Wenn am Ende ein SSC aufgebaut ist und dennoch weiterhin mit dem eigenen Verwaltungspersonal und den ursprünglichen Prozessen gearbeitet wird, kann es seinen Zweck kaum erfüllen und seine Stärken nicht ausspielen.
Wichtig ist, die Attraktivität eines SSC unter verschiedenen Aspekten transparent darzustellen. Ob Qualitäts- oder Kostenverbesserung: Die Vorteile müssen auf der Hand liegen und die neuen Strukturen von allen Beteiligten akzeptiert und befürwortet werden. Ein wichtiger Teil des Change- und Stakeholder-Managements ist, alle mitzunehmen – und nicht mitzuschleifen. Denn wenn am Ende ein Center aufgebaut ist und dennoch weiterhin mit dem eigenen Verwaltungspersonal und den ursprünglichen Prozessen gearbeitet wird, kann es seinen Zweck kaum erfüllen und seine Stärken nicht ausspielen.
Von der Machbarkeit bis zur Implementierung
Viele Unternehmen haben ihre Supportfunktionen bereits in ein SSC ausgelagert und optimieren diese in regelmäßigen Abständen schrittweise, andere stehen noch ganz am Anfang. In letzterem Fall wird das Vorhaben ganzheitlich betrachtet und vorab der Status quo in einer Machbarkeitsstudie eruiert: Welche Gesellschaften haben welche Funktionen? Welche Supportfunktionen befinden sich wo und wie viele Mitarbeiter sind ihnen jeweils mit welchen Aufgaben zugeordnet? Aus dieser Basisarbeit können die jeweils passenden Optionen abgeleitet werden. Unter Umständen ist es sinnvoll, dass SSC an einen bereits bestehenden Standort mitanzugliedern. In anderen Fällen kann das Aufsetzen eines virtuellen Netzwerks als Center ausreichend sein.
Bei der Suche nach einem geeigneten Standort fließen zahlreiche Kriterien ein, darunter beispielsweise die erforderliche Sprache. In Portugal decken SSC zum Beispiel Südamerika ab, speziell Brasilien, wo auch Portugiesisch gesprochen wird. In den polnischen Städten Breslau und Lodz sind SSC elementare Wirtschaftsfaktoren, weil sich aufgrund der Nähe zu Deutschland hier viele von ihnen angesiedelt haben. Einerseits gewährleisten solche Hotspots zwar, dass dort – der wichtigste Aspekt – ausreichend Arbeitskräfte verfügbar sind, andererseits ist der Markt dadurch auch umkämpfter und Personal entsprechend teurer. Prinzipiell hilft es daher, auch für neue Standorte offen zu sein, an denen die infrastrukturellen Bedingungen stimmen.
Nachdem der passende Standort gefunden wurde, beginnt die Design-Phase. In dieser wird festgelegt, welche Gesellschaften, Funktionen und Prozesse integriert und angeschlossen werden sollen. Außerdem werden die Steuerung sowie die Berichtslinien definiert. Das SSC bekommt sozusagen auf dem Papier eine Unternehmensstruktur.
Wer parallel beispielsweise noch ein großes IT-Projekt zu stemmen hat, sollte dieses besser erst zum Abschluss bringen – und dann in ein neues SSC auch nicht gleich zehn Funktionen gleichzeitig integrieren, sondern mit einer anfangen.
Diese wird dann in die Realität von der Suche nach adäquaten Büroimmobilien bis zur Schulung neuer Mitarbeiter umgesetzt – die Phase der Implementierung. Dazu gehört die Einführung neuer, standardisierte Prozesse und digitaler Tools. Das gesteckte Ziel von weniger Kosten und mehr Effektivität rückt in greifbare Nähe.
Eine der wichtigsten Schlüsselerfahrungen ist, dass Unternehmen sich nicht zu viel Transformation auf einmal zumuten sollten. Wer parallel beispielsweise noch ein großes IT-Projekt zu stemmen hat, sollte dieses besser erst zum Abschluss bringen – und dann in ein neues SSC auch nicht gleich zehn Funktionen gleichzeitig integrieren, sondern mit einer anfangen. Denn wenn diese sich erst als funktional erweist, ist der schrittweise Ausbau leichter und damit effizienter. Das zeigt sich bei den Unternehmen, die ihre SSC optimieren, meistens in Bezug auf die Digitalisierung und/oder zusätzliche Aufgaben. Einige übertragen inzwischen sogar Teile eines Projektmanagements dorthin oder greifen bei Zukäufen auf die Ressourcen des SSC zurück.
Warum jetzt ein guter Zeitpunkt für Shared Services ist
Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen einen großen Digitalisierungs-Nachholbedarf aufgedeckt. Das haben auch einige Unternehmen des Mittelstands zwangsläufig gespürt, vor allem jene, die noch in papierlastigen Prozessen verhaftet sind. Ein Grund hierfür ist oft, dass der Fokus über Jahre auf einwandfrei aufgestellte Produktionsprozesse gerichtet war. Jetzt rückt das Thema der Verwaltungsfunktion stärker in den Vordergrund. Denn die wirtschaftliche Entwicklung ist derzeit nur schwer vorhersehbar. Daraus erwächst der Wunsch, die Kosten zu optimieren und so auch Kapital für Investitionen freizusetzen. Wenn Verwaltungskosten im Vergleich zum Wettbewerb deutlich höher liegen, ist das ein Anlass für Shared Services; je nach Ausgangssituation und dem gewählten Prozess sind nachhaltige Kostenverbesserungen von 30 bis 50 Prozent keine Seltenheit.
COVID-19 hat gezeigt, dass die meisten Unternehmen mit SSC flexibler reagieren konnten als die mit klassischen Verwaltungsstrukturen, weil die Digitalisierung in den Prozessen einen höheren Reifegrad aufweist und auch die Remote-Arbeit meist bereits in die Arbeitsplätze implementiert ist.
Shared Services bietet Unternehmen des gehobenen Mittelstands die große Chance, die Digitalisierung im Unternehmen stark voranzutreiben. Sie können die Center-Strukturen dafür nutzen, einheitliche Regelungen und Maßnahmen digitaler Nutzung in den einzelnen Funktionen festzulegen, was in der Folge auch ein einheitliches Management der Steuerung abbildet. Dabei sollte das SSC als Einheit betrachtet werden, auch aus sich selbst heraus: Es ist nicht die verlängerte Werkbank für die Ablage, sondern die Abteilung, die die Digitalisierung in den Supportfunktionen des Unternehmens vorantreibt, die Gesellschaften flexibler macht und allen die Arbeit erleichtert.
Fazit
Konzerne nutzen Shared Services seit langem. Doch auch für Unternehmen des gehobenen Mittelstands bieten sie viel Potenzial, um vor allem Verwaltungsprozesse zu standardisieren, zu bündeln und zu digitalisieren. Das steigert Effizienz und Effektivität und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit. Shared Service Center können zum Antreiber der Digitalisierung in einem Unternehmen werden.