6 Minuten Lesezeit 25 Februar 2022
Dame beim Schlittschuhlaufen

CSRD: Warum grüne Transformation jetzt wichtiger ist als Optimierung

Von Daniel Eisenhuth

EMBA, Partner EY Sustainability, Strategy and Transactions, Valuation, Modelling & Economics, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Weitsichtiger Analytiker, der strategische Entscheidungen mit belastbaren Daten untermauert. Familienmensch, der sein Handeln an den zukünftigen Generationen ausrichtet.

6 Minuten Lesezeit 25 Februar 2022

Im Zuge der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden künftig auch klimabezogene Szenarien von Unternehmen bewertet.

Überblick
  • Die Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Unternehmen steigen. Dazu gehört auch eine belastbare, transparente Berichterstattung über ihre Aktivitäten. 
  • Die EU hat dafür die standardisierte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eingeführt.
  • Die neue Transparenz stellt Unternehmen vor die Frage nach ihrem Transformationsbedarf.

Ein großes Ziel lässt sich erreichen, wenn möglichst viele Beteiligte mit hohem Einsatz daran mitwirken. Grüne Transformation wird gelingen, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam agieren. Dekarbonisierung, Energiewende und eine effiziente Kreislaufwirtschaft sind Teile eines großen Ziels, dem sich die Wirtschaftswelt stellt. Sie sind Bausteine für ein nachhaltiges Gesamtsystem, um die Klimaziele zu erreichen, die nicht nur national und kontinental, sondern auch global verbindlich festgehalten sind – vom Green Deal und dem „Fit for 55“-Paket der EU bis hin zum Pariser Klimaabkommen.

Seit 2014 fordert die EU mit ihrer Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) von großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ein jährliches Reporting über deren Nachhaltigkeitsaktivitäten ein. Unter der eingeführten „doppelten Wesentlichkeitsperspektive“ („double materiality“) sollen dabei unter anderem die Auswirkungen auf das Unternehmen selbst wie auch auf die Umwelt formuliert werden. Allerdings funktioniert die Berichterstattung bisher nur bedingt.

Während sich einige Unternehmen dem Thema Nachhaltigkeit glaubhaft verpflichtet haben, gibt es noch zahlreiche andere, die zu einer schlechten Bilanz der NFRD beitragen: Zu wenig Aktivität und zu wenige transparente Informationen – in diesem Tenor bemängeln Investoren und Stakeholder das Gesamtbild der bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bisher überprüft keine Instanz die Menge und Richtigkeit der Angaben, sodass glänzende Marketingbroschüren nachhaltige Inhalte verkaufen konnten, die am Ende als „Greenwashing“ entlarvt wurden. 

Der Klimawandel schafft eine neue Realität, der sich Gesellschaft und Politik stellen müssen. Durch geändertes Konsumverhalten, Regularien und Zielvorgaben setzen Gesellschaft und Politik die Wirtschaft unter Handlungsdruck. Wer sich dem zu entziehen versucht, verliert an Reputation – auch am Kapitalmarkt.

Dem setzt die EU mit ihrer Überarbeitung der NFRD nun etwas entgegen: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie bezieht künftig alle großen Unternehmen ab einem gewissen finanziellen Volumen und mit mehr als 250 Beschäftigen ein. Die Regelung soll ab 2024 gelten und schließt somit das Geschäftsjahr 2023 ein. Das bedeutet für Deutschland: Rund 15.000 Unternehmen mehr unterliegen der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Offenlegung der Informationen erfolgt künftig im Lagebericht, nach festgelegten Kriterien und Standards, die Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsaktivitäten auf Anhieb miteinander vergleichbar machen. Gleichzeitig geht mit der neuen Richtlinie erstmals eine Prüfungspflicht einher, die gewährleisten soll, dass die Angaben auch der Wahrheit entsprechen.

Echte Transformation oder nur Optimierung?

Ein Ruck geht durch die Unternehmenslandschaft: Der Klimawandel schafft eine neue Realität, der sich Gesellschaft und Politik stellen müssen. Durch geändertes Konsumverhalten, Regularien und Zielvorgaben setzen Gesellschaft und Politik die Wirtschaft unter Handlungsdruck. Wer sich dem zu entziehen versucht, verliert an Reputation – auch am Kapitalmarkt. Sind Verlautbarungen aus der Politik zu hören, dass das Tempo in vielen Bereichen der Transformation noch angezogen werden müsse, deutet das auf eines hin: Der Druck wird zukünftig steigen.

