Mitarbeiter und Unternehmenskultur
Aufgrund der großen Umstellung auf mobiles Arbeiten während der Pandemie stehen neue Formen des Arbeitens heute weiter oben auf der Agenda von Vorständen und Aufsichtsräten. Beinahe zwei Drittel (63 Prozent) der Umfrageteilnehmer gaben an, dass eine der drei am häufigsten diskutierten Fragen zum Thema Mitarbeiter und Unternehmenskultur die sei, wie es Unternehmen gelingen kann, angesichts der zunehmenden Umstellung auf mobiles Arbeiten die gewünschte Unternehmenskultur zu fördern.
Trotzdem schenken Vorstände und Aufsichtsräte den Unternehmensrisiken, die sich in Verbindung mit Unternehmenskultur und Mitarbeitern im Allgemeinen ergeben, nicht genügend Aufmerksamkeit. Dieses Versäumnis könnte sich schlussendlich sogar auf die Fähigkeit der Unternehmen zur Umsetzung ihrer Geschäftsstrategie auswirken. Weniger als ein Fünftel (17 Prozent) der Befragten meinte, dass ihr Leitungs- oder Überwachungsgremium das zur Förderung der Unternehmensstrategie erforderliche Know-how fortlaufend auf Sitzungen erörtert, mit Blick auf die Unternehmenskultur waren sogar nur 14 Prozent dieser Meinung.
Vorteile des Risikomanagements
Auch wenn Risiken in unterschiedlichsten Formen auftreten können – von wirtschaftlichen und technologischen über geopolitische bis hin zu mitarbeiterbezogenen Risiken –, betrachten Vorstände und Aufsichtsräte in EMEIA das Risikomanagement nach wie vor sehr stark aus finanzieller Sicht. Befragt nach dem größten Vorteil eines effektiven Risikomanagements nannte insgesamt fast die Hälfte (49 Prozent) der Umfrageteilnehmer die Vermeidung bzw. Minimierung direkter finanzieller Verluste, gefolgt von der Steigerung bzw. Aufrechterhaltung des Investorenvertrauens (41 Prozent) und einer schnelleren und flexibleren unternehmerischen Entscheidungsfindung (37 Prozent).
Dabei gibt es jedoch einige deutliche Unterschiede zwischen den Regionen: Über 66 Prozent der Befragten in Deutschland, Österreich und der Schweiz stuften die Vermeidung direkter finanzieller Verluste als wichtigsten Vorteil ein; in Großbritannien waren nur 44 Prozent dieser Ansicht. Für die Umfrageteilnehmer in Großbritannien ist die Steigerung und Aufrechterhaltung des Investorenvertrauens der größte Vorteil eines effektiven Risikomanagements, was den Schluss nahelegt, dass sich Unternehmen in Großbritannien stärker darauf konzentrieren, vertrauensvolle Beziehungen zu Investoren aufzubauen bzw. Risikomanagementaspekte auch Gegenstand des Investorendialogs sind.
Risiko-Governance
Der Wunsch, sich ausreichend auf neu auftretende und atypische Risiken konzentrieren zu können, stellt Leitungs- und Überwachungsgremien oft vor Herausforderungen. Auf die Frage, was ihrer Ansicht nach die Überwachung des Risikomanagements bzw. die Wirksamkeitsüberwachung durch den Aufsichtsrat verbessern würde, gaben 60 Prozent der Befragten an, sie hätten in Sitzungen gerne mehr Zeit zur Diskussion von Trends, während sich 53 Prozent Schulungen und Fortbildungen in diesem Bereich wünschten. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) würde es begrüßen, wenn neu auftretende und atypische Risiken stärker in die Berichterstattung des Vorstands einfließen würden.
