Die Quote notleidender Kredite nimmt zu
Die Abwehr möglicher Folgen der Pandemie geschieht auf zwei Ebenen. Auf der einen werden in den nächsten Monaten die Anforderungen an die Bonität der Kreditnehmer steigen. Privatkunden, zum Beispiel Hausbauer, sollen tiefere Einblicke in ihre finanzielle Lage geben. Bei Firmenkunden gewinnen Vertragsklauseln an Gewicht, die zum Einhalten und Berichten von Kennzahlen wie Eigenkapital, Ertrag und Liquidität verpflichten. Mehr Banken als bisher werden die Darlehensvergabe auch mit ökologischen und sozialen Kriterien verknüpfen. Damit entsprechen die Geldhäuser Forderungen der EU-Taxonomie. Nach vorne rückt außerdem die Frage nach höheren Sicherheiten.
NPL
74 %der befragten Bankmanager rechnen mit einem Anstieg der NPL-Quote von bis zu 20 Prozent.
Auf der anderen Ebene steht die Überlegung der Banken, wie sie ihre eigenen Abläufe auf das erwartete wachsende Volumen an gefährdeten Krediten einstellen. Ein Schritt ist sicherlich die genaue Beobachtung des Kreditbuchs. So lassen sich Probleme früh erkennen. Aber was geschieht mit NPLs im Bestand? Existiert eine Strategie, um deren Volumen zu verringern? Der Druck nimmt zu, dies zu tun. Dafür sorgen unter anderem die regulatorischen Vorgaben der Europäischen Union wie der NPL-Backstop: Seit Ende Juni 2021 müssen Banken der Aufsicht melden, wenn ihre Risikovorsorge eine bestimmte Mindestabdeckung unterschreitet. Regulatorik und der immer wahrscheinlichere Ausfall von Krediten – es besteht doppelter Grund, das Thema NPL-Abbau auf die Agenda zu setzen.
Verkaufen von NPL ist günstiger als halten
In der Diskussion über Lösungswege haben die Institute noch nicht alle Optionen gleichermaßen auf dem Schirm. Knapp zwei Drittel der befragten Manager bevorzugt bislang den klassischen Workflow: Das Problem wird in Kooperation mit dem Kunden angegangen. Dessen Restrukturierung hat Priorität. Dieser Ansatz dürfte mutig sein. Er erfordert sowohl hauseigene Kapazitäten – personell wie technisch – als auch Kompetenzen. Ob beides für die aufwändige Bearbeitung ausreicht, wird die Praxis zeigen. Schon jetzt arbeiten die entsprechenden Abteilungen am Limit. Steigt dann noch die Zahl Covid-19-geschädigter Kreditkunden, wird es ziemlich eng werden mit der Abwicklung, zumal dieser Workflow oft manuell abläuft.
Auf längere Sicht sollte die Trennung von NPLs sinnvoll sein. Bislang scheuen viele Institute mit Rücksicht auf das Vertrauen ihrer Kunden vor einem Verkauf zurück. Lediglich 22 Prozent der für die Kreditmarktstudie Befragten können sich Portfoliotransaktionen vorstellen. Dennoch sind diese eine Alternative zur individuellen Abwicklung, weil sie unter anderem dazu beitragen, personelle Ressourcen und Aufwand zu sparen. Auch unter diesem Aspekt ist verkaufen günstiger als halten.
Die Banken sind sich einig, dass die digitale NPL-Handelsplattform der EBA eine geringe Bedeutung hat. Sie präferieren Workflows und Restrukturierung.
Um Transaktionen erfolgreich zu gestalten, implementieren vorausschauende Banken Exit-Prozesse und übernehmen diese in die Risikovorsorgestrategie. Dazu gehört auch die Abwägung, wie die Bank die notleidenden Kredite loswird. Von digitalen NPL-Marktplätzen, auf denen die Darlehen an Investoren verkauft werden, halten deutsche Bankmanager wenig. Es überzeugt sie auch nicht, dass die Europäische Bankenaufsicht (EBA) eine solche Handelsplattform eingerichtet hat. Stattdessen bevorzugen die Geldinstitute den Verkauf von Einzelengagements und Verbriefungen. Klassische Transaktionen sind für komplexe Kredite das Mittel der Wahl. Externe Unterstützung kann helfen, die jeweils passende Option für das Portfolio zu finden.
Corona als Chance zur Transformation
Mit digitalen Lösungen tut sich die deutsche Kreditwirtschaft noch schwer. Die Skepsis gegenüber NPL-Handelsplattformen ist ein Beispiel dafür. Hier liegt es vermutlich daran, dass die Plattformen nur den Verkauf standardisierter Produkte wie Bau- und Konsumentenkredite ermöglichen. Den Verzicht auf den automatischen Handel bezahlen die Institute mit einem Mehraufwand an Personal. Die Corona-Krise und die steigenden NPL-Quoten können der Digitalisierung in den Banken neuen Schwung geben. Künstliche Intelligenz bietet sich an, um Prozesse rund um die Kreditvergabe und die Bearbeitung von Darlehen stärker zu standardisieren. Von der Automatisierung wird auch das Frühwarnsystem für Problemkredite profitieren.
Automatisierte Prozesse
44 %der Befragten sehen in der Corona-Krise auch eine Chance.
Bei der digitalen Transformation besteht Nachholbedarf. Als Haupthindernis nennen 40 Prozent der Bankmanager die IT-Infrastruktur. Zwar gehörten Banken zu den ersten Branchen, die Datenverarbeitung nutzten. Die bestehenden Systeme wurden im Laufe der Jahre aber nicht erneuert, sondern lediglich weiterentwickelt. So entstand, vergleichbar einem alten Gebäude, an das immer neue Trakte angebaut wurden, eine unübersichtliche Architektur. Die IT neu aufzusetzen, kostet etwa einen dreistelligen Millionenbetrag.
Diese Investition parallel zu den erwarteten Corona-bedingten Ertragseinbußen und dem NPL-Boom zu stemmen, dürfte sehr schwierig werden. Immerhin will mehr als die Hälfte der Befragten das Kreditgeschäft transformieren. Der Schwerpunkt liegt auf privaten Baufinanzierungen sowie auf Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen. Die meisten Manager wollen den komplexen Prozess Transformation im Alleingang angehen. Zusammen mit Partnern lässt sich eine Transformation schnell und effektiv umsetzen, um so auf dem Weg zur Bank von Morgen zügig voranzukommen.
Fazit
Vorrangig beschäftigt sich die deutsche Kreditwirtschaft mit den Herausforderungen der Covid-19-Krise. Bei digitalen Lösungen, die auch bei der Abarbeitung notleidender Kredite hilfreich sind, gilt es Rückstände aufzuholen. Notwendig sind Systeme, die den Lebenszyklus eines Kredits bis zu einem möglichen Verkauf abbilden. Die Banken sollten diese Aufgaben zusammen mit Partnern lösen und ihre Position am Markt zukunftsgerichtet gestalten.