5 Minuten Lesezeit 14 Juni 2022
Poeple working at office

Der Wert des Lernens in der Ära der Disruption

Autoren
Christine Vogel

Partner, Change Management and Learning Leader | EY Switzerland

Christine is a Partner in EY’s People Advisory Services Practice and serves as the Swiss Workforce Advisory leader.

Peter Whealy

Partner, People Advisory Services | EY Switzerland

Peter’s focus is learning strategy and implementation, emphasizing design on solutions that improve behavior, mindset and long-term performance. In his spare time, he likes triathlon, skiing, cycling.

5 Minuten Lesezeit 14 Juni 2022

Mit der Zunahme disruptiver Kräfte sind Organisationen zu raschen Veränderungen gezwungen — und dafür benötigen sie flexible und anpassungsfähige Mitarbeitende.

Im Überblick
  • Mit der Zunahme der disruptiven Kräfte in der Welt unterziehen Organisationen ihre Strategien kontinuierlich einer Überprüfung, um ihren Wettbewerbsvorsprung zu bewahren
  • Diese disruptiven Kräfte zwingen Organisationen zu raschen Veränderungen — und dafür benötigen sie flexible und anpassungsfähige Mitarbeitende
  • Globalisierung, demografischer Wandel, Technologie, Regulierung und geopolitische Veränderungen treiben Transformationen bei den Unternehmen an, wobei Top-Talente und Lernen im Mittelpunkt des Wachstums stehen

In einer Welt, in der Cafés zu Büros werden können, Bots potenzielle Kollegen sind und neue Fähigkeiten in der Belegschaft dringend benötigt werden, stehen Unternehmen unter Druck, ihre Fortbildungsstrategien zu überdenken und neu auszurichten. Aber wie genau erreichen sie das? Werden der Wert und die Auswirkungen von Lernen höher eingeschätzt? Welche Veränderungen geschehen und welche sind geplant? Verfolgen die Geschäftsführung und die Leitung des Bereichs Lernen denselben Kurs? Um diese Fragen zu beantworten, führte das Unternehmen EY eine weltweite Studie durch mit dem Titel «Learning‘s Value in the Era of Disruption» (Der Wert des Lernens in der Ära der Disruption).

Wir befragten über 400 globale Unternehmenslenker (CXOs) und Chief Learning Officers (CLOs) aus unterschiedlichen Regionen und Branchen. Beide Gruppen beantworteten die gleichen Fragen in Bezug auf strategische Prioritäten, Investitionen, Kennzahlen und Lernkultur. Die CLOs äusserten sich zusätzlich zu Fragen zum Ablauf ihrer Lernfunktionen.

Viele Schlussfolgerungen bestätigen zwar die Erkenntnisse aus vorherigen Studien und Branchenanalysen. Allerdings liefern unsere Ergebnisse auch neue Einsichten und Chancen. So wurde beispielsweise Weiterqualifizierung als oberste Priorität für Lerninvestitionen in den nächsten drei Jahren bekräftigt. Überraschend hierbei ist möglicherweise, dass Führungsqualitäten als wichtiger angesehen werden als technische Fähigkeiten. Für eine weitere Überraschung könnte auch sorgen, dass sich die CXOs positiver zum Wert des Lernens sowie dem Umfang der Lernkultur in ihrer Organisation äussern als die CLOs.

Die Wirksamkeit des Lernens bei der Förderung strategischer Ziele

Wir haben die Umfrageteilnehmer gebeten, die Wirksamkeit des Lernens bei der Förderung von vier Kategorien an Strategiezielen zu beurteilen: Kundenorientierung, Produkt- und Dienstleistungsinnovation, operative Exzellenz sowie Branchen- und Marktdisruption.

Die CXOs schätzen bei der Förderung aller strategischen Ziele Lernen als effektiver ein als die CLOs. Beide Gruppen bescheinigen dem Lernen die beste Wirksamkeit bei der Förderung der Kundenorientierung und die geringste Effektivität als Hilfe bei der Branchen- und Marktdisruption. Die CXOs gaben sich wesentlich zuversichtlicher als die CLOs, dass die Lernfunktion in der Lage sein wird, die Branchen- und Marktdisruption in Zukunft zu unterstützen.

Belegschafts-Disruption und Mangel an Fähigkeiten

Mehr als 60% der CXOs und CLOs erwarten eine erhebliche Transformation ihrer Belegschaft als Reaktion auf Technologien wie Robotik und künstliche Intelligenz. Den Ergebnissen zufolge rechnen 30% der CXOs und 42% der CLOs damit, dass Spitzentechnologien innerhalb der nächsten 12 Monate Auswirkungen auf ihre Belegschaft haben werden. Als Lösung hierfür wurden am häufigsten die Einstellung von Mitarbeitenden mit neuen Fähigkeitsprofilen und die Weiterqualifikation der bestehenden Belegschaft genannt. Das grösste Hindernis für das Erreichen strategischer Unternehmensziele wurde in mangelnder Führung gesehen. CLOs betrachten fehlende Führungsqualitäten eher als einen Hemmschuh als CXOs (60% der CLOs verglichen mit 50% der CXOs).

Die CXOs zeigten sich bezüglich des Vermögens, einen Mangel an Fähigkeiten zu erkennen und zu beheben, optimistischer als die CLOs. Zwar sind 60% der CXOs der Ansicht, dass ihre Organisation wichtige Rollen für Wachstum identifiziert hat, jedoch glauben nur 40% der CLOs, dass diese Rollen identifiziert wurden.

Siebzig Prozent der CLOs gaben an, dass die derzeit für das Lernen bereitgestellten Mittel nicht angemessen seien, verglichen mit 37% bei den CXOs. Jedoch rechnen 58% der CXOs und 42% der CLOs in den nächsten drei Jahren mit steigenden Investitionen in das Lernen.

