6 Minuten Lesezeit 28 Mai 2021
Frau zahlt kontaktlos mit Smartwatch

Warum Banken eine zentrale Rolle beim programmierbaren Geld spielen

Von Jan Rosam

Financial Services Consulting Capital Markets & Emerging Technology Leader; Brexit & IBOR Transition Leader, EY Consulting GmbH I Deutschland

Transformations- und Technologiespezialist im Kapitalmarkt. Sein Herz schlägt für neue Technologien, Codierung und Mathematik. Vater von zwei Kindern, Segler und Gravel-Biker.

6 Minuten Lesezeit 28 Mai 2021

Finanzmarktteilnehmer sollten sich verstärkt mit Digitalem Geld und der Konkurrenz durch Zentralbanken und Bigtechs auseinandersetzen.

Überblick
  • Marktteilnehmer im Finanzsektor sollten die globale Diskussion um Central Bank Digital Currencies und private Stablecoins genau verfolgen.
  • Banken werden zunehmend Konkurrenz bekommen – nicht nur im Zahlungsverkehr sondern auch in der Bereitstellung von Zahlungsmitteln.
  • Die Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie wie der Blockchain kann Kosten einsparen und den Kunden innovative Zahlungsmöglichkeiten bieten.

Seit Jahren verliert weltweit das Bargeld als Zahlungsmittel an Bedeutung. Vorreiter dieser Entwicklung ist Skandinavien, wo vor allem in Schweden laut Umfragen der schwedischen Zentralbank nur noch weniger als 10 Prozent der Transaktionen in Bargeld getätigt werden. Durch die Corona-Pandemie und die Angst, sich durch Viren zu infizieren, die über das Bargeld transportiert werden, hat auch in Deutschland der Trend hin zu digitalen Bezahlmethoden weiter zugelegt. Betrug nach repräsentativen Umfragen der Bundesbank der Anteil der Bargeldumsätze im Jahr 2014 und 2017 respektive noch 53 und 48 Prozent, sank er im Jahr 2020 auf nur noch rund 32 Prozent. Weitere Umfragen vom Technologieverband Bitkom, der Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.V. sowie Kartennutzungsdaten von deutschen Bankenverbänden bestätigen diese Entwicklung und zeigen, dass in den letzten Monaten die Zahlungen über digitale Kanäle stark zugenommen haben.

Digitale Währungen auf dem Vormarsch

Der Rückgang von Bargeld als relevantes Zahlungsmittel ist einer der Hauptgründe für Zentralbanken entwickelter Volkswirtschaften, sich mit der Entwicklung eigener digitaler Währungen, sogenannter Central Bank Digital Currencies (CBDCs), auseinanderzusetzen. Laut einer aktuellen Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigen sich rund 86 Prozent der befragten Notenbanken theoretisch oder in ersten Prototypen mit solchen CBDCs. 2020 wurden bereits erste CBDC in Inselstaaten, wie auf den Bahamas, eingeführt. Selbst China testet inzwischen intensiv die eigens entwickelte CBDC und will bis zu den olympischen Spielen im Februar 2022 auch für ausländische Gäste eine CBDC als Zahlungsmittel anbieten. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschäftigt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines zweijährigen Projektes mit den Gründen und Umsetzungsvarianten eines digitalen Euros. EZB-Präsidentin Christine Lagarde rechnet damit, dass ein digitaler Euro in den nächsten fünf Jahren in der Eurozone eingeführt werden dürfte.

Digitales Zentralbankgeld

86 %

der internationalen Notenbanken beschäftigen sich mit dem Thema CBDC.

Eine CBDC der Zentralbank stünde in direkter Konkurrenz zum Digitalen Geld von Geschäftsbanken, dem sogenannten Buchgeld oder Giralgeld, das heutzutage rund 85 Prozent der täglich verfügbaren Zahlungsmittel ausmacht. Banken fürchten, dass eine unbeschränkte Nutzung und die Anwendbarkeit von CBDCs in programmierbaren Zahlungsinfrastrukturen auf Blockchain-Basis sehr viel attraktiver sein könnten als das Giralgeld als aktuelles digitales Zahlungsmittel. Dies könnte zu einem starken Abfluss von Kundeneinlagen und entsprechender Liquidität aus dem Bankensystem und zu einer sogenannten Disintermediation des Bankensektors führen.

Digitales Geld der Big- und Fintechs

Neben den von Notenbanken getriebenen Initiativen arbeitet auch der Privatsektor aus dem Nicht-Banken-, Fin- und Bigtech-Bereich an Angeboten rund um die Digitalisierung des Geldes. Ein Hauptbeweggrund stellt die Nutzung und Realisierung der Vorteile der Blockchain beziehungsweise  der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) dar. Mit der Tokenisierung von Geld oder der Herausgabe von eigenen stabilen Kryptowährungen (Stablecoins) soll eine finanzielle Inklusion gefördert werden, aber auch neuartige Bezahlmöglichkeiten auf Basis der verteilten Datenbank entstehen. Dies könnte zu neuen Geschäftsmodellen führen, welche die Vorteile der DLT im Zahlungsverkehr nutzen – zum Beispiel den Wegfall von Intermediären wie Clearinghäusern und daraus resultierend sinkenden Transaktionskosten. Zudem sind verteilte Transaktionssysteme typischerweise 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche verfügbar und ermöglichen schnelle, globale Zahlungen. Weiterhin können Transaktionen programmiert werden, was zu schlankerer Verwaltung von Geschäftsprozessen und stärkerer Automatisierung führt. Darüber hinaus können Maschinen und Geräte im Rahmen des Internet of Things (IoT) in das Geldsystem integriert werden. 

