„Ownership Competence ist die Fähigkeit des Eigentümers, für sein Unternehmen einschließlich dessen Stakeholder wertstiftend zu agieren.“
Mut und Risikobereitschaft, eine starke Vision und die Fähigkeit, andere zu motivieren und für die Unternehmensziele zu begeistern, werden häufig mit der Ownership Competence gleichgesetzt. Warum greift diese Ansicht zu kurz?
Zellweger: Die genannten Charaktereigenschaften gehören unbedingt zur Ownership Competence, aber ich würde sie ergänzen. Meiner Ansicht nach sollte die Ownership Competence mindestens drei Dimensionen umfassen: Die erste bezieht sich auf den genuin unternehmerischen Spirit, die Vision, den Mut und die Risikobereitschaft, etwas Neues zu wagen und umzusetzen. Diese unternehmerische Kompetenz ist insbesondere bei Gründern, die etwa ein Start-up ins Leben rufen, besonders ausgeprägt. Hier geht es um die grundlegende Frage, ob die Idee auf ein Bedürfnis im Markt trifft, weshalb ich diese erste Dimension auch als unternehmerische Kompetenz oder Matching Competence bezeichne.
Welche anderen Stärken neben der Matching Competence sollte ein Eigentümer noch besitzen, um sein Familienunternehmen nachhaltig und erfolgreich zu führen?
Zellweger: Neben dieser genuin unternehmerischen Kompetenz gehört zu einer umfassenden Ownership Competence auch die Fähigkeit, andere für die eigenen Ideen und Ziele zu begeistern. Der Eigentümer muss motivieren und ein starkes Team aufbauen können, in dem alle an einem Strang ziehen. Diese Fähigkeit bezeichne ich als Governance Competence. Die dritte Dimension der Ownership Competence ist die Stärke, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun, weshalb ich sie als Timing Competence bezeichne. Bei Familienunternehmen ist oft die entscheidende Frage, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dass der Eigentümer die Verantwortung weitergibt, weil andere es ab nun besser machen als er selbst. Diese Timing Competence ist gerade für den Eigentümer eine große Herausforderung. Denn häufig war er es, der das Unternehmen aufgebaut und groß gemacht und über viele Jahre und Jahrzehnte erfolgreich geführt hat. Und diese Person muss sich irgendwann eingestehen, dass von einem bestimmten Augenblick an andere seine Aufgaben besser erfüllen als er selbst und er – vielleicht allein aufgrund seines Alters – zu einem Risikofaktor wird.
„Neben der genuin unternehmerischen Kompetenz gehören zu einer umfassenden Ownership Competence auch die Fähigkeiten, andere für die eigenen Ideen zu begeistern und zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun.“
Es wird immer wieder diskutiert, ob ein fließender oder ein harter Übergang die bessere Lösung für eine erfolgreiche Nachfolge ist. Was ist Ihre Meinung dazu?
Zellweger: Diese Frage lässt sich nicht generell und eindeutig beantworten. Die Nachfolgeregelung hängt vom jeweiligen Unternehmen und vom Eigentümer ab. Wichtig ist aber in jedem Fall, dass im Vorfeld ganz klar geregelt wird, wie der Übergang vonstattengeht und dass sich alle einschließlich des scheidenden Eigentümers an diese Regeln halten. Dazu gehört auch die Aufgabe, dass der scheidende Eigentümer loslassen können muss und seine Rolle neu definiert. Hier gibt es viele gewinnbringende Möglichkeiten, angefangen vom Wechsel in den Aufsichtsrat über die Begleitung des neuen Eigentümers bis hin zum authentischen Markenbotschafter des Unternehmens.
Können Sie ein Beispiel für eine gute Ownership Competence geben – sozusagen einen Idealfall, in dem der Eigentümer alle drei Fähigkeiten optimal miteinander verbindet?
Zellweger: Einen Idealfall zu geben ist nicht ganz einfach, weil die verschiedenen Dimensionen der Ownership Competence auch verschiedenen Lebenszyklen des Eigentümers zuzuordnen sind. Wer als Gründer eine starke unternehmerische Kompetenz besitzt, hat nicht zwangsläufig eine ausgeprägte Governance oder Timing Competence. Warren Buffett ist ohne Frage ein Idealbeispiel, wenn es um die Matching und die Governance Competence geht; hier ist er genial und unschlagbar. Die Frage ist aber, wie gut seine Timing Competence ist. Wie schafft er den Ausstieg und an wen gibt er sein Unternehmen weiter? Dies zeigt, wie wichtig alle drei Dimensionen der Ownership Competence sind, wenn es um eine nachhaltige und wertsteigernde Unternehmensführung geht.
„Wenn es um eine nachhaltige und wertsteigernde Unternehmensführung geht, sind alle drei Dimensionen der Ownership Competence gleich wichtig.“
Was raten Sie Unternehmenseigentümern, die sich zum ersten Mal intensiv mit dem Thema der Ownership Competence auseinandersetzen und sich entscheiden, ihre Fähigkeiten zu reflektieren und wo nötig auszubauen?
Zellweger: Leider sehen sich aus meiner Erfahrung viele Eigentümer in der misslichen Rolle eines Kontrolleurs – einer Rolle, die sie gar nicht einnehmen wollen und die ihre Stärken auch gar nicht ausfüllt. Der damit verbundene Leidensdruck könnte aber ein erster Anlass sein, sich zu fragen, welche Kompetenzen brauchen wir und brauche ich, um die Performance und den Wert unseres Unternehmens nachhaltig zu steigern? Noch besser wäre es natürlich, sich so früh wie möglich mit dem Thema auseinanderzusetzen – auch mit einem externen Berater oder Coach. Denn ein unvoreingenommener Blick von außen macht es oft viel leichter, seine eigene Position zu bestimmen und herauszufinden, wo Schwächen liegen und wie diese im Hinblick auf eine nachhaltige und wertstiftende Unternehmensführung beseitigt werden können. Eigentümer sein will eben auch gelernt werden!
Fazit
Mut und Risikobereitschaft, eine starke Vision und die Fähigkeit, andere zu motivieren und für die eigenen Ziele zu begeistern, werden häufig als die entscheidenden Kompetenzen genannt, die ein Eigentümer braucht, um sein Unternehmen nachhaltig und erfolgreich zu führen. Prof. Dr. Thomas Zellweger fügt diesen Qualitäten noch eine weitere Dimension hinzu, nämlich die Fähigkeit, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Dazu gehört auch die Stärke, dass ein Eigentümer zum passenden Zeitpunkt den Staffelstab an seinen Nachfolger weitergibt. Das ist für den scheidenden Eigentümer eine große Herausforderung, aber für das Unternehmen eine große Chance – wenn sich alle an vorher vereinbarte Regeln halten.