A portrait of Andre Richner
In der Live-Kommunikation gibt es eigentlich keine Normalität.

André Richner

André Richner gründete 1988 die Einzelfirma Richner Blachen. 2005 schloss er diese mit der AS Print AG zur Richnerstutz AG zusammen, wovon er heute Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates ist. Als eines der führenden Schweizer Unternehmen macht Richnerstutz mit seinem Know-how für Innenraum und Architektur, für temporäre Bauten, für Events und Messebau, für Aussenwerbung und Digital Signage Kommunikation zum dreidimensionalen Erlebnis. Nach Beteiligungen an der India Zelt & Event AG 2016 und der Movingposter AG 2017 folgten 2018 die Übernahme der Netvico GmbH und 2020 der Spatenstich für den Neubau, der das ganze Unternehmen unter einem Dach in Villmergen vereinen wird. Im Zuge der Corona-Krise entwickelte Richnerstutz einen Gamechanger – das digitale Personenzählsystem CountMe.

7 Min. Lesezeit
17 Mai 2021

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Während das Coronavirus weiterhin die Schlagzeilen, die Politik und die Unternehmensagenden dominiert, beginnt sich eine neue Normalität abzuzeichnen. Die Art und Weise, wie wir die aktuellen Herausforderungen und Chancen angehen, wird den Weg für die Zukunft ebnen. André Richner ist Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates von Richnerstutz AG. Das Unternehmen hat in der Corona-Krise innert weniger Wochen ein digitales Personenzählsystem entwickelt. Im Interview erklärt er, wie es dazu kam und warum Flexibilität in herausfordernden Zeiten besonders wichtig ist.
Wie hat sich Ihr Unternehmen in der Corona-Krise verändert?

Das Unternehmen Richnerstutz steht für Schnelligkeit, Flexibilität, Ideenreichtum und Kundennähe. Das war vor der Corona-Krise so und gilt auch heute noch. Abgesehen davon hat sich natürlich einiges verändert: Der ganze Bereich Event- und Live-Kommunikation ist durch die Krise und ihre Auswirkungen weggefallen. Der Bereich Festbau litt ebenfalls unter der aussergewöhnlichen Situation – beispielsweise unsere Arbeit in Form von Grossformat-Werbung oder Out-of-Home-Werbung, die unter anderem im Retail eingesetzt wird. Hier brach der Umsatz um rund 60% ein. Es war uns also klar, dass wir etwas tun müssen. So haben wir unsere Stärken gebündelt und ein digitales Personenzählsystem entwickelt. Dank CountMe® muss heute kein Personal mehr vor einer Migros oder einem Coop stehen und von Hand zählen und aufschreiben, wie viele Personen den Laden betreten.

Sie haben in der Krise Mut zur Anpassung bewiesen. Welche Faktoren spielten zusätzlich eine Rolle für die Entwicklung Ihres Personenzählsystems?

Dieses neue Produkt entstand durch den Zusammenzug von Kompetenzen, die wir uns in den letzten Jahren angeeignet haben. Bereits vor zehn Jahren entschieden wir uns, neben der analogen Kommunikation vermehrt auch auf digitale Elemente zu setzen. Digital Signage ist hier ein Stichwort – Informationen auf der Verkaufsfläche, zum Beispiel am Messestand, digital zu unterstützen. Mit diesem über die Jahre aufgebauten Know-how, gepaart mit dem Druck der Krise und der Anpassungsfähigkeit unseres Teams, sind wir auf das digitale Personenzählsystem gekommen. Ohne die Corona-Pandemie würde es CountMe® in dieser Form heute wohl nicht geben. Denn durch die veränderte Situation und die Motivation, unseren Mitarbeitenden weiterhin eine sinnvolle Tätigkeit zu bieten, waren wir voller Tatendrang. Heute können wir stolz sagen: Wir haben in der digitalen Transformation unserer Firmengruppe innerhalb dieses COVID-19-Jahrs drei Jahre übersprungen.

Wir haben in der digitalen Transformation unserer Firmengruppe innerhalb dieses COVID-19-Jahrs drei Jahre übersprungen.
André Richner
Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates von Richnerstutz
Worin sehen Sie den Erfolg von CountMe?

Der Grundstein war sicher die Flexibilität unseres Unternehmens und die Motivation der Mitarbeitenden, aus dieser schwierigen Zeit das Beste herauszuholen. Wir haben aufs Tempo gedrückt, innerhalb kürzester Zeit das Zählsystem entwickelt und unsere bereits bestehenden Kunden angesprochen. Die Nachfrage war sehr gross und so lief es vor allem die ersten paar Wochen wie am Schnürchen. Wir schrieben Offerte nach Offerte und konnten auch neue Kunden erschliessen – in der Schweiz und auch im Ausland. Dies führte wiederum zu neuen Herausforderungen: Wir mussten investieren, ein Risiko eingehen, Material besorgen und, und, und. Ohne unser dynamisches Team und unsere Investoren, die unsere Idee mittrugen, hätten wir diese anspruchsvolle Situation nicht meistern können. Ein weiterer Schlüssel unseres Erfolgs war, dass wir das Zählsystem aus grösstenteils hauseigenen Elementen herstellten. Zudem haben unsere Mitarbeitenden die App selber programmiert. Durch die kurzen Produktionswege waren wir unseren Mitbewerbern immer einen Schritt voraus und konnten die Kunden schnell beliefern. Nach einer gewissen Zeit gab es Trittbrettfahrer und die Lage normalisierte sich wieder ein wenig.

