Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann erklärt, wie die Welt mit unterschiedlichen Krisen umgeht und wie sie krisenfester werden kann.
Zwei Dinge haben die Corona-Krise und der Klimawandel mindestens gemein: Ihre Auswirkungen sind wirtschaftlich wie gesellschaftlich verheerend und sie betreffen die ganze Welt. Im Interview vergleicht Prof. Dr. Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich, den Umgang der internationalen Gemeinschaft mit unterschiedlichen Krisentypen und erklärt, wie Krisenfestigkeit erreicht werden kann.
EY: Weder das Platzen der Dotcom-Blase 2001/2002, die Finanzkrise 2007/2008, noch der Extremsommer 2018, geschweige denn die Corona-Pandemie wurden von den maßgeblichen Entscheidern in Wirtschaft und Politik antizipiert. Weshalb ist das so?
Tobias Straumann: Wir werden immer wieder überrascht, weil die Geschichte grundsätzlich unberechenbar ist. Wir gehen immer davon aus, dass die Zukunft die Verlängerung der Vergangenheit ist, und in der Regel stimmt das auch. Aber eben nicht immer.
Gibt es grundsätzliche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten bei der Risikowahrnehmung von Dekarbonisierung und Klima auf der einen und Pandemien auf der anderen Seite?
Eindeutig. Pandemien sind wie Erdbeben kurzfristige Erschütterungen, die sich zeitlich schwer prognostizieren lassen, aber mit großer Sicherheit immer wieder ereignen können. Sie sind auch zeitlich begrenzt. Die negativen Folgen des Klimawandels sind hingegen schleichend und tendenziell unumkehrbar, selbst wenn wir die Ziele der Klimakonferenzen erreichen würden. Entsprechend ist es viel schwieriger, die Unterstützung der Bevölkerung für einschneidende Maßnahmen zu gewinnen.