7 Minuten Lesezeit 21 Apr. 2021
Young businesswoman in office examining cables at light bulbs

Was macht einen Unternehmer nachhaltig erfolgreich?

Von Sascha Stahl

Head of Family Enterprise Switzerland & Liechtenstein | Head of EY Entrepreneur Of The Year™

His daily job includes listening, thinking and networking. In private life, art, culture, travel and his dachshund motivate him.

7 Minuten Lesezeit 21 Apr. 2021

In der Wirtschafts- und Managementliteratur gibt es kaum ein beliebteres Thema, denn die Frage, worauf denn der langjährige Erfolg von Unternehmen und deren Machern dahinter gründen.

Überblick
  • Vererbtes Vermögen unternehmerisch weiterführen, macht ein grosser Teil unserer Wirtschaft aus
  • Wenn es zu unternehmerischen Einzelleistungen kommt, dann ist der Aufbau von Synergien der zentralste Baustein dieser Handlung
  • Der letzte Drittel des Erfolgs liegt in jedem selbst

Die Welt abseits dieser Bücher sieht etwas anders aus. Seit über 30 Jahren veranstaltet EY einen Wettbewerb für unternehmerische Leistungen, dessen Kandidaten sich seither in einem Netzwerk rund um den Globus vernetzen. Tausende und Abertausende von Kandidaten ergeben ein recht präzises Bild, welche Eltern der langjährige wirtschaftliche Erfolg hat. Eins kann man zum Beginn schon verraten: Ganz selten sind es heilige Einzeltaten und humane Wunderwerke. Vielmehr ist es eine komplexe Mechanik von Veranlagung, Umfeld und Zeitgeist, die den Erfolg über Dekaden zeichnet.

Auf die uralte Frage, ob die Zukunft eines Menschen erfasst werden kann, gibt es eine uralte Antwort: Ein Drittel unseres Lebens ist von Geburt an vorgezeichnet, ein Drittel wird durch die Umgebung erlernt und ein Drittel selbst geschaffen. Das klingt sehr esoterisch. Kaum zu glauben daher, dass sich der zukünftige Erfolg eines Unternehmers in sehr ähnlicher Segmentierung beobachten lässt.

1.  Das Startkapital

Unternehmer hören es nicht gerne, aber es ist in der Schweiz genauso wie weltweit: Drei Viertel des unternehmerischen Vermögens sind geerbte Vermögen. Bedeutet, dass die Chance, reich zu werden, ungemein grösser ist, wenn man schon reich geboren wird. Nur knapp ein Viertel des nationalen kumulierten Unternehmensvermögens stammt aus Firmen in erster Generation. Und selbst dort gilt es streng genommen die Vermögen aus nicht-unternehmerischer Tätigkeit herauszurechnen. Das sind etwa Vermögen aus Kapitalanlagen, Immobilien und Aktienmärkten. Was bleibt sind etwa 10% Substanz dessen, was wir klassischerweise als Unternehmertum betrachten: Firmen, von Machern gegründet und gross gemacht - das Rückgrat unserer Wirtschaft.

Seit 1998 zeichnet EY Schweiz Unternehmerinnen und Unternehmer in vier Kategorien aus: Dienstleistung & Handel, Industrie & Hightech, Startup und Unternehmen mit und ab der 3. Generation. Über 1.000 Kandidaten sind in dieser Zeit durch den Prozess des Wettbewerbs gegangen. Davon wurden etwa 200 als Finalisten und Sieger ausgezeichnet. Die meisten Kandidaten sind untereinander als EOY Alumni verbunden, so dass EY als Veranstalter die weitere Entwicklung sehr vieler Unternehmen beobachten und begleiten darf.

Was die Statistik belegt, erkennen wir auch in der Praxis: Nur ein kleiner Teil der Finalisten und Sieger sind Wunderkinder, denen ohne familiäres Startkapital ein Unternehmen mit langjährigem, nachhaltigem Erfolg über Dekaden beschieden ist. Viele Startup legen einen vielversprechenden Start hin. Aber erst die Zukunft wird die Resilienz ihrer Visionen zeigen. Ganz wenigen gelingt eine Gründerstory, bei der quasi aus dem Nichts ein Imperium erwächst.