Ohne unser dynamisches Team und unsere Investoren, die unsere Idee mittrugen, hätten wir diese anspruchsvolle Situation nicht meistern können.
André Richner
Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates von Richnerstutz
Wie hat sich die Art zu arbeiten bei Richnerstutz verändert?

Uns war schnell klar, dass wir Mitarbeitende in Kurzarbeit schicken müssen. Ich bin allerdings froh, dieses Instrument zur Verfügung gehabt zu haben, denn so mussten wir niemanden entlassen. Es gab aber auch Mitarbeitende mit gutem digitalem Grundwissen, die wir bei der Entwicklung des Zählsystems einsetzen konnten und natürlich solche, die bereits vor Corona komplett im digitalen Bereich tätig waren. Zusätzlich konnten wir auch neue Mitarbeitende einstellen, zum Beispiel Programmierende. Logischerweise haben auch einige Mitarbeitende im Homeoffice gearbeitet und das strikt durchgezogen – bis heute. Dies ist für uns allerdings nur begrenzt möglich. Unsere Mitarbeitenden in der Produktion arbeiten an Maschinen. Das geht nur vor Ort. Alles in allem kam uns aber auch hier die Flexibilität unseres Unternehmens und unserer Mitarbeitenden zugute.

Wie hat Ihnen diese Flexibilität Ihrer Mitarbeitenden in der COVID-19-Krise geholfen?

Ohne die Dynamik und Anpassungsfähigkeit unseres gesamten Teams wären wir jetzt nicht da, wo wir stehen. Wir haben innerhalb von ungefähr zwei Wochen eine Art Start-up-Firma mit neuem Produkt, neuer Produktionsstrasse und neuem Vertrieb aufgebaut. Vor der Krise waren wir quasi ausschliesslich ein Schweizer Unternehmen. Wenn man dann plötzlich international tätig wird und ein weltweites Vertriebsnetz aufbauen muss, ergeben sich viele Hürden. Was für international tätige Unternehmen Kleinigkeiten sind, wie beispielsweise die unterschiedliche Höhe der Mehrwertsteuer von Land zu Land, war für uns etwas komplett Neues. Wir mussten uns innerhalb kürzester Zeit neue Fähigkeiten aneignen und dafür braucht es Mitarbeitende, die das richtige Mindset haben und innovativ, engagiert und eben anpassungsfähig sind. Bei unseren Mitarbeitenden war diese Flexibilität gegeben.

Wir haben innerhalb von ungefähr zwei Wochen eine Art Start-up-Firma mit neuem Produkt, neuer Produktionsstrasse und neuem Vertrieb aufgebaut.
André Richner
Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates von Richnerstutz
Was bedeutet für Sie "The New Normal"?

In der Live-Kommunikation gibt es eigentlich keine Normalität. Alles ist sehr dynamisch. Der Markt und die Ansprüche der Kunden ändern sich äusserst schnell. Natürlich hat Corona einige Dinge verändert und normalisiert, wie der Aspekt des Homeoffice zeigt. Der klassische Messemarkt begann aber bereits vor Corona zusammenzufallen – diese Entwicklung gibt es schon länger. Uns war bereits vor zwei Jahren bewusst, dass hier eine Dezentralisierung stattfinden wird und die Tendenz beispielsweise mehr in Richtung von Promotionen und hybriden Events geht. Covid-19 hat diesen Trend natürlich verstärkt und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Krise?

Ich glaube, dass die Corona-Krise in vielen Aspekten ein Brandbeschleuniger war. Man hat schon länger gewusst, dass eine digitale Transformation der Live-Kommunikations-Branche stattfinden wird. Für mich ist spätestens seit Corona klar geworden, dass die Kommunikation in Zukunft noch digitaler, noch schneller und noch interaktiver sein wird. Und doch bin ich überzeugt: Der persönliche Kontakt wird beim Menschen immer im Vordergrund bleiben. Man will nicht den ganzen Tag Zoom-Sitzungen haben, man will seinem Gegenüber in die Augen schauen können und den Menschen spüren. Hier ist es wichtig, die richtige Balance zwischen analog und digital zu finden. Und wie bereits erwähnt, ist es von enormer Wichtigkeit, in einer Krise flexibel zu sein und schnell reagieren zu können. Auf der persönlichen Ebene hat mich diese Ausnahmesituation daran erinnert, dass man die wichtigen Dinge im Leben nicht für selbstverständlich halten sollte. Ich habe es zum Beispiel unglaublich genossen, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Der persönliche Kontakt wird beim Menschen immer im Vordergrund bleiben.
André Richner
Co-CEO und Präsident des Verwaltungsrates von Richnerstutz

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