5 Minuten Lesezeit 20 Dezember 2019
Weltraum

Wie ein kognitives Assistenzsystem das Währungsmanagement revolutioniert

Künstliche Intelligenz (KI) hilft dabei, im Corporate Treasury die Komplexität der Finanzmärkte beherrschbar zu machen und somit bessere Entscheidungen zu treffen.

Viel wird in diesen Tagen geschrieben über die Digitalisierung im Treasury. Wenn in diesem Zusammenhang die Rede von Künstlicher Intelligenz (KI) ist, dann schwingt häufig die Nebenfrage mit, welche Arbeiten des Treasurers durch den Einsatz von KI überflüssig werden. Dies vereinfacht und verkürzt die Debatte allerdings. 

Heutzutage muss der Treasurer die Finanzrisiken des Unternehmens in einem höchst komplexen Umfeld steuern: Die Bandbreite dessen, was auf das Unternehmen und damit das Treasury einwirkt, ist unüberschaubar geworden. Da wären die unvorhersehbaren, teilweise erratischen politischen Entscheidungen und außerdem die Volatilitäts- und damit Marktpreisschwankungen von Termin- und Spotmärkten im Währungs- sowie Rohstoffbereich, welche augenscheinlich keinen finanzwirtschaftlichen Theorien mehr folgen [1]. Hinzu kommen Geschäftsmodelle im Wandel mit daraus resultierenden Änderungen im Risikoprofil und Cyberrisiken, die sowohl das eigene Unternehmen als auch die Weltwirtschaft gefährden können.

Die Bandbreite dessen, was auf das Unternehmen und damit das Treasury einwirkt, ist unüberschaubar geworden.

Modelle schließen keine Zukunftsszenarien ein

In diesem Umfeld erscheint es geradezu tollkühn, wenn Entscheider im Treasury der Meinung sind, sie könnten Sicherungsentscheidungen auf Basis eigener Erkenntnisse treffen. Selbst unter Zuhilfenahme komplexer Modelle, mit denen eine Optimierung des Währungsmanagements versprochen wird, bleibt es ein Vorwärtstasten im Dunkeln.

Wenn selbst Währungshändler von Banken mit ihren Modellen (erstellt von den „Quant-Spezialisten“ schlechthin) an die Grenzen kommen, dann schaffen (Portfolio) VaR/CfaR Modelle – insbesondere, wenn sie auf der reinen Finanzmathematik / Portfoliotheorie aufbauen – nur eine sehr indifferente Sicht auf die Wirklichkeit in der Gegenwart und Zukunft, die zudem ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermittelt [2]. Dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist, muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.

Es braucht eine Lösung, die eine große Anzahl von unterschiedlichen Parametern erfasst, sie in ein Verhältnis zueinander setzt, dann die wahrscheinlichste Marktentwicklung ermittelt und unter Berücksichtigung der eingesetzten Sicherungsmaßnahmen einen Vorschlag zur optimalen Sicherungsquote macht.

Denn was diese Modelle allesamt ausblenden bzw. überhaupt nicht leisten können, ist ein Blick auf potenzielle Zukunftsszenarien. Zumal sich die Szenarien und ihre Eintrittswahrscheinlichkeit permanent ändern. Ehrlicherweise muss man festhalten, dass es bis heute auch keine Alternativen zu der beschriebenen modellgetriebenen Vorgehensweise gab.

Warum ist es nun aber wichtig, eine belastbare Vorstellung eines wahrscheinlichen Zukunftsszenarios zu haben – hier bezogen auf den zukünftigen Wechselkurs?

Schaut man sich aktuelle Terminkurse und ihre spätere Abweichung vom Kassakurs bei Fälligkeit an, lässt sich leicht erkennen, dass die Abweichungen unterschiedliche Größenordnungen annehmen und es keine Muster gibt, auf denen sich eventuell ein erweitertes Modell aufbauen ließe. Es sind schlicht zu viele Einflussfaktoren, die direkt oder indirekt auf die tatsächliche Entwicklung des Wechselkurses einwirken. 

Die technische Basis dieser Lösung wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich in der militärischen Lagebeurteilung eingesetzt. Wer um die Bedeutung von militärischen Lagebildern weiß, kann sich die Mächtigkeit dieser Lösung vorstellen.

Als Entscheider möchte man natürlich das Optimum aus eingesetzten Hedging-Maßnahmen bei gegebenem Währungsrisiko (quantifizierte Risikoneigung) erzielen, sich also auf einer Effizienzlinie bewegen. In die Bewertung der Hedging-Maßnahmen fließen dabei nicht nur explizite Sicherungskosten in Form von stück- oder volumenabhängigen Kosten ein, sondern auch die Differenz zum Kassakurs bei Fälligkeit.