Bei einer Verdoppelung der Budgets wären sich CLOs und CXOs einig, in was zuerst investiert würde: die Entwicklung neuer Fähigkeiten. An zweiter Stelle der Prioritäten kämen bei den CXOs Messungen, während die CLOs der Infrastruktur Vorrang geben würden.

Messung

Die CLOs sehen die Auswirkung auf das Geschäft als die wichtigste Messgrösse für den Wert des Lernens, während die CXOs das Lernen selbst (Wissen und mehr Fähigkeiten) als die wichtigste Kennzahl betrachten. Neunundachtzig Prozent der CLOs sind der Ansicht, dass die Auswirkungen auf das Geschäft in Zukunft gemessen werden sollten, verglichen mit 53% der CXOs. Eine frühere Studie über den strategischen Wert des Lernens1 zeigte auch, dass die Unternehmensführung eher besorgt um die qualitative Neuausrichtung an die Geschäftsstrategie als die quantitative Messung der Auswirkungen war. Die CLOs würden zwar gerne die Auswirkung auf das Geschäft messen, jedoch gaben nur 34% von ihnen an, dass sie dies derzeit tun würden.

Lernkultur

Wir haben die CXOs und CLOs gebeten, ihre Organisation anhand von sieben Merkmalen zu beurteilen, die laut dem Institute for Corporate Productivity (i4cp) Unternehmen mit einer starken Lernkultur kennzeichnen: Lernen stärkt die Marke, Lernen wird als unternehmerischer Wert angepriesen, aktiver Wissensaustausch, Förderung von Talenten wird belohnt, Führungskräfte fungieren als Lehrende, gemeinsame Verantwortung und die Effektivität des Lernens wird gemessen.

Generell hatten die CXOs stärker das Gefühl als die CLOs, dass ihr Unternehmen diese Merkmale aufweist. Die von beiden Gruppen am häufigsten angeführten Merkmale waren, dass Lernen als unternehmerischer Wert angepriesen wird und dass Lernen die Marke stärkt. Der am wenigsten genannte Indikator für eine starke Lernkultur war die Messung der Effektivität des Lernens.

Fazit

In der gegenwärtigen Ära der Disruption spielt Lernen eine noch wichtigere Rolle, wenn es darum geht, die Geschäftsstrategie und die Transformation zu unterstützen. Oberste Priorität wird der Entwicklung neuer Fähigkeiten bei der Belegschaft eingeräumt. Die Herausforderung liegt hierbei darin, diese Fähigkeiten allgemein und im Zusammenhang mit den einzelnen Geschäftstätigkeit zu erfassen.

Wie sich diese Fähigkeiten in Zukunft und gegenwärtig entwickeln, wird sich auf operativer Ebene nicht radikal ändern. Fortsetzen wird sich der Übergang zu Online-, externen und modularen Inhalten. Präsenzunterricht wird zunehmend durch virtuelle Angebote abgelöst. Es wird eine stärkere technologische Integration innerhalb des Lernbereichs und zwischen Lern- und Talentmanagementsystemen erfolgen.

In Bezug auf Strategie und Lernkultur stellte diese Studie bei CXOs und CLOs eine erhebliche Diskrepanz im Verständnis des Wertes von Lernen und dem Ausmass der bestehenden Lernkultur innerhalb ihrer Organisation fest. Die CXOs sind in dieser Hinsicht positiver gestimmt als die CLOs. Die CXOs gaben sich wesentlich zuversichtlicher als die CLOs, dass die Lernfunktion in der Lage sein wird, die Branchen- und Marktdisruption in Zukunft zu unterstützen.

Zwar könnte der Optimismus der CXOs darauf zurückzuführen sein, dass sie mit den Herausforderungen und der Komplexität des Managements einer Lernfunktion weniger vertraut sind. Jedoch stellt die Zuversicht der CXOs einen Positivfaktor für die CLOs dar. Die CLOs mögen zwar realistischer sein als die CXOs. Allerdings sollten sie ihre eigenen Leistungen und die ihrer Teams stärker hervorheben.

Unterschiede bei den Antworten der CXOs und der CLOs im Rahmen dieser Studie stellen Chancen für die CLOs dar. Insbesondere sollten die CLOs noch enger mit den Geschäftsbereichen zusammenarbeiten, um wesentliche Funktionen für die Weiterqualifizierung zu bestimmen, sich auf Kennzahlen und Investitionen zu einigen und das Lernen zu einem festen Bestandteil der Kultur des Unternehmens zu machen. Der Integration der Lern- und Talentstrategie sowie der entsprechenden Systeme sollte auch bei Diskussionen und Neuausrichtungen Priorität eingeräumt werden.

Unternehmen können den zunehmenden Wert, den die Führungsebene dem Lernen beimisst, nutzen, um das Wachstum anzukurbeln und das umzusetzen, was schon immer das bewährte Verfahren im Hinblick auf das Lernen war — den Bedarf an Fähigkeiten voraussehen und den Mitarbeitenden Möglichkeiten bieten, diese Fähigkeiten möglichst effektiv und effizient zu erlangen.

Über diesen Artikel

Autoren
Christine Vogel

Partner, Change Management and Learning Leader | EY Switzerland

Christine is a Partner in EY’s People Advisory Services Practice and serves as the Swiss Workforce Advisory leader.

Peter Whealy

Partner, People Advisory Services | EY Switzerland

Peter’s focus is learning strategy and implementation, emphasizing design on solutions that improve behavior, mindset and long-term performance. In his spare time, he likes triathlon, skiing, cycling.

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