5 Minuten Lesezeit 29 April 2020
Rechtsanwältin berät Ihre Mandantin

Was Unternehmen nach dem Lockdown rechtlich beachten müssen

5 Minuten Lesezeit 29 April 2020
Verwandte Themen Rechtsberatung

Die Corona-Krise verändert den Alltag nachhaltig. Unternehmen sollten sich rechtlich und strategisch auf die neue Normalität vorbereiten.

Das Coronavirus hat eine Vielzahl von Unternehmen in eine folgenschwere Krise gestürzt – operativ, strategisch, aber auch finanziell. Infolge des Lockdowns sind Absatzmärkte weggebrochen, Lieferketten wurden unterbrochen. Für Unternehmen bedeuten diese und andere Folgen des Lockdowns, dass Einnahmen ausbleiben. Gleichzeitig müssen eigene Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber Dritten bedient werden. Es entstehen Liquiditätsprobleme. Die Leitung eines Unternehmens trifft in diesem Zusammenhang die Pflicht, für ein angemessenes Business Continuity Management Sorge zu tragen. Sie muss Konzepte entwickeln und konkrete Maßnahmen treffen, um die Geschäftstätigkeit in der Zeit des Lockdowns und danach fortzuführen. 

Es ist daher bereits jetzt an der Zeit, durch den Nebel der Unsicherheit zu blicken und sich auf die neue Normalität einzustellen. Allem voran muss die Frage im Mittelpunkt stehen: Wie kann ich die Liquidität des Unternehmens langfristig sichern und welche Maßnahmen sind zu treffen, um mein Unternehmen auf Kurs zu halten?

Corona-Krise: Wie Unternehmen den Motor wieder ins Laufen bringen

  • Auf Strategieebene muss geprüft werden, inwieweit das bisherige Geschäftsmodell an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen und ob eine Restrukturierung oder Reorganisation des Unternehmens notwendig ist.
  • Operativ gilt es, Geschäftsprozesse und Lieferketten wieder aufzunehmen, zu sichern oder neu aufzubauen.
  • Gleichzeitig ist die Finanzierung und die Liquidität des Unternehmens – auch unter Berücksichtigung staatlicher Hilfen – sicherzustellen.·   

Einige rechtliche Neuerungen

Rechtlich gesehen gibt es dabei für Unternehmen einige Neuerungen zu beachten: So sind insbesondere das COVID-19-Abmilderungsgesetz und das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WStFG) zu berücksichtigen. Beide sind am 28. März 2020 in Kraft getreten und bringen eine Reihe gesetzlicher Änderungen mit sich, die Erleichterungen für Unternehmen im Rahmen der Umsetzung von Maßnahmen bedeuten. 

Das COVID-19-Abmilderungsgesetz enthält in diesem Zusammenhang unter anderem zeitlich bis zum 30. September 2020 befristete zivilrechtliche Leistungsverweigerungsrechte (Moratorien) für Ansprüche aus Verträgen, die vor dem 8. März 2020 begründet wurden und derzeit wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht erfüllt werden können. Im gleichen Zug wird das Kündigungsrecht von Vermietern aufgrund von Mietschulden aus dem Zeitraum 1. April bis 30. September 2020 eingeschränkt. Für Zahlungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit Gelddarlehensverträgen wird eine gesetzliche Stundungsregelung nebst Kündigungsschutz eingeführt. Außerdem werden gesellschaftsrechtliche Erleichterungen bei der Durchführung von Hauptversammlungen bei Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Europäischen Gesellschaften (SE) sowie von Mitgliederversammlungen bei Genossenschaften und Vereinen durch das COVID-19- Abmilderungsgesetz getroffen.

Stabilisierungs- und Rekapitalisierungsmaßnahmen sowie Kredite

Wirtschaftsstabilisierungsfonds

600 Mrd. €

beträgt das Volumen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes.

Mit dem WStFG wurde unter anderem der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes errichtet. Dieser hat ein Volumen von insgesamt 600 Milliarden Euro und soll vor allem mit drei Instrumenten größere Unternehmen der Realwirtschaft (keine Finanzinstitute) sowie bestimmte für die Sicherheit oder die Wirtschaft bedeutsame Unternehmen (§ 55 AWV) für einen begrenzten Zeitraum durch sogenannte Stabilisierungsmaßnahmen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und zur Stärkung der Eigenkapitalbasis finanziell unterstützen. Die Unterstützung reicht von Garantieerklärungen zur Besicherung, über Kreditgewährungen zur Refinanzierung von KfW-Sonderprogrammen bis hin zu direkten Rekapitalisierungsmaßnahmen.

