5 Minuten Lesezeit 8 November 2021

Die Nachfrage nach Kryptoanlagen bietet Chancen für Asset Manager, ihre traditionelle Produktpalette um digitale Komponenten zu erweitern.

Ausblick aus dem Büro mit Fokus auf die Gebäude

Welche neuen Chancen Kryptoanlagen dem Asset Management eröffnen

Von Steffen Hönig

Director Technology Consulting, Financial Services, EY Consulting GmbH | Deutschland

Experte für Transformationsprojekte im Asset Management mit Leidenschaft für neue Technologien. Lebt mit seiner Familie und drei Kindern nahe Frankfurt am Main.

5 Minuten Lesezeit 8 November 2021

Die Nachfrage nach Kryptoanlagen bietet Chancen für Asset Manager, ihre traditionelle Produktpalette um digitale Komponenten zu erweitern.

Überblick:

  • Welche Unterschiede bezüglich des Investmentuniversums gibt es zwischen traditionellen und digitalen Anlagen?
  • Auf welche regulatorischen Rahmenbedingungen müssen Asset Manager bei den neuen Fondstypen achten?
  • Was sind die wichtigsten Neuerungen und deren Auswirkungen bei einer Umstellung auf eine hybride Anlage-Infrastruktur?

Mit der Einführung von Kryptoanlagen erreicht die Digitalisierung der Finanzwelt die nächste Stufe. Doch zwischen traditionellem und digitalem Asset Management gibt es signifikante Unterschiede –nicht nur bei den Produktgruppen, sondern auch bei der Infrastruktur, beim regulatorischen Rahmen und in ihrem Ökosystem. Traditionelle Asset Manager können im „hybriden“ Modell in Kryptoanlagen einsteigen und damit ihr Angebot für ihre Kunden erweitern. Dies erfordert neben einer klaren strategischen Positionierung eine Erweiterung der eigenen Infrastruktur.

Das Investmentuniversum – traditionell und digital

Traditionelle Investmentfonds investieren in Wertpapiere und Renten, alternative Investments und Rohstoffe. Die Fonds werden in den sogenannten Fiat-Währungen wie beispielweise Euro und US-Dollar aufgelegt.

Abbildung 1: Traditionelles und digitales Investmentuniversum

Abbildung 1: Traditionelles und digitales Investmentuniversum

Hybride Fonds unterscheiden sich einerseits in reine Hybride Asset Fonds und andererseits in Digitale Asset Fonds. Hybride Asset Fonds sind traditionelle Fonds, die ausschließlich in Kryptowährungen investieren und über Fiatwährungen handelbar sind. Digitale Asset Fonds sind digitalisierte und somit auf der Blockchain handelbare Fonds. Einerseits können durch sie traditionelle Fonds über die Blockchain abgewickelt werden, andererseits können diese Fonds auch in digitalisierte Anlagen sowie Security und Asset-Backed Token investieren. Letztere Anlageformen werden auch Kryptoanlagen oder digitale Assets genannt. Security Token sind handelbare (Wert-)papiere, die einen Anteil an einem Vermögenswert oder Rechte in digitaler Form verbriefen. Mit Asset-Backed Token lassen sich Nutzungsrechte oder Eigentum an z.B. Immobilien, Rohstoffen, Kunstgegenständen, geistigem Eigentum oder Infrastruktur erwerben. Die Ausgestaltung ist vielfältig.

Security Token sind handelbare (Wert-)Papiere, die einen Anteil an einem Vermögenswert oder Rechte in digitaler Form verbriefen. Mit Asset-backed Token lassen sich Nutzungsrechte oder Eigentum an zum Beispiel Immobilien, Rohstoffen, Kunstgegenständen, geistigem Eigentum oder Infrastruktur erwerben. Die Ausgestaltung ist vielfältig.

Anlageinstrumente sogenannter „On-Chain“-Fonds haben in der rein digitalen Welt Utility Token und Kryptowährungen als Anlageklassen, sogenannte Decentralized Finance (DeFi) beziehungsweise Kryptofinanzprodukte. Den Finanzinstrumenten liegt die dezentrale Blockchain-Technologie zugrunde. Utility Token haben verschiedene Funktionen auf der Blockchain, sie werden beispielweise als Tauschmittel genutzt und um Zugang zu Services zu erhalten.

„On-Chain“-Fonds können unterschiedlich ausgestaltet sein. Einige Beispiele:

  • Enzyme Finance: basiert auf dem Ethereum-Protokoll, das dem Anwender die Möglichkeit bietet, benutzerdefinierte Krypto Asset Management-Vehikel zu erstellen, zu verwalten und in diese zu investieren.
  • TokenSets: Hiermit können auch Indizes auf DeFi-Werte abgebildet werden.
  • Yearn: bietet optimiertes „Yield-Farming“, das dem Investor ermöglicht, einen fixen oder variablen Zins durch Investition in den DeFi-Markt zu erhalten.

Regulatorische Rahmenbedingungen der Fondstypen und ihr Ökosystem

Traditionelle Investmentfonds sind die stark regulierten Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities (UCITS, im Deutschen als OGAW bekannt: Organismen für gemeinsame Anlage in Wertpapieren) und Alternative Investmentfonds (AIF). Asset Manager nutzen etablierte Investmentplattformen und Kommunikationsprotokolle für Handel und Verwaltung dieser Fonds. Sie richten sich sowohl an professionelle Investoren als auch private Anleger.

