Mehr digitale Gesundheitsanwendungen für mehr Anwendungsbereiche
Derzeit sind 30 digitale Gesundheitsanwendungen im DiGA-Verzeichnis gelistet (Stand 30.03.2022), insgesamt gingen bisher 126 Anträge auf Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein, von denen 20 in Bearbeitung sind. 66 wurden wieder zurückgezogen. Dies ist an sich kein schlechtes Zeichen, sondern geht auf die Beratungsrunden zurück, in denen Lücken oder Mängel beim Antrag festgestellt werden. Abgänge aus einmal im Verzeichnis gelisteten DiGAs gibt es bisher nur eine: Der Hersteller der DiGA Mika – die Fosanis GmbH – gab bekannt, dass Mika vorübergehend aus dem Verzeichnis gestrichen wird, um weitere Studienergebnisse einzubringen und damit eine dauerhafte Listung zu erreichen. Somit wird Mika mehrere Monate nicht im DiGA-Verzeichnis zu finden sein.
Grundsätzlich wird zwischen „vorläufiger“ und „dauerhafter“ Aufnahme in das Verzeichnis unterschieden: Während der Vorläufigkeit muss der Wirksamkeitsnachweis der DiGA noch erbracht werden, bei den dauerhaften Einträgen ist dies bereits erfolgt. Von den 30 eingetragenen DiGAs werden bereits zehn dauerhaft gelistet.
Mit der steigenden Anzahl erweitert sich auch das Portfolio der Anwendungsbereiche. Neben neuen DiGAs in den bereits abgedeckten Kategorien „Psyche“ und „Muskel-Skelett-System“ sind nach ICD-10 (der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation WHO) DiGAs in den bisher nicht abgedeckten Bereichen „Verdauung“, „Urogenitalkrankheiten“ und „sonstige Krankheitsbilder“ hinzugekommen. Wie eingangs beschrieben hat „Psyche“ mit 40 Prozent den größten Marktanteil, der allerdings im vergangenen Halbjahr um 10 Prozentpunkte sank. DiGAs werden also nicht nur häufiger, sondern auch vielfältiger gebraucht. Von insgesamt 17 Patientengruppen decken DiGAs bisher zehn ab, was für viel Potenzial spricht, das noch erschlossen werden will.
Höchstspreismechanismus für DiGAs: Funktion und Folgen
Knapp 450 Euro beträgt momentan der Durchschnittspreis für eine DiGA für eine reguläre Anwendung über 90 Tage. Er ist im vergangenen Halbjahr um knapp 9 Prozent gestiegen, was damit zusammenhängen könnte, dass sich die Festlegung des Höchstpreismechanismus abzeichnete und Hersteller bis dahin noch möglichst hohe Umsätze zu generieren versuchten – und die Messlatte für künftige Höchstpreise möglichst weit oben ansetzen wollten. Denn der Mechanismus für eine DiGA greift erst ein Jahr nach ihrer Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis oder alternativ nach der Ausgabe von 2.000 Codes.
Die Preisbildung von DiGAs kritisiert der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) bereits seit längerem. Schließlich seien im Vergleich zu Arzneimitteln die Zulassungsvoraussetzungen deutlich geringer, außerdem stünden sie in keinem Verhältnis zu ärztlichen und nichtärztlichen analogen GKV-Leistungen. Der Höchstpreismechanismus vom vergangenen Dezember ist der zwischen GKV-Spitzenverband und DiGA-Herstellerverbänden geschlossene Kompromiss. Er umfasst im Wesentlichen folgende Bestimmungen:
- Jede gelistete DiGA wird einerseits nach Patientengruppe (ICD-10) und andererseits nach medizinischem Nutzen und patientenrelevanter Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung (pSVV) unterteilt, woraus 34 Peergroups entstehen.
- Der Höchstpreis tritt erst in Kraft, wenn mindestens zwei DiGAs einer Peergroup angehören.
- Bei vier oder mehr DiGAs in einer Peergroup ändert sich die Berechnungsgrundlage.
- Für vorläufig gelistete DiGAs einer Peergroup gilt ein um 20 Prozent niedrigerer Höchstpreis.
- Alle sechs Monate wird eine Anpassung der Höchstpreise durch Neuberechnung vorgenommen.
Berechnungen und Szenarien zufolge, die im Whitepaper „DiGA Marktupdate“ erarbeitet wurden, ergeben sich aus der Höchstpreisregelung keine gravierenden Auswirkungen auf die Umsätze. Der Durchschnittspreis von DiGAs wird sich in den kommenden Jahren mutmaßlich auf unter 400 Euro einpendeln.
Wer sollte die Entwicklung von DiGAs jetzt nutzen und auf welche Weise?
Die Hochrechnungen liefern hinsichtlich der Steigerung des Marktvolumens sowohl beim Basisszenario (+57 Prozent Wachstum pro Jahr) als auch beim Wachstumsszenario (+119 Prozent Wachstum pro Jahr) vielversprechende Zahlen. Für Investoren ein Anlass, sich neben der Entwicklung des vergangenen Halbjahres die Prognosen genauer anzusehen. Aufgrund von erhöhten Anforderungen an die Datensicherheit, die auf Hersteller von DiGAs zukommen, steigen damit für sie zwar auch die Kosten, aber sie brauchen wiederum keine Umsatzeinbrüche durch stark sinkende Preise zu befürchten und können vorzugsweise die Peergroups bespielen, die noch nicht besetzt sind.
Erfahrung macht sich ganz offensichtlich bezahlt: Wer den Zulassungszyklus einmal durchlaufen hat, vollzieht den Prozess beim nächsten Mal schneller. Unternehmen werden vielleicht neue Geschäftsmodelle wie „DiGA Builder“ entwerfen. Krankenkassen haben durch den Höchstpreismechanismus stabile Leitplanken für die Budgetplanung und können sich im Zuge der aktuellen Entwicklung um individuelle Vereinbarungen mit Herstellern bemühen. Denn eines ist sicher: Die Nachfrage nach digitalen Gesundheitsanwendungen wird steigen. Einer repräsentativen EY-Befragung vom Januar 2022 zufolge sind etwa 10,5 Millionen gesetzlich Versicherte bereit, DiGAs zu nutzen.
Fazit
Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist jung, wächst aber stetig. Das zeigen Bewertung und Analyse des „DiGA Marktupdate“ von EY. Die neu beschlossene Höchstpreisbremse schafft Planbarkeit für Hersteller, Krankenkassen – und auch für Investoren. DiGAs werden sich hinsichtlich der Anwendungsfälle verbreitern, sich als Teil der Gesundheitsversorgung etablieren und das Marktvolumen in den kommenden Jahren deutlich ausbauen.