5 Minuten Lesezeit 31 Mai 2021
Eine Person, die Analysen in einem Mobiltelefon anschaut

Wie die Technologie von Bitcoin & Co. Chancen für Unternehmen schafft

Für Krypto-Assets entsteht ein regulatorischer Rahmen. Höchste Zeit, sich mit der neuen Anlageform digitale Währungen auseinanderzusetzen.

Überblick

  • Die EU prescht mit MiCA bei der Regulierung von Krypto-Assets vor.
  • Ein rechtlicher Rahmen schafft Sicherheit und wirkt als Katalysator.
  • Potenzielle Anwender sollten anfangen, sich zumindest in begrenztem Rahmen mit den neuen Vermögenswerten zu beschäftigen.

Kryptowährungen kommen immer mehr im Mainstream an. Auch wenn sie aktuell wegen des hohen Energieeinsatzes beim Mining wieder in die Schusslinie geraten sind, haben sie einen nachhaltigen Imagewandel durchgemacht. Immer mehr Unternehmen setzen sich mit der Thematik auseinander und prüfen Einsatzmöglichkeiten. Coinbase, ein Handelsplatz für Kryptowerte, wurde bei seinem Börsengang Mitte April 2021 mit 76 Milliarden US-Dollar bewertet. Erst kürzlich hatte das digitale Kunstwerk „Everydays: The First 5000 Days“ des Künstlers Mike Winkelmann aka Beeple, das in einen sogenannten nicht-fungiblen Token (NFT) verpackt ist, bei einer Auktion 69 Millionen US-Dollar erzielt. In den USA akzeptieren bereits viele etablierte Unternehmen Bitcoin als Zahlungsmittel, wie beispielsweise Home Depot oder Starbucks. Auch Sotheby’s London hat im Rahmen einer Versteigerung des Banksy-Kunstwerkes „Love is in the Air“ erstmals Bitcoin oder Ethereum als Zahlungsmittel akzeptiert.

Die Beispiele zeigen, dass digitale Währungen das Image des skandalumwitterten Hypes abschütteln. Immer neue Bereiche der Finanzdienstleistung, der Geldanlage und des Treasury öffnen sich für Bitcoin & Co., digitale Assets sind salonfähig geworden.

  • Token in unterschiedlichen Formen

    Token lassen sich in fungible und nicht-fungible Token unterscheiden. Die erste Gruppe ist handel- und übertragbar, dazu gehören zum Beispiel Rohstoffe, Aktien, Anleihen oder Währungen. Nicht-fungible Token beschreiben dagegen einen spezifischen Gegenstand, der in dieser Form unverwechselbar ist. Zwei Token, die jeweils Automobile abbilden, sind nicht austauschbar, da die Fahrzeuge nicht exakt identisch sind.

    Eine andere Unterscheidung betrifft den Anwendungsbereich. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterscheidet zwischen drei Ausprägungen. Am bekanntesten sind Zahlungs-Token, zu denen die genannten Kryptowährungen zählen. Nutzungs-Token erlauben ähnlich einer Eintrittskarte oder einem Gutschein den Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung. In diese Kategorie fallen beispielsweise im Rahmen von Initial Coin Offerings (ICO), einer Form der Frühphasenfinanzierung, begebene Token. Security-Token stellen schließlich Vermögenswerte dar, sie enthalten Wertfunktionen, die einer Aktie gleichen können

In erheblichem Maße trägt die Regulierung des Sektors zu diesem Reifeprozess bei. Die Europäische Kommission spielt dabei ganz vorne mit. Im September 2020 veröffentlichte sie ein umfassendes Digital-Finance-Paket, einen Vorschlag zur Regulierung von Märkten für Krypto-Assets (MiCA), als Reaktion auf die zunehmende Nutzung digitaler Finanzdienstleistungen durch europäische Unternehmen und Verbraucher. Enthalten sind Strategien für digitale Finanzen, Zahlungen durch Privat- und Unternehmenskunden, Vorschläge zur digitalen Resilienz und Regelungen für unterschiedliche Formen von Krypto-Assets.

Regulierung von Krypto-Assets als Katalysator für Innovation

Ziel der neuen Verordnung ist es, sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Zahl der digitalen Innovationen des europäischen Finanzsektors zu steigern. Gleichzeitig sollen Rechtssicherheit, Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzstabilität gefördert werden. Bei Compliance-Verstößen können die zuständigen Behörden Emittenten und Dienstleistern von Krypto-Assets weitreichende Sanktionen auferlegen. Dennoch macht der Entwurf deutlich, dass die Kommission die Regulierung als Katalysator für Innovation im Bereich der Distributed Ledger Technologie (DLT), die die technische Basis für die Krypto-Assets bietet, versteht.

Die MiCA-Verordnung gliedert sich in drei Teile:

  • Der erste Teil befasst sich mit dem Autorisierungsprozess von Emittenten von Krypto-Assets und den jeweiligen Verpflichtungen für die drei Token-Typen, die in den Geltungsbereich der Verordnung fallen: Asset-referenzierte Token, E-Geld-Token und Krypto-Assets, die in keine dieser beiden Klassen fallen.
  • Es folgen Autorisierungs- und Betriebsbedingungen für die Dienstleister rund um Krypto-Assets und Erläuterungen der relevanten Schritte und Anforderungen, einschließlich Bestimmungen zum Marktmissbrauch.
  • Der dritte Teil widmet sich den zuständigen nationalen Behörden sowie der European Banking Authority (EBA) und der European Securities and Markets Authority (ESMA). Er beschreibt deren jeweiligen Tätigkeitsbereich, die Verwaltungsmaßnahmen und die Aufsichtsbehörden.