Unternehmensführungen reagieren auf Neuigkeiten wie die CSRD oftmals mit Argwohn und Ablehnung: noch mehr Regeln, die erfüllt werden sollen, noch mehr Auflagen, die das Unternehmen vor teure und schwierige Herausforderungen und Entscheidungen stellen. Der Anreiz, hier aktiv zu werden, war bisher nicht sonderlich groß. Denn Investitionen in eine nachhaltige Zukunft sind meist mit hohen Summen verbunden, die sich erst auf lange Sicht auszahlen. Häufig wurden deshalb Projekte umgesetzt, bei denen dies schnell und einfach möglich war, ohne den Cashflow zu sehr negativ zu berühren. Doch das hat nichts mit den notwendigen Transformationen zu tun.

Nachhaltigkeit ist heute das A und O der Unternehmensstrategie. Unternehmen müssen sich die Frage stellen: „Transformieren wir schon oder optimieren wir noch?“ In der richtigen Antwort stecken Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Mehrwert. Kurzum: Nachhaltigkeit sichert Zukunft, wirtschaftlich wie ökologisch.

Das Blatt hat sich gewendet: In der CSRD wird erstmals konkretisiert, wie sich Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen umsetzen lassen. Notwendig wird das in den Bereichen Strategie, Implementierung und Performance Measurement (Kennzahlensystem) sein. Zusammengenommen zeigt das: Nachhaltigkeit ist heute das A und O der Unternehmensstrategie, Unternehmen müssen sich die Frage stellen: „Transformieren wir schon oder optimieren wir noch?“ Denn Transformation bringt Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Mehrwert. Nur so lässt sich mit Nachhaltigkeit die Zukunft des Unternehmens sichern ­– wirtschaftlich wie ökologisch.

Wer nicht transformiert, trägt größere Risiken

Zukunft darf nicht abschrecken, sondern muss strategisch gestaltet werden. Das funktioniert im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung mit einem 3-Phasen-Modell: In der „Scan“-Phase wird der Status quo analysiert, also Potenzial und Schwachpunkte herausgearbeitet. Aus den Schwachstellen werden in der „Focus“-Phase gezielt Prioritäten und Ziele abgeleitet, die schließlich in der „Act“-Phase umgesetzt werden. In die drei Phasen sind alle Faktoren eingebunden, die für das Wachstum eines Unternehmens relevant sind. Dazu gehören Risiken, Chancen, die finanzielle Wirkung sowie das Monitoring und die Perspektive.

Mögliche Risiken und Folgen für Unternehmen, die eine Transformation gar nicht oder nur wenig ambitioniert vorantreiben:

  • höhere Zahlungen für CO2-Zertifikate
  • Verlust an Glaubwürdigkeit und negative Auswirkungen auf die Reputation
  • keine Aufnahme in oder Ausschluss aus Fonds
  • Verlust von Kunden, Zulieferern und (Klein-)Anlegern
  • schlechte Finanzierungsmöglichkeiten
  • weniger (oder keine) Investoren

Es wird klar: Wer nicht transformiert, riskiert – und zwar, dass er früher oder später vom Markt verschwindet. Die Erkenntnis sollte keine Angst schüren, sondern vielmehr die Frage aufwerfen, wie sich sowohl für das Unternehmen selbst als auch mit Blick auf die gesellschaftliche Perspektive Mehrwert erzeugen lässt. Dafür wird die Entwicklung „klimabezogener Szenarien“ benötigt, die einem Unternehmen Chancen und Risiken aufzeigen und alle Bereiche unter die Lupe nehmen  von der Produktion bis hin zu den Produkten, vom Geschäftsmodell bis hin zur Governance. So liegen am Ende konkrete Transformationsoptionen vor, die den Weg zu größtmöglicher Nachhaltigkeit ebnen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse einer unternehmensspezifischen Klimaszenarioanalyse ist künftig gefordert, um die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf den Klimawandel beurteilen zu können.

