4 Minuten Lesezeit 20 Januar 2021
Junge Gruppe von Teenagern Aktivisten demonstrieren gegen die globale Erwärmung

Wie Joe Biden die USA zum Vorreiter im Klimaschutz machen will

Rückkehr zum Paris-Abkommen, Dekarbonisierung der Industrie, Green Jobs statt Big Oil – Klima-Politik wird in den USA wieder zur Chefsache.

Überblick
  • Präsident Joe Biden und die Demokraten haben mit der Mehrheit in beiden Kongresskammern die Chance, ihre ambitionierte Klima-Agenda voranzutreiben. Kosten: zwei Billionen US-Dollar.
  • Schon im Wahlkampf interpretierte Biden Klimaschutz breit: mit konsequenten Emissionszielen, Ideen für benachteiligte Communities und Wachstum durch Green Jobs.
  • Geführt vom neuen „Klima-Zar“ John Kerry sollen Experten in Ministerien von Verkehr bis Verteidigung den Kampf gegen die Klimakrise orchestrieren. 

Vier Jahre Präsidentschaft von Donald Trump sind Geschichte. Wie auf etlichen anderen Gebieten auch haben die Vereinigten Staaten in dieser Zeit zu Umwelt und Klima widersprüchliche Signale an die Welt gesendet. Während etwa neue Schürf- und Fracking-Rechte sowie die Aushöhlung der Umweltschutzbehörde EPA für die harsche Abkehr von Barack Obamas Umweltschutzpolitik stehen, bewiesen Ankündigungen wie jene von Los Angeles, 100 Prozent Elektrofahrzeuge bis 2050 vorzuschreiben, das Festhalten an ehrgeizigen Umweltschutzzielen.

Die Kluft zwischen dem Trumpschen Rollback und dem unverminderten Elan einzelner Bundesstaaten und Städte zeigte sich besonders bei der Regulierung der US-Automobilindustrie: Die Trump-Regierung in Washington wetterte gegen die von Obama vorgeschriebenen Effizienzsteigerungen beim Benzinverbrauch und sprach sich für schwächere Maßnahmen aus. Doch angeführt von Kalifornien wollten über 20 Bundesstaaten nicht mitziehen und beharrten auf der ursprünglichen Flottenverbrauchs-Senkung von jährlich fünf Prozent, wodurch die Hersteller in die Zwickmühle gerieten. Riskierten sie einen öffentlichen Konflikt mit Trump oder nahmen sie hin, dass der US-Markt faktisch in zwei Teile zerfiel? Am Ende setzte sich Trump durch und die Unternehmen mussten bangen, ob sie dadurch an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen würden. 

Mit diesen Widersprüchen soll es nun ein Ende haben.

Nachhaltige Gesetze statt schnelllebiger Dekrete

Joe Biden hat die Wahl mit einem eindeutigen Votum der Wähler gewonnen. Weil die Demokraten auch für mindestens zwei Jahre beide Kammern des Kongresses führen, bleibt dem neuen US-Präsidenten ein wichtiges Fenster, um Maßnahmen auf Bundesebene durchzusetzen. Währenddessen muss er nicht wie zuletzt Barack Obama gegen eine republikanische Blockade im Senat ankämpfen und kann statt den leichter umkehrbaren Exekutivordern Gesetze im Kongress verabschieden. 

Vieles spricht dafür, dass die Klimaagenda der Biden-Regierung die anspruchsvollste sein wird, die je von den Vereinigten Staaten vorangetrieben wurde. Sein Plan soll in vier Jahren rund zwei Billionen US-Dollar kosten. 

Vieles spricht dabei dafür, dass die Klimaagenda der Biden-Regierung die anspruchsvollste sein wird, die je von den Vereinigten Staaten vorangetrieben wurde. Sein Plan soll in vier Jahren rund zwei Billionen US-Dollar kosten. Kein Präsident vor ihm hatte je so ehrgeizige Ziele, keiner hat Klimapolitik so breit gedacht, keiner hat auf so viele versierte Experten gesetzt. Schon im Wahlkampf hatte Biden häufiger als je zuvor ein Kandidat der beiden großen Parteien über Umweltschutz und Klimawandel gesprochen.

