Es ist jetzt umso wichtiger, durch klare Positionierung die Investments dort zu tätigen, wo die Zukunft des Unternehmens liegen soll.
Eine Frage der Positionierung
Automobilhersteller und Zulieferer stehen vor vielen Herausforderungen. Allein die Ausrichtung auf künftige Antriebstechnologien ist komplex genug, aber bei Weitem nicht das einzige Thema, das bewältigt werden muss: Hinzu kommen autonomes Fahren, die wachsende Bedeutung von Software im Fahrzeug, Konnektivität und ein Kostendruck, der sich durch die Corona-Krise noch verschärft hat.
Dadurch wird die Frage nach einer funktionierenden Strategie für grundlegende Transformationen bei begrenzten Investitionsmitteln noch zentraler und komplexer. Es ist jetzt umso wichtiger, durch klare Positionierung die Investments dort zu tätigen, wo die Zukunft des Unternehmens liegen soll. Die Antwort darauf ist nicht für alle Unternehmen die gleiche. So ist die Elektrifizierung in der Branche zwar ein zentrales Thema, aber es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sie für das eigene Unternehmen zu übersetzen. Nicht alle Automobilhersteller bauen bei der Gestaltung nachhaltiger Mobilität allein auf vollelektrische Antriebe, sondern beziehen auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe ein.
Auch die Frage der Positionierung stellt sich an dieser Stelle und führt zwangsläufig auch zur Marke, zum Produktportfolio und zum Kundenerlebnis. Für eine ganzheitliche Strategie zur klimaneutralen Mobilität braucht es auch eine Position zu Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit der gesamten Wertschöpfungskette. Wie schnell und wie stark will ein Unternehmen hier agieren? Wie schnell sollen Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel hinsichtlich „grüner“ Stromerzeugung, dem Einkauf von Rohstoffen, dem Emissionsausstoß der Produktion oder einer geeigneten „Offsetting-Strategie“? Diese Fragen reichen auch in die Nutzungsphase hinein – zum Beispiel in Bezug auf Recycling oder Kreislaufwirtschaft. Nur mit Antworten kann ein Unternehmen seine Position im Hinblick auf die Ziele für 2030 ganzheitlich gestalten und – noch viel wichtiger – auch stringent umsetzen.
Gelingen kann diese gemeinsame Kraftanstrengung, wenn es mehr Miteinander als Gegeneinander geben wird, und wenn die Akteure ihre gemeinsamen Chancen erkennen und nutzen.
Gemeinsam mehr erreichen – Partnerschaften in der Automobilindustrie
Neben dem Pariser Klimaschutzabkommen, nationalen Regelungen zu Emissionen oder auch dem Stopp des Verbrennungsmotors bei Neuzulassungen, sind Gemeinden und Kommunen zentrale Gestalter der künftigen Mobilität. Bereits heute nehmen Kommunen zunehmenden Einfluss auf die Mobilität durch Regulatorik: City Maut und Dieseleinfahrverbote sind Beispiele dafür. Doch noch mehr als heute können Städte und Kommunen ganzheitlich Mobilität gestalten, um einen echten Beitrag zur Verminderung der Treibhausgase zu leisten. Sie haben die Hoheit über die Infrastruktur, zum Beispiel durch Flächenbewirtschaftung oder Gebühren, die die Auslastung von Straßen, Schienen, Radwegen und Parkplätzen steuern.
Kommen Energieversorger und Anbieter von Infrastrukturen mit an Bord und denken Städte und Kommunen Mobilitätsbedürfnisse ganzheitlich, dann ist ein bislang ungeahnter Schub bei diesen Themen möglich. Mit Chancen für alle Beteiligten: Bürger, Unternehmen, Städte – und für unsere Umwelt. Gelingen kann diese gemeinsame Kraftanstrengung, wenn es mehr Miteinander als Gegeneinander geben wird, und wenn die Akteure ihre gemeinsamen Chancen erkennen und nutzen.
Strategie in der Automobilbranche: vom Papier zum Plan von Paris
Die Unternehmen in der Automobilindustrie müssen viele Dinge gleichzeitig bewältigen, in hohem Tempo und mit hoher Dringlichkeit. Umso wichtiger ist es, die strategischen Entscheidungen klar auszurichten und diese in umsetzbare Pläne zu übersetzen. Beginnen wir damit, die Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Mobilität auch als strategische Chance zu betrachten, als einen Baustein der unternehmerischen Ausrichtung.
Eine Strategie auf dem Papier oder in Präsentationen ist dafür wichtig und ein erster Schritt, aber am Ende ist eine konsequente Umsetzung entscheidend. Dafür benötigen die Unternehmen der Automobilbranche noch weitaus mehr richtige Partnerschaften. Es braucht Diskurs in den Unternehmen, mit der Politik und mit geeigneten Partnern. Denn allein ist die Transformation nicht zu stemmen.
Co-Autorin: Andrea Weinberger, Director Automotive Strategy and Transactions für Deutschland, Schweiz, Österreich
Fazit
Noch nie gab es in Mobilitätsfragen so viel Dynamik und ernstzunehmenden Willen zur Veränderung wie heute. Das zeigt sich deutlich in verschärften Regularien wie CO2- Ausstoßziele, Einfahrverbote in Städte, weniger Parkplätze. Die Automobilindustrie muss darauf schnell reagieren und sich neu positionieren. Neben der Umstellung auf neue Antriebstechnik und der Anpassung an veränderte Kundenwünsche gilt es, die gesamte Wertschöpfungskette zu dekarbonsieren und Regulatorik-Ziele in umsetzbare Transformationspläne zu übersetzen. Damit dies gelingt, sollten Politik, Autohersteller, Zulieferer und Infrastrukturbetreiber gemeinsam die Veränderung vorantreiben und näher zusammenrücken.