5 Minuten Lesezeit 30 August 2019
Glückliche braune Kuh auf der Weide - Milchwirtschaft

„Wir sind Partner, nicht Besserwisser“

Achtsamkeit, Kompromissbereitschaft und Verantwortung – mit diesen Werten führte Barbara Scheitz ihre Bio-Molkerei zum Erfolg.

Die Andechser-Molkerei Scheitz hat sich innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer im Bio-Milch-Bereich entwickelt und hier nachhaltige Impulse gesetzt. Beim „EY Entrepreneur Of The Year 2018“ wurden das Unternehmen und seine Geschäftsführerin Barbara Scheitz zum Gewinner in der Kategorie Konsumgüter und Handel gekürt. Im Interview spricht die Nachfolgerin des Familienunternehmens Scheitz über innere Haltung und Demut, Kuhpatenschaften sowie die Verbindung von Natur und Künstlicher Intelligenz.

Sie haben 2003 die Geschäftsführung von Ihrem Vater im elterlichen Familienbetrieb übernommen. Wie haben Sie diesen Moment in Erinnerung?

Barbara Scheitz: Als sehr arbeitsreich! Ich hatte das Molkereihandwerk im elterlichen Betrieb erlernt und kannte damit das Unternehmen, war also mit den Abläufen vertraut. Als es dann aber so weit war und ich die „Chefin“ wurde, hatte ich doch das Gefühl, dass ich nicht vorbereitet war.

Was war die größte Herausforderung, die Sie nach Ihrem Start meistern mussten? Und was war der größte Erfolg?

Ich wollte unser Unternehmen strategisch neu ausrichten und ganz klar als Bio-Molkerei positionieren. Das war allerdings nur Hand in Hand mit denjenigen Landwirten möglich, die konsequent auf Pestizide und Gentechnik verzichten wollten. Das hat mich sehr viel Überzeugungsarbeit und Kraft gekostet, weil viele Bauern keinen Grund gesehen haben, auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als um eine Bewusstseinsänderung! Im Jahr 2009 hatten wir es dann aber gemeinsam geschafft: Wir konnten unser komplettes Sortiment ausschließlich auf Bio-Produkte umstellen. Das war für alle ein großer Erfolg.

Sie haben innerhalb von wenigen Jahren Ihr Unternehmen zur größten deutschen Bio-Molkerei ausgebaut. Was ist Ihre Erfolgsformel?

Es ist eine innere Haltung. Wir sind überzeugt, dass das, was wir tun und wie wir es tun, richtig ist. Die Natur setzt uns die Vorgaben, nach denen wir uns zu richten haben. Sie wird also immer Recht behalten! Deshalb bekennen wir uns zur ökologischen Wirtschaftsweise, von der wir auch andere überzeugen wollen – aber keinesfalls als „Besserwisser“, sondern als Partner, der mit den anderen ein gemeinsames Ziel verfolgt.

Von einer Erfolgsformel zu sprechen, halte ich nicht für richtig. Es ist eine gemeinsame Überzeugung, wohl auch ein Gefühl wie Demut hinsichtlich unserer Verbundenheit mit der Natur.
Barbara Scheitz
Geschäftsführerin Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Eine solche Partnerschaft zeigt sich bei unseren Vertragsbauern beispielsweise darin, dass sie ihr Mezzanine-Kapital in unser Unternehmen stecken oder dass wir für sie Kuhpatenschaften vermitteln. Von einer Erfolgsformel zu sprechen, halte ich nicht für richtig. Es ist eine gemeinsame Überzeugung, wohl auch ein Gefühl wie Demut hinsichtlich unserer Verbundenheit mit der Natur, weil alles miteinander vernetzt ist. Wir Menschen sind ja auch ein Teil dieser Natur.

Sie hatten bei vielen Entwicklungen die Nase vorn. Was beschäftigt Sie als Nächstes?

Da will ich nicht zu viel verraten, weil wir auch in Zukunft unsere ökologischen Ziele voranbringen und ganz vorne sein wollen. Meiner Meinung nach muss sich aber insbesondere in der Lebensmittelindustrie etwas Grundsätzliches ändern. Es darf sich in Zukunft nicht mehr alles um den Gewinn drehen, sondern es müssen andere, wichtigere Fragen im Vordergrund stehen und beantwortet werden: Wie gehen wir mit der Natur um? Sind Boden, Luft und Wasser wirklich umsonst zu haben und dürfen sie auch umsonst belastet werden? Welche Verantwortung haben wir als Unternehmer gegenüber dem Verbraucher? Dies sind Themen, die mich – und eigentlich uns alle bei Andechser – aktuell beschäftigen.

Die Andechser-Molkerei positioniert sich klar als Familienunternehmen. Worin zeigt sich das in der täglichen Praxis?

Mein Vater arbeitet hier in der Molkerei, mein Bruder ist Bio-Landwirt und liefert die Ziegenmilch, und meine Schwester betreut unseren Online-Shop. Die Andechser-Molkerei ist ein echtes Familienunternehmen! Als Familie fühlen wir uns auch mit unseren Mitarbeitern, Bio-Bauern, Lieferanten und Kunden eng verbunden. Das gilt auch umgekehrt: Im Sommer kommen viele Besucher zu uns, um sich beispielsweise unseren Hofladen anzuschauen und zu sehen, wo ihr Joghurt herkommt. Darüber freuen wir uns!

Welche Werte spielen für Sie eine Rolle – persönlich und beruflich?

Es sind insbesondere drei Haltungen, die für uns alle von größter Bedeutung sind: Achtsamkeit, Kompromissbereitschaft und Verantwortungsannahme. Wir sollten uns immer bewusst sein, was und wie wir etwas tun. Wir müssen aufeinander zugehen und Kompromisse finden und dürfen nicht nur über Verantwortung reden, sondern müssen sie auch persönlich annehmen.

Frauen haben – insbesondere in gehobenen Positionen – nach wie vor schlechtere Chancen als Männer. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?

In unserem Unternehmen gibt es kein „Frauen-Thema“. Für uns sind Qualität und Leistung bei der Arbeit entscheidend, nicht das Geschlecht. Wir sind bei Andechser davon überzeugt und leben auch danach, dass Frauen und Männer vergleichbare Leistungen erbringen. Wenn jemand gute Arbeit leistet und den „Biss“ hat, stehen ihr oder ihm alle Wege offen.

Ich denke, die Frauenfrage wird für die nächste Generation keine Rolle mehr spielen.
Barbara Scheitz
Geschäftsführerin Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Die heute – oft noch mit überholten Argumenten – geführte Frauendiskussion wird meiner Meinung nach bald vorbei sein. Ich denke, sie wird für die nächste Generation auch keine Rolle mehr spielen. Es gibt in jedem Unternehmen meist so viele verschiedene Arbeitsmöglichkeiten wie es Menschen gibt, so dass sich alles immer irgendwie organisieren lassen sollte.

Bio und Natur auf der einen und digitale Technologien auf der anderen Seite könnten als Gegensatz verstanden werden. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen?

Eine ganz bedeutende, natürlich. Für uns sind Natur und Technologie erst einmal keine Gegensätze, sondern diese beiden Bereiche können sich bei intelligentem Einsatz gegenseitig positiv ergänzen. Digitalisierung und künstliche Intelligenz spielen bei Kundenbestellungen, bei der Planung und in der Produktion eine selbstverständliche Rolle. Ohne sie könnten wir beispielsweise nicht sicherstellen, dass unsere Kunden über das Internet den Herstellungsweg unserer Bio-Produkte bis hin zum Milchbauern zurückverfolgen können. Und wenn irgendwann unsere Bio-Butter nicht im Kühlregal liegt, dann wissen wir, dass mit unserem Algorithmus etwas nicht gestimmt hat.

Die gesellschaftlich-soziale Verantwortung, die ein Unternehmen übernimmt, gewinnt in der Öffentlichkeit eine immer größere Bedeutung. Warum ist diese Verantwortung so wichtig?

Die Verantwortung, die wir gegenüber unserer Mitwelt und gegenüber unseren Mitmenschen haben, muss in Zukunft für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein. Wir brauchen ein neues Verständnis von und ein neues Verhältnis zur Natur und zum Leben. Wenn die bisherige Art der Bewirtschaftung mit Pestiziden und Gentechnik die Artenvielfalt zerstört hat, dann dürfen die Menschen so nicht mehr weitermachen. Dass wir als ökologisches Unternehmen gemeinsam mit unseren Bio-Milchbauern, unseren Kunden und den Verbrauchern nachhaltige Impulse für eine bessere, zukunftssichernde Wirtschaftsweise setzen konnten, freut uns sehr. Dieses Ziel verfolgen wir auch in Zukunft mit vollem Engagement.

Barbara Scheitz, Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Fazit

Die Andechser Molkerei Scheitz GmbH und Barbara Scheitz, die das Familienunternehmen leitet, wurden beim „EY Entrepreneur Of The Year 2018“ zu Siegern in der Kategorie Konsumgüter und Handel gekürt. Ihr Geschäftsmodell folgt keiner rein gewinnorientierten Strategie, sondern der Verantwortung gegenüber Natur und Verbrauchern.