Die allermeisten beständig erfolgreichen Unternehmungen bringen ein familiäres Startkapital mit. Das kann finanzieller Natur sein, etwa ererbtes Geld, die Übernahme der Firma selbst oder verfügbares Kapital innerhalb der Familie. Es kann gesellschaftlicher Natur sein, etwa wichtige Verbindungen zu potenziellen Geldgebern. Oder es kann mentaler Natur sein, etwa das Selbstverständnis, als Gründer auch mal zu scheitern zu dürfen, ohne dass der finanzielle Ruin darauffolgt. Auf diesen Punkt wird im Folgenden noch eingegangen.

2. Die Umgebung

Das Lernen durch unsere Umgebung ist, wie wir aus langer pädagogischer Erfahrung wissen, mindestens so elementar wie das Lernen aus kognitiven Informationsquellen. Auch hier spielt der Ausgangspunkt einer Existenz eine wichtige Rolle, aber der Lernprozess zieht sich über die ersten Lebensjahre weiter und begleitet den Menschen bis zu seinem Lebensende. Auch Unternehmer werden nicht einfach geboren, sie werden geformt und geprägt und sind ein Abbild ihrer Umgebung, die sie sich zum Teil ausgesucht haben, die zum Teil zufällig entstanden ist oder die sich durch die Art des Geschäfts nach und nach entwickelt hat.

Die Kandidatinnen und Kandidaten des Entrepreneur Of The Year setzen sich aus allen Landesteilen zusammen, alle Branchen sind vertreten und siedeln sich in der Firmengrösse zwischen 20 und 200 Millionen Umsatz an, mit Ausnahme natürlich der Kategorie Startup. Aber das Feld jener Entrepreneure widerspiegelt in etwa das, was wir als Mid Market bezeichnen; das M der Schweizer KMU-Landschaft.

Was wir bei vielen anhaltend erfolgreichen Kandidatinnen und Kandidaten beobachten, ist ein ausgesprochenes Gespür für die Wahl ihrer Umgebung. Das hat einen bestimmten Grund: Unternehmer sind oft früh in ihrem Leben auf das Ziel ihrer Geschäftstätigkeit ausgerichtet und fangen entsprechend früher an, die dafür notwendigen Netzwerke und gesellschaftlichen Verbindungen auszulegen. Viele von ihnen werden durch eine Vision, ein wirtschaftliches Ziel geleitet, dem sie ihr Handeln und Streben unterordnen und das entsprechend zu einem Ökosystem führt, welches dieses ökonomische Ziel ermöglicht. Natürlich machen das viele Menschen, aber Unternehmer sind stärker dem inhärenten Risiko ihrer Handlungen ausgesetzt und müssen daher schnell ein Gespür für tragfähige Beziehungen entwickeln. Das ist übrigens ein Grund, weshalb viele Startup mit guten Ideen nach wenigen Jahren dennoch scheitern.

Zahlreiche Finalisten und Sieger des Entrepreneur Of The Year, die über Jahre und Dekaden den Erfolg ihrer Geschäfte ausgebaut haben, lernten früh zu analysieren, welche Menschen sich aus welchen Beweggründen um sie gesellen. Sie wählen sehr bewusst aus und kommunizieren das ihrem Gegenüber auch nicht selten, denn das Argument der geschäftlichen Grundlage mit dem Ziel des geteilten Erfolges ist Menschen besser zu erklären als eine persönliche Präferenz von Sympathie oder Antipathie, wie das im privaten Leben der Fall ist. Aus diesem Grund ist eines der herausragenden Merkmale des unternehmerischen Erfolgs die Qualität und Dichte eines Ökosystems, das hinter diesem Erfolg steht.

3. Die eigene Wertschöpfung

Der eigene Beitrag des Erfolgs, die Schaffenskraft, der Drang zum Aufbau, das ist hinlänglich das, was in der Öffentlichkeit als unternehmerischer Charakter gewürdigt wird. Es ist jenes Feld, in dem sich die Wirtschafts- und Managementliteratur austobt und Gründer zu Heiligen und Alchemisten macht. Auch die Autobiografien stehen diesem menschlichen Bedürfnis nach Legenden und Mythen um nichts nach; kaum ein Autor attestiert seinem Erfolg, dass er zu zwei Dritteln Kräften geschuldet ist, die kaum in seinen Händen liegen.