Zudem herrscht eine starke Bereitschaft, im Hinblick auf das Risiko-Governance-Modell die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Gremien bzw. zwischen Vorstand und den obersten Führungsebenen zu verbessern. Beinahe drei Viertel (74 Prozent) der Befragten sind der Meinung, dass Management und Führungskräfte das Risikomanagement konsequenter und mit mehr Nachdruck in die täglichen Aktivitäten integrieren müssen. Zudem wünschen sich Gremienmitglieder in EMEIA eher als diejenigen in Süd- und Nordamerika oder Asien eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Internen Revision. Die überwältigende Mehrheit (82 Prozent) der Umfrageteilnehmer stimmt zudem der Aussage zu, dass die (ggf. freiwillige) externe Prüfung entscheidend zu einer effektiven Risiko-Governance beiträgt. Das macht deutlich, welch große Bedeutung einer unabhängigen Perspektive bei der Risikosteuerung zukommt.
Risikoberichterstattung
Aufsichtsräte in EMEIA verlassen sich in hohem Maße auf die Beurteilung marktbezogener Veränderungen und Performancerisiken durch den Vorstand. Sie vertrauen insbesondere auf die Risikoberichterstattung des Managements zu kurzfristigen Trends mit Auswirkungen auf das Unternehmen (54 Prozent), zur allgemeinen Widerstandsfähigkeit des Unternehmens (52 Prozent) und zu Auswirkungen von Risiken auf die Unternehmensleistung (49 Prozent).
Allerdings wünschen sich auch 49 Prozent der Befragten eine zukunftsweisende, vorausschauende Berichterstattung; 39 Prozent hätten gerne mehr Marktinformationen und Benchmark-Analysen zur Verfügung. Zuletzt sollten Sachverhalte immer sowohl qualitativ als auch quantitativ analysiert werden – 35 Prozent der Befragten würden es begrüßen, anstelle reiner Daten und Kennzahlen auch weiter gehende Erläuterungen zu erhalten.
Daten und Technologien
Neue Technologien, einschließlich künstlicher Intelligenz, können bessere datengestützte Erkenntnisse liefern. Zu den Risikomanagementbereichen, die vom Einsatz von Daten und Technologien besonders profitieren können, zählen die Kapitalallokation, die Identifizierung von Unstimmigkeiten in der Finanzberichterstattung, die Bewertung von Investitionen, die Risikomodellierung und die Szenarienplanung.
Derzeit schöpfen Leitungs- und Überwachungsgremien in EMEIA das Potenzial von Daten und Technologien jedoch nicht voll aus. Im Vergleich zu den entsprechenden Gremien in anderen Regionen sind sie in dieser Beziehung weniger zufrieden. Das erklärt auch, warum sie ihre Investitionen in diesen Bereichen mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten zwölf Monate intensivieren werden.
Risikomanagement-Teams in EMEIA (13 Prozent) sowie in Süd- und Nordamerika (39 Prozent) liegen zudem hinter ihren Peers im Asien-Pazifik-Raum (64 Prozent), wenn es darum geht, Szenarienplanungen auch für einen Zeithorizont von über fünf Jahren einzusetzen.
Risiken als Chance begreifen
Die heutige Risikolandschaft gestaltet sich zunehmend komplex und disruptiv. Aus diesem Grund müssen Leitungs- und Überwachungsgremien ein effektives, ganzheitliches Risikomanagement samt entsprechender Wirksamkeitsüberwachung sicherstellen, das es ihren Unternehmen ermöglicht, bestehende Werte zu schützen und zukünftigen Mehrwert zu schaffen. Es gilt also, den eigenen Risikomanagementansatz zu überdenken, um eine zu starke Fokussierung auf traditionelle Risikobereiche zu vermeiden. Stattdessen ist das Risikomanagement – sowohl aus einer langfristigen als auch aus einer kurzfristigen Perspektive – auf die künftige Geschäftsstrategie auszurichten.
Wenn dies gelingen soll, müssen neu auftretende und atypische Risiken besser überwacht, der Risikosteuerung im Rahmen der Unternehmenskultur eine größere Bedeutung beigemessen und ein technologie- und datenbasierter Risikomanagementansatz inklusive Szenarienplanung verfolgt werden. So können heutige Risiken auf eine Art und Weise überwacht und gesteuert werden, die Unternehmen auf künftige Herausforderungen vorbereitet, um Risiken nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance zu begreifen.