6 Minuten Lesezeit 16 März 2021
Abstrakte Big Data-Illustration

Sechs Hürden auf dem Weg zum datenbasierten Unternehmen

Von Carina Schöllmann

Partnerin in der Technologie-Beratung, EY Consulting GmbH I Deutschland

Ist eine unternehmerisch denkende und international erfahrene Data & Analytics-Beraterin. Sorgt für erfolgreiche Transformationen. Liebt ihre Heimat Bremen, segelt gerne und spielt Squash.

6 Minuten Lesezeit 16 März 2021

Unternehmen erkennen, dass sie ihre Entscheidungen auf Daten stützen müssen. Der Weg zum Data-Driven Enterprise bietet einige Stolperfallen.

Überblick
  • Um sich fit für die Zukunft zu machen, sollten Unternehmen eine Datenstrategie etablieren, statt überwiegend Bauchentscheidungen zu treffen
  • Sechs Stolperfallen pflastern den Weg zum datengetriebenen Unternehmen – gute Vorbereitung und Weitsicht führen an ihnen vorbei.

Fast jedes Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) hat heute verstanden, dass der Schlüssel zum zukünftigen Erfolg maßgeblich von der richtigen Datennutzung abhängt. Bei einem datengesteuerten Unternehmen lösen faktenbasierte Entscheidungen die heute noch häufig getroffenen Bauchentscheidungen ab. Entscheidungen werden damit begründbar und nachvollziehbar. Subjektive Wahrnehmungen haben so weniger Einfluss.

Aber allein darüber, welche Datenquellen und Bearbeitungstechnologien dafür erforderlich sind, herrscht in Unternehmen oft Uneinigkeit. Jeder Fachbereich hat seine eigenen Vorstellungen und Ideen, die unternehmensweite Gesamtsicht bleibt oft aus. Im globalen Kontext kommen Unsicherheiten über den Umgang mit Daten hinzu, denn es fehlt eine einheitliche Definition, was Daten eigentlich genau sind. Die Folge ist ein diffuser Aktionismus: Unternehmen investieren zum Teil erheblich in Datenwissenschaftler, -labore, spezialisierte -tools und ähnliches mehr. Trotz großer Anstrengungen bleiben die erhofften Fortschritte für die Geschäftsentwicklung bislang aber oft aus.

Was steht einer erfolgreichen Datenstrategie noch im Weg?

Häufig sind tiefe verwurzelte Kulturkämpfe in Unternehmen eine Hauptursache: Ein eher konservatives Lager plädiert dafür, Datenschätze aus den klassischen ERP-, CRM- und sonstigen IT-Systemen konsequenter zu heben. Progressivere Kräfte streiten für die Einbeziehung von externen Datenquellen – zum Beispiel aus sozialen Medien oder Open Data Sources – und die Nutzung moderner Technologien wie Big-Data-Analysen und Künstliche Intelligenz (KI). In diesem Zwist bleibt das Wesentliche unbeachtet, nämlich eine konkrete Strategie, wie Daten gewinnorientiert und effizient genutzt werden können. Ein gezielter Verfahrensplan, wie wirklich relevantes Wissen aus Daten herausgearbeitet werden kann, bleibt auf der Strecke. Im Einzelnen sind es sechs Punkte, die einer erfolgreichen Datenstrategie heute entgegenstehen.

1. Zu wenige Business-getriebene Use Cases

Einer der grundlegenden Fehler in Unternehmen ist die Konzentration auf das technisch Mögliche, anstatt auf das geschäftlich Sinnvolle. Es bringt nichts, in moderne KI-/Machine Learning-, Automatisierungs- und IoT-Technologien zu investieren, wenn unklar bleibt, wie die damit neu gewinnbaren Daten im Sinne der Performance-Verbesserung für das Geschäft genutzt werden können.

An erster Stelle steht also die klare Definition von Business-getriebenen Use Cases für die Datenverwertung. Dazu gehören auch geeignete Key Performance Indikatoren (KPIs), um Erfolge konkret messen zu können. Die Schlüsselfrage lautet: Was will ich wissen oder erreichen und welche Daten brauche ich dazu? Eine gute Vision für einen Business Use Case beginnt mit der Zukunft im Kopf und einem gewissen Pragmatismus im Hier und Jetzt. Wenn der Spagat zwischen Zukunftsfähigkeit und aktuellen Erfolgen gelingt, ist schon ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung getan.