Hybride Fonds werden als „(Spezial-)AIF“ klassifiziert und unterliegen der klassischen Regulierung. Mit der Erweiterung des § 284 im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) durch das im Juni 2021 verabschiedete Fondsstandortgesetz (FoStoG) sind nun Kryptowerte zulässige Vermögensgegenstände für Spezial-AIF. Und durch das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWPG) ist es nunmehr möglich, Inhaberschuldverschreibungen digital zu begeben. Die MiCA (Europäische Verordnung über Märkte für Kryptowerte) tritt vermutlich Anfang 2023 in Kraft und soll europaweit für einheitliche Regeln im Umgang mit Kryptowährungen und Kryptoanlagen sorgen. Beispiel eines hybriden Fonds ist der HAIC Digital Asset Fonds, aufgelegt im Jahr 2021. Diese Fonds richten sich oft an professionelle und semi-professionelle Investoren, ihre Mindestanlage ist meist hoch und ihr Ökosystem ist noch in der Entwicklung. 

DeFi Fonds sind vollständig unreguliert, ihre Fondsstruktur ist nicht klassifiziert und sie nutzen Smart Contracts (Blockchain-Protokolle).

DeFi Fonds sind hingegen vollständig unreguliert, ihre Fondsstruktur ist nicht klassifiziert und sie nutzen Smart Contracts (Blockchain-Protokolle). 

Was sind die wichtigsten Auswirkungen auf die hybride Infrastruktur?

Die Infrastruktur des traditionellen Asset Managers muss den Anforderungen der Kryptowährungen und Security Token sowie Asset-backed Tokens gerecht werden. In der traditionellen Welt übernimmt die Verwahrstelle im Auftrag der Vermögensverwalter die komplette Zahlung und Abwicklung am Markt. Die Depotbank nutzt ihr CSD-Netzwerk (Central Securities Depository, dt. Zentralverwahrer), um verschiedene Wertpapiere im gewünschten Markt abzurechnen. Dieser Prozess entfällt in der Kryptowelt, wodurch der gesamte Abwicklungsprozess schneller und effizienter ablaufen kann.

Abbildung 2: Auswirkungen der Anlage in Kryptoassets auf die Infrastruktur

Abbildung 2: Auswirkungen der Anlage in Kryptoassets auf die Infrastruktur

Für den Handel von Kryptowerten wird eine Anbindung an eine Tokenisierung/Krypto-Handelsplattform und Krypto-Datenprovider (1) sowie an eine lizensierte Verwahrstelle (4) benötigt. In Deutschland ist seit dem letzten Jahr die Verwahrung von Kryptowährungen lizenzpflichtig bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zudem gibt es die Möglichkeit, Kryptowährungen an der regulierten Börse zu erwerben, was das Risiko für den Asset Manager verringert. Die interne IT des Asset Managers muss bezüglich neuer Datenfelder und Front to Back Flows erweitert werden. Governance- und Risikoprozesse müssen an die neuen Assetklassen angepasst werden (3). Drittparteienprozesse und Datenflüsse müssen definiert und implementiert werden (2). Darüber hinaus sind rechtliche, regulatorische und steuerliche Rahmenbedingungen zu beachten (5).

Wohin soll die Blockchain-Reise gehen?

Am Anfang stehen die Analyse der Kundenanforderungen, die potenzielle Erweiterung des Produktportfolios und digitaler Vertriebsmöglichkeiten sowie die sich daraus ergebende Definition der Strategie und Positionierung. Verschiedene Szenarien können in einer Vorstudie erprobt werden:

  • wie sich der Handel elektronischer Wertpapiere (zum Beispiel Inhaberschuldverschreibungen) und tokenisierter Assets (zum Beispiel Immobilien, Anleihen) auswirkt
  • wie sich der Handel von Kryptowährungen auf existierende Fonds und/oder die Auflage eines reinen Kryptowährungsfonds auswirkt
  • sowie die Möglichkeit, die Auflage eines tokenisierten Fonds zu analysieren.

Grundsätzlich ist eine Betrachtung und Bewertung der Blockchain-Technologie entlang der Wertschöpfungskette nicht nur für die oben genannten Szenarien sinnvoll. Als relativ neue Technologie kann sie unter Umständen auch alte Systeme und Kommunikationswege ablösen und ein höheres Automatisierungspotenzial realisieren.

Die Frage nach der künftigen Aufstellung bedingt eigene Überlegungen zum Operating Model und der IT-Infrastruktur. Damit verbunden sind auch Überlegungen zum Ökosystem und zu den Partnern. Der momentane Fokus liegt hier auf den notwendigen Anpassungen am aktuellen Setup, aber langfristig auch auf den weitreichenden Änderungen, die das DeFi-Universum mit sich bringt.

  • Co-Autor: Evelyn Scheller

    Evelyn Scheller ist Managerin bei EY und Diplom-Kauffrau. Sie verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung in der Beratung von Asset Managern in den Bereichen IT-Transformation und Front-Office-Systeme.

Fazit

Asset Manager, die sich in die Kryptowelt vorwagen, können eine Brücke zwischen dem alten und neuen Investmentuniversum für ihre Anleger bauen. Gerade Krypto-Fonds können viele Probleme, wie beispielsweise die hohe Volatilität einzelner digitaler Assets, lösen. Kryptoprodukte haben ein großes Potenzial und können das Portfolio bereichern sowie helfen, es zukünftig weiter zu diversifizieren.

Über diesen Artikel

Von Steffen Hönig

Director Technology Consulting, Financial Services, EY Consulting GmbH | Deutschland

Experte für Transformationsprojekte im Asset Management mit Leidenschaft für neue Technologien. Lebt mit seiner Familie und drei Kindern nahe Frankfurt am Main.