Und dennoch: Das unternehmerische Gen ist ein weltweit beobachtbares Phänomen und wir stellen es in fast identischer Ausprägung bei Kandidatinnen und Kandidaten des Entrepreneur Of The Year rund um den Globus fest, egal aus welcher Kultur, aus welcher Region und aus welcher Branche. Immer ist da diese feine Balance zwischen Schaffenskraft und Missionsgedanke, zwischen Risikobereitschaft und Marktgespür, zwischen Kundenorientierung und Geltungsdrang, zwischen Innovationsgeist und Veränderungswillen. Das Ganze ist in der Regel bei Menschen zu finden, die von überdurchschnittlicher Energie getrieben werden, einem starken Willen sowie einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein für das, was sie für richtig und erforderlich halten.

Dieses unternehmerische Gen ist bei langjährig erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern weit sichtbar. Insofern wäre es auch im ersten Bereich des geistigen Startkapitals anzusiedeln. Aber im Gegensatz dazu, wo man geboren wird und welche Menschen einem das Leben zufügt, kann dieses Gen entwickelt, gefördert und geschult werden. Aus Neigungen zum Machen können sehr spezifisch unternehmerische Talente gefördert werden. Wir sehen das in all jenen Ländern, die ein Schul- und Bildungssystem zur Verfügung stellen, das sich nicht nur auf die Allgemeinbildung und die enzyklopädische Informationsvermittlung beschränkt, sondern intrinsische Motivation erkennt und fördert. Es kommt nicht von ungefähr, dass erfolgreiche Unternehmer eigene Akademien in ihren Firmen aufbauen, um genau diese wichtigste Ressource der Wirtschaft selbst zu entwickeln. Sie verlassen sich ungern auf die staatliche Räson und schaffen auch hier Taten und Tatsachen für den Erfolg der kommenden Generation.

Ein weiterer Umstand, der das unternehmerische Gen fördert, ergibt sich aus der direkten Verantwortung des unternehmerischen Handelns. Wir mit seinem Namen und seinem Geld für seinen Taten einstehen muss, wird stärker gezwungen sein, es zu reflektieren und den Kräften seiner Umgebung anzupassen; dem Markt, dem Kunden, dem Lieferanten und der eigenen Belegschaft. Diese Reflexion formt einen Menschen, und zwar ungemein stärker als jenen, der sich hinter der Compliance und Prozessen konzernaler Strukturen verstecken kann. Ein Wissenschaftsfeld, das noch weites Feld für Untersuchungen böte.

Es mag nach einer groben Verkürzung klingen, den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg auf drei Ursachen zu reduzieren, und das noch aus dem Fundus der profanen Volksweisheit. Aber wir sind ja zum Glück wieder in Zeiten, in denen wir uns dieses Wissens erinnern und es als robusten Erfahrungsschatz ästimieren. Genau das können wir nach 22 Jahren Entrepreneur Of The Year in der Schweiz auch tun: Ein offener Blick über 1.000 Kandidatinnen und Kandidaten und etwa 200 Finalisten und Siegern. Was wir sehen, entspricht der Formel, dass ein Drittel unseres Lebens von Geburt an vorgezeichnet ist, ein Drittel durch die Umgebung erlernt und ein Drittel selbst geschaffen wird.

Vererbtes Vermögen unternehmerisch weiterführen, macht ein grosser Teil unserer Wirtschaft aus. Und natürlich ist das ein eminent wichtiger Teil, der langjähriges Firmenwissen sichert, entwickelt und weitergibt. Aber diese Leistung ist niemals eine Einzeltat, sondern hat familiäre Tradition – ein Wissen, das Unternehmerfamilien schützen und verteidigen.

Wenn es zu unternehmerischen Einzelleistungen kommt, dann ist der Aufbau von Synergien der zentralste Baustein dieser Handlung. Das Ökosystem, das sich ein Unternehmer aufbaut, ist ein virulenter Teil seines langfristigen Erfolges. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir als Gesellschaft jene Bereiche der Wirtschaft fördern, welche unseren Gründern Nährboden für deren unternehmerische Zukunft bieten.

Fazit

Der letzte Drittel des Erfolgs liegt in jedem selbst. Es ist das unternehmerische Gen, das rund um den Globus zu finden ist, aber eben dort besonders gut gedeiht, wo Entrepreneurship gefördert wird. Wir von EY leisten dazu mit dem Entrepreneur Of The Year unseren Teil. 

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