Eine gute Vision für einen Business Use Case beginnt mit der Zukunft im Kopf und einem gewissen Pragmatismus im Hier und Jetzt.
Carina Schöllmann
Partnerin in der Technologie-Beratung, EY Consulting GmbH I Deutschland

2. Mangelhafte Datenbasis

Ein Use Case kann nur funktionieren, wenn die dafür erforderlichen Daten in ausreichender Detailtiefe und Qualität vorliegen. Hierbei bringt der Mix von Daten aus mehreren Bereichen häufig die besten Ergebnisse. Gerade in Fachbereichen wird das gerne übersehen. Ein Beispiel aus der Industrie ist die vorausschauende Wartung von Anlagen und Maschinen (Predictive Maintenance), die durch die Kombination von beispielweisen Maschinen- oder sensorgestützten Daten mit Ersatzteilbeständen, Ressourcenplanungen sowie Umweltdaten hierbei die besten Erkenntnisse bringt. Erfolgreich umgesetzt lässt sich mit diesem Use Case sehr viel Geld sparen, denn teure Ausfälle können damit weitgehend vermieden werden oder sogar neue daten-getriebene Geschäftsmodelle etabliert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass genügend solide Daten aus der Historie der Anlagen oder Maschinen zur Verfügung stehen und dass sie sinnvoll aufbereitet sind. Das erfordert klare Prozesse, Standards und Verantwortlichkeiten.

3. Technologie-Wildwuchs bei den Datenanalyse-Plattformen

In vielen Unternehmen ist die technische Basis für die Datenanalyse aus einzelnen Fachbereich-spezifischen Use Cases gewachsen. Im Laufe der Zeit hat das zu einem Wildwuchs an Technologien geführt. Betrieb und Pflege der unterschiedlichen Insellösungen werden mehr und mehr zum belastenden Kostenfaktor.

Der Markt bietet heute eine gute Auswahl an ausgereiften Plattformen, die über skalierbare Funktionen zur Integration, Speicherung, Transformation, Analyse und Präsentation von Daten verfügen. Sie erlauben mit modernen Business-Intelligence- und KI-unterstützten Analytik-Funktionen je nach Ausprägung eine Nutzung durch weniger erfahrene Mitarbeitende und bieten zeitgleich die Freiheiten, die die Data Scientists und IT-Experten suchen. Darüber hinaus unterstützen sie viele Use Cases gleichzeitig und ihr Betrieb ist nicht nur erheblich wirtschaftlicher als das Modell mit zahlreichen Insellösungen – eine einheitliche Technologiegrundlage erleichtert auch die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und das Teilen der Daten und Analyse-Erkenntnissen sowie die Wiederverwendbarkeit von Analysen und Algorithmen.

4. Unzureichende Motivation zur Mitarbeit und Unterstützung

Ein ähnliches Problem wie bei den Datenanalyse-Plattformen gibt es oft auch bei den Daten selbst: Auch sie werden in unterschiedlichen Abteilungen generiert beziehungsweise von dort bezogen – andere Abteilungen wissen wenig über ihren Ursprung und Zustand. Die Folge ist eine gewisse Skepsis der potenziellen Datenkonsumenten gegenüber abteilungsfremden Daten und eine geringe Bereitschaft, diese zu nutzen. Im Gegenzug gibt es seitens der daten-bereitstellenden Einheiten oft eine Abneigung den benötigten Aufwand in Aufbereitung, Pflege und Beschreibung von Daten ohne erkennbaren Nutzen oder Transparenz über die weitere Datenverwendung zu investieren.

An dieser Stelle sind Transparenz und offene Kommunikation wichtig, aber auch die Entwicklung von unternehmensspezifischen Anreizsystemen. Am Ende sind es immer Menschen und nicht Maschinen, welche die Erkenntnisse aus Daten nutzen. Und wenn diese Menschen den Daten vertrauen und sie zielführend einsetzen können, ist das auch im Sinne des Unternehmens.

5. Daten-Organisation statt Daten-Bürokratie

Die Länder der DACH-Region gelten als Organisationsweltmeister – oft auch Bürokratieweltmeister. Das ist bei der Organisation von Daten nicht anders. Tatsächlich ist ein gesunder Pragmatismus im Umgang mit Daten bei zeitgleicher Einhaltung gesetzlicher und regulatorischer Anforderungen empfehlenswert. Ansonsten ist die Frustration der Mitarbeitenden hier vorprogrammiert und die effektive Datennutzung ausgebremst.