Nach seinem Wahlsieg brachte Biden die Klimakrise nicht nur in seinen Gesprächen mit internationalen Gratulanten sogleich aufs Tapet, auch im Inneren hat er bereits stärker umrissen, wie er das Thema angehen möchte. So will er die Emissionen deutlich senken, die historisch besonders von Umweltverschmutzung betroffenen Schwarzen- und Latino-Communities stärker einbinden und in der Wirtschaftspolitik klar auf die Jobs der Green Economy setzen. Bis 2035 soll der Energiesektor klimaneutral werden, bis 2050 das ganze Land dieses Ziel der „Net-Zero Emissions“ erfüllen.

Als erstes Symbol seiner Bemühungen will Biden die USA zum Amtsantritt wieder in das Pariser Klimaschutzabkommen zurückführen. Auch die Verwaltung selbst soll mitziehen: Klimaschutz wird künftig Teil jeder Behördenstrategie sein, keine Ausschreibung soll künftig ohne Bewertung von Umweltaspekten vergeben werden.

Klimaschutz wird umfassend verankert

Diese Ziele schlagen sich deutlich in Bidens Personalpolitik nieder: Der einstige Außenminister John Kerry wird zum „Climate Envoy“, einer Art Klimaminister mit nationalen und internationalen Aufgaben, die einstige EPA-Chefin Gina McCarthy führt als „Climate Coordinator“ die Klimabemühungen aller Ministerien zusammen, und Brenda Mallory, eine Expertin für Umweltrecht, soll als „Environmental Quality Chair“ dafür sorgen, dass die konkret betroffenen Bevölkerungsgruppen stärker beim Bau von Pipelines, Straßen und anderen umweltsensiblen Projekten eingebunden werden. Dieses Team ist nur die Speerspitze einer das gesamte Kabinett durchziehenden Strategie: Neben dem Umwelt- und Energieministerium soll es auch bei den „Secretaries“ genannten Ministern für Finanzen, Verkehr und sogar in der Verteidigung neue Posten mit Umweltbezug geben. Das Signal: Klimawandel wird als weltweit zentrales Thema der kommenden Jahrzehnte verstanden.

Bevölkerung und Wirtschaft tragen das Thema mit

Biden und sein Team folgen mit diesen Ideen einem breiten gesellschaftlichen Trend in den Vereinigten Staaten.

Neuer Höchstwert

52%

der US-Amerikaner sagten im Januar 2020, dass der Umgang mit dem weltweiten Klimawandel eine Top-Priorität der Regierung sein sollte.

So hat im vergangenen Jahr bei einer Umfrage des renommierten Pew Research Center zum ersten Mal überhaupt eine Mehrheit der Befragten dafür votiert, dass Klimaschutz eine „Top-Priorität“ der künftigen Regierung sein soll. Bereits bei der Präsidentschaftswahl galt die Klimakrise als zentrales Thema. Viele Unternehmen haben längst erkannt, dass sich wichtige Märkte künftig anders nicht mehr besetzen lassen und sie ihre Geschäftsmodelle dekarbonisieren müssen. Nachhaltige Investitionen sind laut dem „Forum for Sustainable and Responsible Investment“ in den USA zwischen 2018 und 2020 von geschätzt 12 Billionen Dollar auf rund 17,1 Billionen Dollar gewachsen. Das entspricht 33% des gesamten, derzeit verwalteten US-Vermögens in Höhe von 51,4 Billionen Dollar. Das einstige Nischenthema ist damit auch in den USA auf dem Weg, eine Mainstream-Agenda zu werden.

Unter Joe Biden können die USA nun eine internationale Vorreiterrolle im Klimaschutz spielen – die immense Bedeutung des Landes für die Weltwirtschaft sorgt auch dafür, dass andere Länder und multinationale Konzerne das Thema noch stärker in den Blick nehmen müssen als ohnehin schon.

Fazit

Niemals zuvor hat ein Präsidentschaftskandidat im US-Wahlkampf klarere Akzente in der Klimapolitik gesetzt als Joe Biden. Spätestens mit der Mehrheit der Demokraten in Senat und Kongress ist klar, dass der neue US-Präsident seine Klimaschutz-Agenda auch vorantreiben kann. Bis 2035 soll der Stromsektor klimaneutral sein, 2050 das ganze Land. Biden kann dabei auf breite Unterstützung setzen: Umfragen zeigen, dass sich viele US-Amerikaner mehr Anstrengungen im Klimaschutz wünschen, während die Wirtschaft mehr und mehr das Potenzial grüner Märkte erkennt.