4 Minuten Lesezeit 9 Nov. 2022
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Bundesgericht bestätigt Verbindlichkeit von Spesenreglementen im interkantonalen Kontext

4 Minuten Lesezeit 9 Nov. 2022

Das Bundesgericht untermauert die kantonsübergreifende Anwendung von Spesenreglementen. Spesenreglemente, die in einem Kanton genehmigt wurden, sind auch für andere Kantone verbindlich.

Überblick

  • Der Entscheid des Bundesgerichts bestätigt, dass Spesenreglemente von dem Kanton, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, zu beurteilen und zu genehmigen sind. Die Steuerbehörden der Wohnsitzkantone der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht berechtigt, die Angemessenheit der Spesen im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für die Einzelperson zu überprüfen.

Mit Entscheid vom 14. Oktober 2022 (2C_804/2021) hat das Bundesgericht festgehalten, dass vom Sitzkanton genehmigte Spesenreglemente auch für die Steuerbehörden von anderen Kantonen verbindlich sind.

Sachverhalt

Das Bundesgericht hatte den Fall eines Mitarbeiters mit Wohnsitz im Kanton Waadt zu prüfen, der für einen Arbeitgeber mit Sitz im Kanton Genf arbeitete. Der Arbeitgeber hat gestützt auf ein von der kantonalen Steuerverwaltung Genf genehmigtes Spesenreglement eine pauschale Spesenentschädigung von CHF 18'000 für die geschäftliche Nutzung des Privatfahrzeuges ausbezahlt und auf dem Lohnausweis entsprechend ausgewiesen. Dazu hat der Mitarbeiter seine Kosten für den Arbeitsweg (von ebenfalls CHF 18'000) geltend gemacht. Die Steuerverwaltung des Kantons Waadt wollte die Spesenentschädigung als steuerbares Einkommen aufrechnen und auch den Fahrkostenabzug nicht zulassen.

Erwägungen des Bundesgerichts

Bei seinen Erwägungen stützt sich das Bundesgericht vorab auf privatrechtliche Quellen, da der Begriff der Spesen im Steuerrecht nicht explizit definiert ist. So hält es fest, dass gemäss dem schweizerischen Obligationenrecht der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Kosten, die einem Arbeitnehmenden für den Einsatzweg mit dem Privatfahrzeug erwachsen, zu ersetzen. Unter dem Einsatzweg wird die Strecke zwischen dem Arbeitsort und dem Ort der Auftragserfüllung verstanden, welche im Namen und im Auftrag des Arbeitgebers zurückgelegt wird. Nach gängiger Rechtsprechung handelt es sich beim Ersatz dieser Kosten nicht um Einkommen des Arbeitnehmenden, da es zu keiner Zunahme des Nettovermögens der spesenberechtigten Person kommt. Dies kann unter Umständen bei der Entrichtung von Pauschalspesen problematisch sein, da diese nicht die tatsächlich anfallenden Kosten widerspiegeln. In diesem Fall ist eine Aufrechnung der Differenz zwischen den tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmenden und der Pauschalspesenvergütung grundsätzlich als Nebeneinkommen zu versteuern.

Diese Problematik besteht jedoch gemäss den bundesgerichtlichen Erwägungen nicht, wenn wie vorliegend ein durch die Steuerbehörde des Sitzkantons des Arbeitgebers genehmigtes (Pauchal-)Spesenreglement vorliegt. Im Veranlagungsverfahren der Einkommenssteuern des Arbeitnehmers darf die Steuerbehörde die Angemessenheit nicht mehr prüfen. Sie kann einzig noch feststellen, ob der Betrag der ausbezahlten Spesen dem Betrag der Pauschalspesen entspricht, der im Spesenreglement vorgesehen und als solcher im Lohnausweis des Betroffenen angegeben ist. Genehmigte Pauschalspesenreglemente müssen bei den individuellen Veranlagungen der Arbeitnehmenden durch Steuerbehörden vorbehaltlos akzeptiert und beachtet werden.

Wie das Bundesgericht sodann festhält, gilt dies auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer seinen Wohnort nicht im selben Kanton wie der Arbeitgeber hat. Obwohl in diesem Fall das Spesenreglement nicht von der Steuerbehörde am Wohnort des Arbeitnehmers genehmigt wurde, hat sich diese aus Treu und Glauben daran zu halten.

Würdigung

Mit diesem Entscheid bestätigt das Bundesgericht den in Ziffer 54 der Wegleitung zum Lohnausweis festgehaltenen Grundsatz, wonach vom Sitzkanton genehmigte Spesenreglemente in allen Kantonen anzuerkennen sind. Damit schiebt das Bundesgericht der Praxis einiger Kantone, sich über ausserkantonal genehmigte Spesenreglemente hinwegzusetzen, den Riegel. So gestattet beispielsweise der Kanton Solothurn Pauschalspesen für Repräsentationszwecke lediglich bis zu einem Betrag, der maximal 5 % des Bruttolohns des Empfängers entspricht. Eine allfällige Differenz, welche diesen Betrag übersteigt, wird dem Pauschalspesenbezüger durch die solothurnischen Steuerbehörden als Einkommen aufgerechnet. Diese Handhabung wird künftig nicht mehr möglich sein, da wie im Bundesgerichtsentscheid festgehalten die ausserkantonal genehmigten Pauschalspesenreglemente für sämtliche schweizerischen Steuerbehörden verbindlich sind und diese die Angemessenheit der ausgerichteten Spesen bei der Veranlagung der Mitarbeitenden nicht mehr zu prüfen haben.

Der vorliegende Entscheid stärkt deshalb nicht nur die Rechtssicherheit, er kann auch als Gewinn für die Standortattraktivität der Schweiz erachtet werden. Mit der neuen Rechtsprechung können Arbeitgeber (weiterhin) auf ihre Belegschaft massgeschneiderte Spesenregelungen treffen, um so einen Beitrag an die Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu leisten. Da die vom Arbeitgeber ausgehandelte (und von der Steuerverwaltung genehmigte) Spesenregelung in allen Kantonen steuerlich verbindlich ist, können sich Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Wohnsitz darauf verlassen.

Schliesslich leistet das Bundesgericht mit dem zur Publikation vorgesehenen Leitentscheid einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung einer Rechtszersplitterung im Zusammenhang mit genehmigten Spesenreglementen, indem es verhindert, dass Spesen bei in verschiedenen Kantonen wohnhaften Arbeitnehmern unterschiedlich behandelt werden.

Fazit

Der Entscheid des Bundesgerichts ist eine erfreuliche Verfestigung der Anwendbarkeit von Spesenreglementen über Kantone und Steuerbehörden hinweg.

Während die Steuerbehörden des Kantons, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, für die Genehmigung von Spesenreglementen zuständig sind, beschränken sich die Kompetenzen der Steuerbehörden der Wohnsitzkantone der Arbeitnehmer auf die Überprüfung der korrekten Deklaration der Spesenbeträge gemäss dem genehmigten Reglement.

Anmerkungen

Vielen Dank an Timon Guggisberg und Svea Dietrich für Ihre wertvollen Beiträge zu diesem Artikel. 

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