5 Minuten Lesezeit 24 September 2019
Mann sitzt am Computer und denkt nach

„An der Digitalisierung der Steuerabteilung führt kein Weg vorbei“

Von EY Deutschland

Building a better working world

5 Minuten Lesezeit 24 September 2019
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EY-Steuerfachmann Tobias Lüpke erklärt, wo die Herausforderungen, aber auch die Chancen liegen, wenn Steuerabteilungen digitalisiert werden.

An der Digitalisierung der Steuerabteilungen führt kein Weg mehr vorbei – oder vielleicht doch?

Tobias Lüpke: Grundsätzlich wird an der Digitalisierung der Steuerabteilungen kein Weg mehr vorbeiführen, und das liegt in erster Linie an der Digitalisierung der Finanzverwaltungen und der Vorgabe, Steuerdaten digital zu übermitteln und zu verarbeiten.

So setzen die Finanzbehörden ja bereits heute elektronische Formulare zur Abgabe der Steuererklärung ein oder fordern, dass Buchhaltungs- und andere relevante Daten in einem definierten elektronischen Format übermittelt werden. Diese Entwicklung wird weitergehen – bis hin zu dem Punkt, an dem die Finanzverwaltungen ohne jegliche Steuerformulare und allein auf Basis der direkt beim Unternehmen digital abgegriffenen Daten die Steuern ermitteln.

Immer mehr Länder stellen schon heute klare digitale Anforderungen an die Aufbereitung und Übertragung steuerbezogener Daten.
Tobias Lüpke
Leiter des Bereichs Markets & Business Development Tax & Law für Deutschland, Österreich, Schweiz

Jedes Unternehmen, das auf diese Entwicklung nicht vorbereitet ist, wird früher oder später große Schwierigkeiten bekommen – insbesondere dann, wenn es international aufgestellt ist. Immer mehr Länder stellen schon heute klare Anforderungen an die digitale Aufbereitung und Übertragung steuerbezogener Daten.

Und welcher Weg könnte an der Digitalisierung der Steuerabteilung vorbeiführen?

Der einzige Ausweg, daran in einem gewissen Maß vorbeizukommen, besteht darin, dass man die Steuerabteilung einschließlich aller Prozesse vollständig auslagert. Damit könnte sich das Unternehmen des Themas entledigen. Bei dieser Lösung gäbe es nur noch einen vermittelnden Steuerkoordinator. Der Vorteil würde darin bestehen, dass das Unternehmen die hohen Investitionskosten spart, die der Aufbau einer zukunftsorientierten, digitalisierten Steuerabteilung mit sich bringen würde. Auch müssten die Unternehmen keine entsprechenden Fachkräfte suchen und einstellen.

Dieser Weg des Outsourcings befreit das Unternehmen aber nicht von den grundsätzlichen Herausforderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt – beispielsweise neue, moderne Enterprise-Resource-Planning-Systeme einzuführen und unternehmensinterne Prozesse anzupassen. Diese Aufgaben verbleiben weiterhin beim Unternehmen und sollten eher heute als morgen angegangen werden. Tatsache ist, dass die Digitalisierung jede Steuerabteilung umkrempeln wird und dies sowohl für die Unternehmen als auch für die Steuerberater eine sehr große Herausforderung darstellt.

Was ist die größte Herausforderung für die Steuerabteilungen?

Die Steuerabteilungen müssen die richtigen Fachkräfte mit dem richtigen Mix für die digitale Transformation bekommen. Und das ist im Moment sehr schwierig.

Fachkräfte müssen auch mit den digitalen Technologien und Prozessen auf „Du und Du“ stehen.
Tobias Lüpke
Leiter des Bereichs Markets & Business Development Tax & Law für Deutschland, Österreich, Schweiz

Diese Fachkräfte müssen nicht allein mit den extrem vielfältigen steuerlichen Anforderungen vertraut sein, sondern auch mit den digitalen Technologien und Prozessen auf „Du und Du“ stehen. Sie müssen die hoch komplexen Daten so aufbereiten und auswerten können, dass sie für die Steuerabteilung nutzbar gemacht und eingesetzt werden können.

So haben wir herausgefunden, dass fast 90 Prozent der von uns befragten Unternehmen Schwierigkeiten haben, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Und fast ebenso viele geben an, dass ihnen die notwendigen Ressourcen fehlen, um die für sie relevanten Gesetzesänderungen und steuerlichen Vorgaben zu identifizieren und gewinnbringend zu bewerten.

Welche neuen Chancen bietet die „Steuerabteilung 4.0“ – beispielsweise im Hinblick auf die Unternehmensplanung oder auf Compliance-Themen?

Die große Chance besteht darin, Routinen auszulagern und sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren. Die Steuerabteilung 4.0 bringt mehr Transparenz und Sicherheit ins Unternehmen und mausert sich zu einem wichtigen Entscheidungsträger: Sie kann aus ihrem bisherigen Hinterzimmer hervorkommen und zeigen, dass sie bei der Steuerung des Unternehmens ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat. Sie ist somit kein Kostenfaktor, sondern ein Ertragsbringer.

Die Steuerabteilung 4.0 sorgt beispielsweise dafür, dass ein Umsatzsteuerüberhang schneller ins Unternehmen zurückfließt und damit die Liquidität steigt. Sie sagt, wo die nächste Investition stattfinden sollte, weil es dort die besten Steuerbedingungen gibt. Oder sie stellt mit der Verwendung eines digitalen Tax-Compliance-Management-Systems sicher, dass nachträgliche Steueranpassungen nicht als Steuerhinterziehung, sondern als Steuerberichtigung behandelt werden. Die moderne Steuerabteilung reduziert damit Risiken und schafft einen Mehrwert für das Unternehmen.

Wie eng hängen eine übergreifende digitale Unternehmensstrategie und die Digitalisierung der Steuerfunktionen zusammen? Und wie sieht es dabei mit der Kooperation von IT- und Steuerabteilung aus?

Beides bedingt sich gegenseitig. Zu jeder digitalen Unternehmensstrategie gehört auch eine digitale Steuerstrategie – und umgekehrt. Wenn sich ein Unternehmen für die digitale Zukunft fit machen will, muss es auch die Steuerfunktionen mit einbeziehen. Die Informationstechnologie spielt dabei eine wichtige unterstützende Funktion, und zwar sowohl für die digitale Steuer- als auch für die digitale Gesamtstrategie. Hier muss IT „Steuern“ und Steuern „IT“ lernen.

Fazit

Tobias Lüpke leitet bei EY das Markets & Business Development für den Steuer- und Rechtsbereich in der DACH-Region. Ein Schwerpunkt seiner Aufgaben besteht darin, seine Mandanten bei der Digitalisierung ihrer Steuerbereiche zu unterstützen. Als Fachanwalt für Steuerecht hat er über 20 Jahre Berufserfahrung in der Rechts- und Steuerberatung bei EY. Davon hat er mehr als zehn Jahre für EY in Russland gearbeitet und dort insbesondere mittelständische Unternehmen rechtlich- und steuerlich bei ihren Auslandsinvestitionen beraten.

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