Zu den Beurteilungspunkten gehören beispielsweise die folgenden:

  • effizientere Logistik und Transport
  • Nutzung erneuerbarer Energien
  • Nutzung neuer Technologien
  • Recycling und Kreislaufwirtschaft
  • energieeffiziente Gebäude
  • Reduktion des Wasserverbrauchs
  • Standorte von Produktionsanlagen (zum Beispiel Stichwort Flutgefahr)

Höhere Transparenz schafft endlich Klarheit

Die Transformation kann die Umstellung ganzer Produktionsprozesse bedeuten und damit einhergehend auch hohe Investitionen in neue Anlagen und Maschinen. Es dauert, bis sich diese Investitionen amortisieren. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen von der Produktion über die Produktentwicklung bis hin zur Markterschließung und IT-Transformationen erfolgen. Vorstände müssen mehr und umfangreicher in die Zukunft planen, außerdem müssen Firmen die Transformationsaktivitäten parallel angehen. Die Transformation ist ein komplexes Unterfangen und jede einzelne Aktivität an sich stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für Unternehmen dar.

Im Zweifelsfall gehen die unternehmerischen Maßnahmen der Transformation über das vorgeschriebene Maß hinaus. Denn es zeichnet sich ab, dass den bisherigen Regularien weitere folgen werden, um die Zielvorgaben zum Klimaschutz einhalten zu können.

Es ist für Unternehmen wichtiger denn je, kein Flickwerk zu betreiben, sondern ausgehend vom Vorstand bis zur Mitarbeiterschaft eine zielorientierte Nachhaltigkeitsstrategie zu implementieren, umzusetzen und diese Leistung dann selbstbewusst zu veröffentlichen.

Für viele Unternehmen wird es eine Herausforderung, etwas Belastbares über ihre nachhaltigen Aktivitäten zu berichten. Aus formaler Sicht des Jahresabschlusses ist es legitim, im Lagebericht zu vermerken, wenn in diesem Punkt bislang nichts unternommen wurde. Allerdings wird die neue Transparenz die Untätigkeit künftig in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Wenn andere Unternehmen öffentlich dokumentiert besser abschneiden, schadet das dem geringen oder gar nicht nachhaltigen Unternehmen. Nicht nur der eigene Ruf kann darunter leiden, sondern auch der Ruf von Stakeholdern und Geldgebern. Sie werden entsprechend reagieren. Darum ist es für Unternehmen wichtiger denn je, kein Flickwerk zu betreiben, sondern ausgehend vom Vorstand bis zur Mitarbeiterschaft eine zielorientierte Nachhaltigkeitsstrategie zu implementieren, umzusetzen und diese Leistung dann selbstbewusst zu veröffentlichen. Zukünftig werden transparente Informationen zur Nachhaltigkeit für jedes Unternehmen selbstverständlich sein und sich in der Unternehmenskultur etabliert haben. Je früher ein Unternehmen den Transformationsprozess einleitet und der Mitteilungspflicht nachkommt, desto größer werden sein Vorsprung und sein Renommee sein – ein Vorteil für Mensch und Umwelt, ein großer Vorteil für das Unternehmen. 

Co-Autor: Mario Terborg

Silhouette Business Travellers

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Nachhaltigkeit ist der Imperativ für erfolgreiche Unternehmen im 21. Jahrhundert. Wir helfen Unternehmen dabei, das passende Nachhaltigkeitskonzept zu finden: über alle Branchen- und Fachabteilungen hinweg.

ESG Readiness Assessment

Fazit

Eine nachhaltige Wirtschaft kann es nur geben, wenn sich möglichst viele Beteiligte mit dem gleichen Engagement und zu gleichen Bedingungen einbringen. Die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fordert hier Leistungsnachweise ein, die Unternehmen gleichzeitig als Mehrwert für sich und die Gesellschaft erbringen können – sofern sie auch bereit sind zur Transformation.

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Von Daniel Eisenhuth

EMBA, Partner EY Sustainability, Strategy and Transactions, Valuation, Modelling & Economics, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Weitsichtiger Analytiker, der strategische Entscheidungen mit belastbaren Daten untermauert. Familienmensch, der sein Handeln an den zukünftigen Generationen ausrichtet.