Es braucht also eine Lösung, die eine große Anzahl von unterschiedlichen Parametern erfasst, sie in ein Verhältnis zueinander setzt, dann die wahrscheinlichste Marktentwicklung ermittelt und unter Berücksichtigung der eingesetzten Sicherungsmaßnahmen einen Vorschlag zu optimalen Sicherungsquote unterbreitet. Diese Lösung gibt es. Und sie steht für das Corporate Treasury bereit.

Militärische Lagebeurteilung als Vorbild

Die technische Basis dieser Lösung wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich in der militärischen Lagebeurteilung eingesetzt. Wer um die Bedeutung von militärischen Lagebildern weiß, kann sich ihre Mächtigkeit vorstellen.

Bei der nun für Unternehmen zur Verfügung stehenden Lösung handelt es sich um ein kognitives Assistenzsystem. Über einen Datenfusionsansatz und unter Nutzung verschiedener KI-Paradigmen kombiniert das System operatives Wissen der Wirtschafts-, Finanz- und Rohstoffmärkte mit quantitativen und qualitativen Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Dieses Wissen unterstützt dann einen systematischen Entscheidungsprozess unter Unsicherheit. Es wird ein Lagebild erstellt, das die wahrscheinlichsten, aber auch die für das jeweilige Unternehmen kritischsten Marktentwicklungen abschätzt und dem Entscheider unter Berücksichtigung der Sicherungskosten optimale Sicherungsstrategien berechnet.

Das System integriert und bewertet dazu unterschiedliche ökonomische und sozioökonomische Modelle [3], u. a. des Internationalen Währungsfonds (IWF), eine Vielzahl unterschiedlichster makroökonomischer Daten (von Inflationsdaten, Konsumverhalten bis Arbeitsmarktentwicklung oder der marginalen Kapitalproduktivität) sowie geostrategische Informationen (u. a. Konflikte, Sanktionsregimes, etc.). Die erwarteten Szenarien gleicht es kontinuierlich mit klassischen Finanzmarktdaten, Nachrichtenströmen und Sensorquellen ab.

[1] Zentrales Thema ist hier, dass die Theorien zwar noch existent und auch ihre Wirkweisen durchaus noch vorhanden sind, jedoch die Effekte oft (temporär) von anderen Effekten überlagert werden, die Marktteilnehmer als wichtiger erachten. Beispiele hierzu sehen wir derzeit, wenn Fundamentaldaten zur wirtschaftlichen Entwicklung in den USA durch einen Tweet zu Sanktionen gegenüber China überlagert werden. Betrachtet man den Twitter-Feed als „Evidenz“ für eine zukünftige Fundamentalmarktentwicklung (die durch Sanktionen negativ sein wird), wirkt sich diese negative Erwartung der Wirtschaftslage konform der Theorie auf den Preis aus.

[2] „AtRisk-Ansätze“ vernachlässigen Informationen aus dem Markt, mit denen man arbeiten kann, und sie ignorieren Informationen, die auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von „black swans“ hindeuten.

[3] Die genutzten Modelle sind weniger Eingangsparameter als eher „Theoriewissen“ des Gesamtmodells, das es erlaubt, fundamentale Eingangsparameter miteinander in definierter Art und Weise in Beziehung zu setzen. Diese „latenten“ Modellparameter (d.h. nicht direkt beobachtbare Größen des Modells, die in einer bekannten Wechselwirkung zueinander stehen) werden gegen die „Observablen“ abgeglichen (z. B. tatsächliche Kursentwicklung, tatsächliche Positionierungen unterschiedliche Marktteilnehmer (z. B. Committment of Traders Reports) oder aktuelle Markteinschätzungen, die sich z. B. in den „Option-Volatility-Surfaces“ als Implied Volatility, Zeitrahmen und aktueller Assetpreis ablesen lassen). Damit lernt das System, welche Parameter aktuell von den Marktteilnehmern als wichtig eingestuft werden.

Fazit

Das Spektrum der Faktoren, die Treasurer heute bei ihren Entscheidungen einbeziehen müssen, ist unübersichtlich geworden. Bestehende Modelle zur Optimierung des Währungsmanagements stellen nur bedingt eine Hilfe dar, weil sie keine Zukunftsszenarien erstellen – doch diese sind relevant. Jetzt gibt es eine KI-basierte Lösung für das Corporate Treasury, deren Technik bei der militärischen Lagebeurteilung bereits erfolgreich angewendet wird.

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Von EY Deutschland

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