Für Banken geht es jetzt um nichts Geringeres als den gesamten Verlust der Kundengelder und somit auch der kompletten Kundenbeziehung an Zentralbanken oder Big- und Fintechs.

Banken erhalten insofern zunehmend Konkurrenz von staatlicher Seite aber auch durch private Akteure, die neue Technologie im Bereich Zahlungsabwicklung anwenden. Diese Entwicklung reiht sich in einen seit Jahren festzustellenden Trend ein, da Kreditkartenfirmen und mobile Zahlungslösungen wie Apple- oder Google-Pay den Endkundenkontakt von Banken zunehmend übernehmen. Nun allerdings geht es um nichts Geringeres als den gesamten Verlust der Kundeneinlagen und somit der kompletten Kundenbeziehung an Zentralbanken oder Big- und Fintechs. Banken stehen insofern unter großem Druck, eigenständige Lösungen zu entwickeln, die der Nachfrage nach innovativen Bezahlmethoden auf DLT-Basis gerecht werden.

Banken sollten Nachfrage nach innovativen Zahlungslösungen befriedigen

Noch ist es nicht zu spät für Finanzinstitute, Lösungen für die Nachfrage ihrer Geschäftskunden nach digitalem, Blockchain-basiertem Geld zu entwickeln. Es ist ein klarer Trend zu erkennen, dass im Finanzsektor zunehmend eine simultane Übertragung und Abwicklung von Blockchain-basierten Vermögenswerten (Digital Assets) sowie den korrespondierenden Zahlungen in Euro über ein und dieselbe Plattform nachgefragt wird.

Der Tausch des Assets und des Tokens kann nahezu simultan erfolgen, was Gegenparteirisiken reduziert, die Liquidität erhöht und sogenannte Delivery vs. Payment-Prozesse (DvP) ermöglicht. Zusätzlich können bisher manuell durchgeführte und zugeordnete Zahlungen zum Beispiel von Kupons oder Dividenden im Rahmen des Asset-Lebenszyklus durch klare Dokumentation der Besitzer der digitalen Wertpapiere erheblich besser zugeordnet, automatisiert und vereinfacht werden. Dies ersetzt Zahlstellen-Funktionen von Banken oder Verwahrern und erschafft neue Automationsmechanismen für den Kunden.

Ein DLT-basierter digitaler Euro von Geschäftsbanken in Form von tokenisiertem Geld kann Zahlungen direkt zwischen Maschinen ermöglichen (Maschinen-Ökonomie). Das wird vor allem für den Bereich IoT von hoher Relevanz sein.

In der produzierenden Industrie werden Pay-per-Use-Abrechnungen für Maschinen immer stärker nachgefragt, die durch die Bezahlung je nach anfallender Nutzung neue Finanzierungsmöglichkeiten für Produktionsanlagen oder kosteneffiziente Mietmodelle darstellen. Ein DLT-basierter digitaler Euro von Geschäftsbanken in Form von tokenisiertem Geld kann Zahlungen direkt zwischen Maschinen ermöglichen (Maschinen-Ökonomie). Das wird vor allem für den Bereich IoT von hoher Relevanz sein. Grundsätzlich können programmierbare Transaktionen ermöglicht werden, die durch die Abwicklung über Smart Contracts effizient und automatisch ablaufen können.

Digitales Geld sollte ganz oben auf der Bankenagenda stehen

Banken sollten sich schnellstmöglich mit den Herausforderungen durch neue Konkurrenten im Zahlungsverkehr auseinandersetzen und eigene DLT-basierte Lösungen für Zahlungsabwicklungen entwickeln. Derzeit arbeiten sowohl der öffentliche als auch der private Sektor an einem digitalen Euro, welche die Vormachtstellung von Geschäftsbanken im Zahlungsverkehr stark beeinträchtigen können. Während es sich beim digitalen Euro der EZB wahrscheinlich um eine Art digitales Bargeld handeln wird, ermöglicht der DLT-basierte digitale Euro von Big- und Fintechs neuartige, innovative Geschäftsmodelle auf Blockchain-Basis. Banken sollten überprüfen, wie sie ihren Kunden eigene Lösungen für die Zahlungsanforderungen der Zukunft bieten können. Dazu gehört, die Anbindung von Blockchain-basierten Smart Contracts an bestehende Systeme zu entwickeln, oder zu verstehen, inwieweit eigenes digitales, tokenisiertes Geld auf der Blockchain platziert werden kann.

  • Co-Autor: Manuel Klein

    Manuel Klein ist Senior Consultant im Bereich Financial Services Technology-Consulting. Er hilft Kunden zu verstehen, wie sich digitales, Blockchain-basiertes Geld von heutigen vorhandenen Geldformen unterscheidet, wie Banken mit Central Bank Digital Currency (CBDC) umgehen sollten und wie sie eigene Blockchain-basierte Zahlungslösungen entwickeln können. Weiterhin bringt er Expertise im Design und der Verwahrung von Digitalen Assets mit und hilft Kunden diesen rasant wachsenden Bereich für sich nutzen zu können.

Fazit

Marktteilnehmer im Finanzsektor sollten jetzt notwendige strategische und operative Entscheidungen im Bereich Digitales Geld treffen. Damit bereiten sie sich bestmöglich auf entsprechende Marktentwicklungen durch Konkurrenz einer CBDC oder Stablecoins von Plattform-Unternehmen und Bigtechs vor

Über diesen Artikel

Von Jan Rosam

Financial Services Consulting Capital Markets & Emerging Technology Leader; Brexit & IBOR Transition Leader, EY Consulting GmbH I Deutschland

Transformations- und Technologiespezialist im Kapitalmarkt. Sein Herz schlägt für neue Technologien, Codierung und Mathematik. Vater von zwei Kindern, Segler und Gravel-Biker.