Im Rahmen der Garantieerklärungen wird der WFS ermächtigt, Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro für in der Zeit vom 28. März 2020 bis zum 31.Dezember 2021 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen abzugeben. Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten soll dabei 60 Monate nicht übersteigen. Zur Refinanzierung von KfW-Sonderprogrammen durch neue Kreditvergaben sind im WFS weitere 100 Milliarden Euro vorgesehen.

Beteiligung durch den Staat

Darüber hinaus stehen für direkte Rekapitalisierungsmaßnahmen Mittel in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Kapitalstärkung zur Verfügung, um die Solvenz von Unternehmen sicherzustellen. In diesem Rahmen kann sich der Wirtschaftsstabilisierungsfonds an Unternehmen durch folgende Maßnahmen beteiligen: 

  • Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen oder
  • Erwerb von Anteilen an Unternehmen sowie
  • Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals betroffener Unternehmen.

Um antragsberechtigten Unternehmen die schnelle Umsetzung der Instrumente aus dem WSF zu ermöglichen, sieht das WStFG diverse gesellschaftsrechtliche Änderungen vor. Hierzu zählen:

  • Erleichterungen bei Kapitalmaßnahmen (insbes. Kapitalerhöhungen) von AG, SE und KGaA
  • Beschlussfassungen der Hauptversammlung zur Durchführung einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen und Schaffung eines genehmigten Kapitals (Mehrheitserfordernisse und Wirksamkeitsvoraussetzungen)
  • die besondere Ausgestaltung neuer Aktien (u. a. Gewinnvorzug) und deren Rückumwandlung in einfache Stammaktien
  • ein vereinfachter Bezugsrechtsausschluss
  • Erleichterungen für die Beschlussfassung bei GmbH, GmbH & Co. KG und KG
  • Erleichterungen für die Errichtung stiller Gesellschaften sowie für die Ausgabe von Genussrechten und Schuldverschreibungen an den WSF

Zu beachten ist, dass die Stabilisierungsmaßnahmen auch an Auflagen geknüpft werden können wie beispielsweise an die Höhe der Organvergütung oder von Dividendenausschüttungen. Die Einzelheiten werden durch die Rechtsverordnung geregelt.

Flankierende Änderungen ergeben sich auch für weitere Gesetze wie den Ausschluss von Informations-, Mitteilungs- und Anzeigepflichten nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), dem Kreditwesengesetz (KWG) und dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Ergänzend werden gesetzlich Befreiungen von bestimmten Pflichten nach dem Wertpapierübernahmegesetz (WpÜG) und der Verzicht auf die unmittelbare Börsenzulassung neu emittierter Aktien geregelt.

Fakt ist: Die Stabilisierungsmaßnahmen des Gesetzgebers können große Unternehmen dabei unterstützen, die finanziellen Einbußen abzufedern. Für die Unternehmen, die nicht die genannten Kriterien erfüllen oder zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen, bestehen ferner bundesrechtliche und landesrechtliche Fördermöglichkeiten.

Restrukturierung und Reorganisation

In Krisenzeiten wie diesen werden Unternehmen auch ihr Geschäftsmodell überprüfen. Insbesondere Mischkonzerne und international tätige Unternehmen müssen entscheiden, in welchen Geschäftsbereichen Verluste erwirtschaftet werden und in welchen Bereichen Potenziale für die Nachkrisenphase liegen. Je nach Bewertung bieten sich Reorganisationen des Konzerns oder Restrukturierungen von Unternehmen an. M&A-Tätigkeiten, Carve outs und nationale wie internationale Umwandlungen werden die Folge dieser Entwicklung sein.

Lieferkettenmanagement

Der Stillstand weltweiter Lieferketten hat den Unternehmen in Deutschland deutlich gezeigt, welche Auswirkungen die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern oder Herstellungsländern auf die eigene Supply Chain hat. Mit Blick auf die Krise sollten Unternehmen prüfen, inwieweit zukünftig alternative Zuliefermöglichkeiten bestehen, ob sie zum Beispiel weiterhin Güter aus China beziehen wollen oder ob eine Produktionsmöglichkeit in Europa eine Alternative oder eine Reserve zur Mindestauslastung darstellt. Bei der Änderung der Lieferketten ist zu beachten, dass nicht nur neue Routen und Lieferwege entstehen können, sondern diese auch Auswirkungen auf die Vertragspraxis und die steuerliche Behandlung der Warenströme vor allem mit Blick auf die Verrechnungspreise haben können.

Fazit

Auch wenn niemand genau sagen kann, wie lange die Corona-Krise andauern wird, müssen sich Unternehmen bereits jetzt zu ihrer zukünftigen Ausrichtung positionieren und ihre Liquidität sicherstellen. Dabei sind die Maßnahmen des Gesetzgebers zu berücksichtigen und bestehende Geschäftsmodelle zu prüfen.

Über diesen Artikel