: Die Gerichtsbarkeit von Staaten und Unternehmen, die sich nicht an die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens halten, wird zunehmen. Die Wissenschaft Attribution Science kann heute schon nachweisen, wie viel Prozent eines durch Naturkatastrophen verursachten Schadens menschengemacht ist. Dies wird zwangsläufig zu einem Reporting im Sinne der doppelten Materialität führen (oder auch doppelte Wesentlichkeit).
- Ganzheitliche Nachhaltigkeitsbetrachtung: Der klimawandelbedingte Druck auf Wasserreserven und Biodiversität wird das Verständnis für geteilte Risiken stärken. Was heute noch CO2 ist, werden morgen voraussichtlich Wasserbepreisung und Artenverlust sein. Einige Unternehmen beginnen bereits, den Ansatz eines Fair Share an einem globalen Ressourcenbudget wie bei den sogenannten Science-Based Targets auf weitere ökologische Dimensionen zu übertragen. Partiell möglich ist dies beispielsweise im Sinne der Planetary Boundaries oder der Science-Based Targets for Nature. Nach 2021 wird das Carbon Disclosure Project voraussichtlich die Datenabfrage in einem ganzheitlichen Fragebogen bündeln und zudem Fragen zur Biodiversität aufnehmen.
Messen wir also Unternehmenserfolg künftig in °C?
Durch den indirekten Gegenvorschlag der Konzernverantwortungsinitiative werden neue Anforderungen an die nicht-finanzielle Berichterstattung und die Due-Diligence-Prüfung für die betroffenen Unternehmen ausgelöst. Da die gesetzlichen Anforderungen voraussichtlich bis 2022 in Kraft treten werden, müssen alle betroffenen Unternehmen handeln, um Handlungsbedarf zu identifizieren und zeitnah umzusetzen. Dazu gehört, dass im Rahmen eines Nachhaltigkeitsberichts das Geschäftsmodell beschrieben und nicht finanzielle Kennzahlen offengelegt werden müssen. Dabei geht es um viel mehr als nur CO2-Ziele. Soziale Themen wie Arbeitsbedingungen, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sind auch Teil davon. Künftig heisst es also «CO2+x», denn nur wer Nachhaltigkeit aus allen Dimensionen betrachtet, kann sich im Markt positionieren und einen Mehrwert für interne und externe Stakeholder schaffen.
Fazit
Gesetzgeber, Kunden und vor allem Investoren fordern von Unternehmen, einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Sie sollen realistische Klimaziele aufstellen und transparent über Maßnahmen und Fortschritte berichten sowie Prognosen erstellen. Wer seine Klimarisiken nicht kennt und minimiert, wird es am Kapitalmarkt künftig schwer haben. Erste Schritte in Richtung einheitlicher Standards sollen für Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen.