5 Minuten Lesezeit 3 Februar 2022
Ein Auto fährt über einen Waldweg

CSRD: Wie standardisierte Berichterstattung Nachhaltigkeit fördert

Von Luisa Papaspyrou

Senior Manager, Financial Services, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Versteht Nachhaltigkeit als Mehrwert für Unternehmen und Gesellschaft. Stellt Respekt in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Ist leidenschaftliche Hobbyreiterin und Pferdepflegerin.

5 Minuten Lesezeit 3 Februar 2022

Als Kapitalanleger und Vermögensverwalter spielen Versicherer eine tragende Rolle in der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft.

Überblick
  • EY hat in Kooperation mit der Universität Leipzig die Studie „Game Changer Nachhaltigkeit“ durchgeführt und dazu 30 Erst- und Rückversicherer befragt.
  • Versicherer sehen Nachhaltigkeit als stark zukunftsorientiertes Thema. Der aktuelle Schwerpunkt liegt auf Umweltfragestellungen.
  • Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll Transparenz und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung fördern.

Nachhaltigkeit gewinnt nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an Bedeutung – auch für Versicherungsunternehmen ist das Thema höchst relevant. Sie spielen in ihrer Position als Verwalter von Kundenvermögen und Anleger von Kapital weltweit eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Die Studie „Game Changer Nachhaltigkeit“, die in Kooperation von EY und der Universität Leipzig im November 2021 veröffentlicht wurde, hat 30 Erst- und Rückversicherungsunternehmen zum aktuellen Stand der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten befragt. Die Studienergebnisse zeigen, wie der Versicherungsbranche die grüne Transformation gelingen kann.

Die Teilnehmenden sind sich einig, dass Nachhaltigkeit ein stark zukunftsorientiertes Thema sei und Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen spiegele. Der aktuelle Schwerpunkt liegt auf Umweltfragestellungen: So haben beispielsweise bis Ende 2020 bereits 23 der 30 größten Versicherungsunternehmen weltweit ihre Geschäfte mit der Kohleindustrie eingeschränkt oder sogar beendet. Zudem wurde 2021 die Net-Zero Insurance Alliance gegründet, in der sich Versicherer dazu verpflichten, ihr Versicherungsportfolio bis 2050 klimaneutral auszugestalten.
88 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in der Änderung der Kapitalanlagenstruktur den größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche sehen. Die Unternehmensinfrastruktur, die beispielsweise Fuhrpark oder Gebäudemanagement inkludiert, folgt mit 80 Prozent.

Nachhaltigkeit

88 %

der Studienteilnehmer gaben an, dass sie in der Änderung der Kapitalanlagenstruktur den größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche sehen.

CSRD: Mit verpflichtender Nachhaltigkeitsberichterstattung zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit

Die Schwerpunktsetzung steht im Einklang mit dem EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem, das auf dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 der EU-Kommission basiert. Neben der Umlenkung von Kapitalflüssen in nachhaltige Investitionen verfolgt der Plan auch die Integration von Nachhaltigkeit in das Risikomanagement von Finanzunternehmen sowie die grundlegende Förderung der Transparenz nachhaltiger Finanzprodukte. Ab 2022 wird außerdem eine regelmäßige Berichterstattung verlangt, die ökologische und soziale Merkmale der Finanzprodukte ausweisen soll.

Die Studie zeigt auch, dass die regulatorischen Anforderungen seitens der Branche (noch) als wichtiger angesehen werden, als die Erwartungen der Öffentlichkeit, der Investoren oder von Shareholdern und Vermittlern zu erfüllen. Allerdings nehmen Versicherer derzeit noch vergleichsweise wenig konkrete Erwartungen von diesen Akteuren wahr.

Mit der Einführung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie die EU-Kommission ab 2023 mithilfe der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorsieht, sollen vollständige, vergleichbare und verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen für Marktteilnehmer und weitere Stakeholder bereitgestellt werden. Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dass Unternehmen auf Basis einheitlicher, verpflichtend anzuwendender Standards Berichte im digitalen Format einreichen sollen, damit die Informationen allgemein und transparent zugänglich sind.

Das Ziel der Corporate Sustainability Reporting Directive ist die ganzheitliche Berichterstattung. Im einheitlichen Digitalformat eingereicht, sollen Informationen vergleichbar ­und transparent verfügbar sein.

War die Nachhaltigkeitsberichterstattung bisher auf große, börsennotierte Unternehmen beschränkt, wird zukünftig eine größere Anzahl von Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen veröffentlichen müssen. Geplant ist eine Berichtspflicht, die ab 2025 auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten soll. Aus der Anforderung, dass der Nachhaltigkeitsbericht Bestandteil des Lageberichts eines Unternehmens werden soll, folgt eine Ausweitung der Prüfungspflicht der offengelegten Berichte. Eine Prüfungspflicht bezüglich der nichtfinanziellen Erklärung wird von rund 50 Prozent der Studienteilnehmer befürwortet. Die Begründung: Sie ermögliche eine höhere Standardisierung und eine Steigerung der Verlässlichkeit der Informationen – was wiederum zur besseren Vergleichbarkeit und einer höheren Qualität führen könne.

Wie die Berichtsstandards ausgeweitet werden sollen

Bis dato existiert ein Berichtsprototyp – der Climate Standard Prototype –, dessen Kernstandards bis Sommer 2022 von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) in Kooperation mit weiteren Standardgebern wie der International Financial Reporting Standards Foundation (IFRS) oder der Global Reporting Initiative (GRI) weiterentwickelt werden sollen. Der Entwicklungsprozess sieht ein mehrstufiges Umsetzungsverfahren vor, das voraussichtlich mindestens bis 2025 dauern wird. Die Erweiterung um branchenspezifische Kriterien wird ab Mitte 2024 erwartet. Die Berichtspflichten werden demnach sukzessiv über mehrere Jahre ausgeweitet. Das bedeutet, dass Unternehmen in der Übergangszeit teilweise auf Annahmen zurückgreifen müssen.

Der Climate Standard Prototype von September 2021 nimmt Umweltthemen in den Fokus und deckt die Themenfelder Strategie, Implementierung und Performancemessung ab. Die Studie zeigt, dass über 87 Prozent der befragten Versicherer schon eine Nachhaltigkeitsstrategie definiert haben oder mit der Erstellung beschäftigt sind. Insbesondere für die Themenfelder Implementierung und Performancemessung ist Umsetzungsaufwand zu erwarten, da über konkrete Maßnahmenpläne zur Vermeidung oder Reduzierung von negativen Umwelteffekten sowie Key Performance Indicators (KPIs) zur Zielerreichung Bericht erstattet werden muss. Dabei kann auf anderweitige EU-Transparenzvorschriften, wie zum Beispiel die ab diesem Jahr geltende regelmäßige Berichterstattung für Finanzprodukte, zurückgegriffen werden.

Die Einführung der digitalen Berichterstattung ist nicht zu unterschätzen: Die EU-Kommission strebt die Ausweitung des technischen Berichtsstandards European Single Electronic Format (ESEF), der aktuell nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen gilt, auf alle betroffenen Unternehmen an. Außerdem zeichnet sich ab, dass neben der Erstellung der Berichtsinhalte eine parallele Auswahl und Einführung eines Berichtstools im Rahmen eines IT-Projekts notwendig werden wird.

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Studie: Game Changer Nachhaltigkeit

Wie gelingt die grüne Transformation der Versicherungsbranche? Im Rahmen der vorliegenden Studie haben wir den aktuellen Stand der Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten bei Erst- und Rückversicherungsunternehmen wie auch bei Vertriebsgesellschaften analysiert und ausgewertet sowie Stellungnahmen der wichtigsten Parteien zur Entwicklung der politischen Lage in Deutschland herangezogen.

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Nachhaltigkeitsbewusstsein gehört zur Unternehmenskultur

Mehr als zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) schätzen die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für Beschäftigte im eigenen Unternehmen als sehr groß oder groß ein. Nachhaltigkeitsprogramme und definierte Ziele zur Erreichung von Klimaneutralität werden immer wichtiger, um langfristig gute Nachwuchskräfte mobilisieren zu können. Der Großteil der befragten Versicherer setzt bereits heute Anreize, die ein nachhaltiges Verhalten seiner Beschäftigten unterstützen sollen. Da schon jetzt Aspekte des Nachhaltigkeits- und Umweltbewusstseins im Unternehmensalltag eine wichtige Rolle für Beschäftigte spielen, beeinflussen sie auch die allgemeine Arbeitszufriedenheit. Zukünftig wird es sich hierbei um Hygienefaktoren handeln, also als nicht weiter erwähnenswerte Grundvoraussetzungen gelten.

Fazit

Für Versicherer als weltweite Kapitalanleger und Vermögensverwalter ist Nachhaltigkeit ein stark zukunftsorientiertes Thema. Die Corporate Sustainability Reporting Directive soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen standardisieren und so die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit transparent, verlässlich und zugänglich für Marktteilnehmer und Stakeholder gestalten. In einem mehrstufigen Einführungsverfahren sollen neben börsenorientierten zukünftig auch kleine und mittlere Unternehmen Bericht erstatten. Teilnehmende Versicherer der Studie sehen in der Standardisierung die Chance auf höhere Qualität und bessere Vergleichbarkeit.

Über diesen Artikel

Von Luisa Papaspyrou

Senior Manager, Financial Services, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Versteht Nachhaltigkeit als Mehrwert für Unternehmen und Gesellschaft. Stellt Respekt in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Ist leidenschaftliche Hobbyreiterin und Pferdepflegerin.