Wo steht der Schweizer Finanzsektor in der Vorbereitung auf die IBOR-Ablösung?
Die FINMA hat beaufsichtigten Instituten aktiv Wegleitungen für die IBOR-Ablösung an die Hand gegeben. Für 2020 hatte sie ihre Erwartungen im Hinblick auf CHF-LIBOR-basierte Cash-Produkte klar formuliert. Unter anderem sollten CHF-LIBOR-Verträge ohne robuste Rückfallklauseln deutlich reduziert werden. Zwar richtete die FINMA ihre Aufsichtsmitteilungen in erster Linie an die 26 am stärksten betroffenen Institute, empfahl aber allen Banken, sie zu berücksichtigen.
Im Dezember 2020 veröffentlichte die FINMA einen Fahrplan für die LIBOR-Ablösung. Darin sind die Schritte, mit denen Beaufsichtigte und Marktteilnehmende die Umstellung reibungslos und fristgerecht bewerkstelligen können, im Detail beschrieben. Für das Jahr 2021 sieht die FINMA eine Abfolge von Fristen vor, die eine möglichst effektive Nutzung der verbleibenden Zeit bis Ende 2021 fördern sollen. Befolgen die betroffenen Parteien die Empfehlungen der FINMA, sollten sie in der Lage sein, die operationelle Bereitschaft für die Ablösung des LIBOR in CHF, EUR, GBP und JPY (für alle Laufzeiten) und in USD (für 1-Wochen- und 2-Monats-Laufzeiten) bei allen Produkttypen sicherzustellen.
Die FINMA wird die Entwicklung der an den LIBOR gebundenen Vertragsvolumen im Jahr 2021 weiterhin sorgfältig überwachen. Wo notwendig, wird sie institutsspezifische Massnahmen ergreifen, um die Risiken einer ungenügenden Vorbereitung der LIBOR-Ablösung zu begrenzen.
Worin bestehen die grössten Risiken und Herausforderungen?
Die LIBOR-Ablösung könnte ein erhebliches operationelles Risiko für beaufsichtigte Institute bergen, wenn diese sich nicht rechtzeitig und effektiv darauf vorbereiten. Bei den Schweizer Banken geben operationelle Bereitschaft, rechtliche Risiken und Bewertungsrisiken der FINMA am meisten Grund zur Sorge.
Die FINMA geht davon aus, dass selbst kleinen oder mittelgrossen Banken (Aufsichtskategorien 3 bis 5) aufgrund der LIBOR-Ablösung komplexe Anpassungen bevorstehen. Bei Banken dieser Grösse fliesst der LIBOR im Durchschnitt in zwei bis drei interne Systeme, vier bis fünf ausgelagerte Systeme und elf Berichtsgebiete ein, die auf genaue Referenzzinssätze angewiesen sind. Ohne gezielte Massnahmen werden ihre IT-Systeme – von Kernbankensystemen und Handelsplattformen bis hin zu Buchhaltungssoftware – mit alternativen Referenzzinssätzen und Rückfallklauseln kaum zurechtkommen. Nach der Umstellung könnten diese Banken demnach Schwierigkeiten haben, entsprechende Berichte richtig und rechtzeitig zu erstellen.
Technologie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umstellung vom IBOR auf alternative Referenzzinssätze. Es überrascht daher nicht, dass die FINMA frühzeitiges Handeln fordert. So empfiehlt die Aufsichtsbehörde, System- und Prozessveränderungen bis zum 30. Juni 2021 abzuschliessen. Vor einem Jahr bestanden die grössten Herausforderungen noch rund um die Frage, welche Systeme betroffen sein würden und wie diese Komplexität bewältigt werden könnte. Dieses Jahr gilt statt der Komplexität eher die Grössenordnung als grösstes Risiko. Rund die Hälfte der Befragten gaben gegenüber EY an, den Umfang und die Grössenordnung der Front-to-Back-Tests als hohes oder sehr hohes Risiko einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund gilt es, schnellstens eine Strategie, eine Führung und Massnahmen festzulegen.
Die aktive Kontaktaufnahme zu Kunden betreffend die Umstellung auf alternative Referenzzinssätze erfolgt nach wie vor eher sporadisch. Die Befragung von EY zeigt, dass die Umstellung hinter den Erwartungen zurückbleibt. Gemäss dem Fahrplan der FINMA sollten die meisten Schweizer Banken inzwischen keine Neugeschäfte mehr abschliessen, die auf dem CHF- oder EUR-LIBOR basieren, nach Ende 2021 fällig werden und keine robusten Rückfallklauseln vorweisen. Dasselbe Ziel sollte möglichst auch für GBP-, JPY- oder USD-LIBOR-basierte Neugeschäfte angestrebt werden. Banken sollten in der Lage sein, Kredite zu vergeben, die nicht auf dem CHF-, EUR-, GBP-, JPY- oder USD-LIBOR basieren. Die Schweizer Banken haben positiv reagiert. So führten viele 2020 erstmals Hypotheken auf Basis des Swiss Average Rate Overnight (SARON) ein.
Überlegungen und Empfehlungen
Wie die FINMA in ihrer Aufsichtsmitteilung 10/2020 betont, ist jetzt die Zeit zum Handeln. Schweizer Banken sollten ihre Massnahmen auf drei Kernarbeitsabläufe – Technologie, aktive Kontaktaufnahme zu Kunden und Anpassung von Verträgen – fokussieren, um Ende 2021 bereit zu sein.