Unternehmen, die Daten erfolgreich für sich nutzen möchten, müssen daher auch aus prozessualer und organisatorischer Sicht die Wege frei machen. Weniger ist hier ganz klar oft mehr. Sowohl auf technischer Ebene als auch bei der Gewinnung und Organisation der Daten ersetzt idealerweise ein unternehmensweiter Ansatz das Silo-Denken.

6. Rechtliche und regulatorische Hindernisse

Viele Unternehmen unterschätzen nach wie vor die rechtlichen und regulatorischen Aspekte im Umgang mit Daten – zum Teil mit fatalen Folgen. Wenn es um personenbezogene Daten geht, bestraft der Gesetzgeber Nachlässigkeiten seit Einführung der GDPR/DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) mit hohen Bußgeldern. Der Bußgeldkatalog der DSGVO sieht Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro vor. Die Aufsichtsbehörde darf aber auch Bußgelder von bis zu vier Prozent des weltweit erzielten Jahresumsatzes des letzten Geschäftsjahres verhängen.

Unternehmen müssen sich stärker als bisher mit dem rechtlichen und regulatorischen Umfeld ihrer Daten beschäftigen.
Carina Schöllmann
Partnerin in der Technologie-Beratung, EY Consulting GmbH I Deutschland

Für bestimmte Unternehmenstypen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, etwa das Finanz- und Versicherungswesen, gelten weitere spezifische rechtliche und regulatorische Vorgaben. Was Datenschätze aus Forschung & Entwicklung, Konstruktion etc. angeht, müssen die Unternehmen in der Regel selbst für adäquate Schutzmaßnahmen und rechtliche Absicherung sorgen. Ansonsten könnte etwa ein Datenklau dazu führen, dass eigene Entwicklungsergebnisse von einem Konkurrenzunternehmen monetarisiert werden. Während öffentlichkeitswirksame Urteile auf Basis der DSGVO inzwischen bei vielen Organisationen zu erhöhter Wachsamkeit bei personenbezogenen Daten geführt haben, findet man beim Schutz anderer wertvoller Daten erschreckend oft noch riesige Lücken vor.

Unternehmen müssen sich stärker als bisher mit dem rechtlichen und regulatorischen Umfeld ihrer Daten beschäftigen – von der Generierung, über die organisationsinterne Nutzung bis hin zur Monetarisierung.

Der Weg zum datengetriebenen Unternehmen führt über einen umfassenden Ansatz und eine holistische Datenstrategie.
Carina Schöllmann
Partnerin in der Technologie-Beratung, EY Consulting GmbH I Deutschland

Der Weg zum datengetriebenen Unternehmen führt über einen umfassenden Ansatz und eine holistische Datenstrategie. Wer die etablierten Datensilos hinter sich lässt, kann auch ganz neue Use Cases in Angriff nehmen, die auf Basis isolierter Daten- und Technikpools nicht denkbar waren. Voraussetzung ist, sich auch auf gedanklicher Ebene von altbekannten Schubladen und Abläufen frei zu machen. Eine nachhaltige Datenstrategie entsteht idealerweise nicht allein am Reißbrett. Die Entwicklung sollte parallel immer wieder mit ausgewählten Use Cases praktisch begleitet werden. Das bringt Sicherheit und überzeugt durch regelmäßige Erfolgserlebnisse auch Skeptiker und Skeptikerinnen.

Co-Autor: Gino Liguori

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Fazit

Der Weg zum datenbasierten Unternehmen ist ein komplexer Prozess. Es geht um Use Cases, Datenpools, Technologien, Kommunikation, Organisation und rechtliche Aspekte. Die Kunst besteht darin, alle Faktoren im Sinne des Unternehmens bestmöglich in Einklang zu bringen. Auch wenn das praktisch in kleinen Schritten in einzelnen Abteilungen geschieht, sollte ein ganzheitlicher Unternehmensansatz immer im Blickfeld sein.

Über diesen Artikel

Von Carina Schöllmann

Partnerin in der Technologie-Beratung, EY Consulting GmbH I Deutschland

Ist eine unternehmerisch denkende und international erfahrene Data & Analytics-Beraterin. Sorgt für erfolgreiche Transformationen. Liebt ihre Heimat Bremen, segelt gerne und spielt Squash.