Ein konkreter Zeitplan liegt noch nicht vor, doch im Jahresverlauf 2022 ist mit dem Inkrafttreten von MiCA zu rechnen.

Digitales Zentralbankgeld CBDC in Vorbereitung

Mit Hochdruck arbeiten die Europäische Zentralbank (EZB) und eine Reihe weiterer Notenbanken an einer digitalen Ergänzung des Angebots, die Ausgabe digitaler Währungen (Central Bank Digital Currencies, kurz CBDC). Ersetzen sollen sie Bargeld und Bankeinlagen nicht, vielmehr sind sie als Ergänzung vorgesehen. Anders als bereits im Umlauf befindliche Kryptowährungen sind CBDC durch die Zentralbank gedeckt, sie würden als gesetzliches Zahlungsmittel uneingeschränkt Akzeptanz genießen. Zudem wäre eine Offline-Zahlung möglich, die die gleiche Anonymität wie beim Bargeld bieten würde.

Angesichts der rasch wachsenden Bedeutung von Krypto-Assets, ist es für Unternehmen ratsam, im aktuellen Stadium Know-how aufzubauen. 

Der Appetit, sich mit digitalen Vermögenswerten zu beschäftigen, ist bei Finanzdienstleistern und anderen Unternehmen noch unterschiedlich ausgeprägt. Doch angesichts der raschen Veränderungen und der wachsenden Bedeutung, die sich abzeichnen, ist es ratsam, in diesem Stadium Know-how aufzubauen. Das bedeutet nicht, das ganze Unternehmen auf Krypto-Assets umzustellen. Vielmehr bietet sich eine Machbarkeitsstudie in kleinem Umfang an, beispielsweise einen überschaubaren Betrag dafür bereit zu stellen, um Erfahrungen zu sammeln und das Risiko im Griff zu haben.

Für Finanzdienstleister spielt dabei neben den Kenntnissen über die verschiedenen Typen von Krypto-Assets und dem Risikobewusstsein auch die Verwahrung eine wichtige Rolle. Außerdem eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten für die Gestaltung neuer Produkte. Immer wieder ist im Zusammenhang mit Krypto-Assets von einer Demokratisierung der Geldanlage die Rede. Verpackt in einen Token lassen sich Anlageklassen, die bisher einer kleinen vermögenden Gruppe vorbehalten waren, in Einheiten aufteilen. So wird mit kleinen Beträgen das Investment in Kunst, seltene Antiquitäten, Oldtimer oder exklusiven Schmuck möglich.

Höchste Zeit für Unternehmen, Erfahrungen zu sammeln

Für Unternehmen kann es interessant sein, Kenntnisse zu erwerben, um eines Tages Kryptogeld zur Zahlung zu akzeptieren. Für das Treasury kann sich in Zeiten niedriger Zinssätze die alternative Anlageklasse auch zur Anlage beziehungsweise zu Absicherungszwecken anbieten.

Schließlich bieten sich im Zahlungsverkehr viele Einsatzmöglichkeiten für „Smart Contracts“, die ebenfalls mit DLT arbeiten. Das sind keine Verträge im rechtlichen Sinne, sondern sie koppeln wie ein Algorithmus eine Auszahlung oder einen Geldtransfer an Bedingungen. Eine Zahlung wird automatisch ausgelöst, etwa wenn ein Arbeitsabschnitt auf einer Baustelle abgeschlossen ist, ein Produkt per Sensor im Wareneingang identifiziert wurde oder eine Aufgabe von Auftragnehmern erfüllt ist. Administrative Abläufe werden dadurch deutlich vereinfacht und weniger personalintensiv.

Aufgrund der Tatsache, dass die DLT einem dezentralen Register ähnelt und die Transaktionen gespeichert sowie mithilfe eines Konsensmechanismus verifiziert werden, kann jeder Nutzer jede Transaktion auf der DLT nachverfolgen. Diese Technologie ermöglicht, komplette Geschäftsmodelle zu automatisieren. Beispielsweise gibt es im Supply-Chain-Management verschiedene Informations-, Finanz- und Warenflüsse innerhalb des Produktions- und Vermarktungsprozesses eines Produktes, wodurch ein hoher manueller Aufwand entsteht, zum Beispiel bei der Rechnungsstellung und -abwicklung oder bei der Übersendung von Frachtpapieren. Der Einsatz einer DLT reduziert diesen Aufwand erheblich, da aufgrund der hohen Transparenz, welche die Technologie bietet, allen Teilnehmer eines Supply-Chain-Netzwerkes eine direkte Einsicht in Finanzflüsse, Ursprungserzeuger von Produkten, Track-and-Trace-Lösungen von Lieferungen sowie Eigentumsübergängen ermöglicht wird.

Die Technologie bietet außerdem die Möglichkeit, das Thema digitale Identität weiter voranzubringen. Themen wie Identitätsdiebstahl, Datensicherheit, Fälschungen von Impfnachweisen, Bürokratie bei der Beantragung eines Personalausweises oder bei der Teilnahme an Wahlen beschäftigen die Bevölkerung tagtäglich. Dezentrale digitale Identitäten, die zum Beispiel auf einer Blockchain gespeichert und verifiziert werden, würden es den Bürgern ermöglichen, ihre digitale Identität selbst zu verwalten, ohne von einem Intermediär abhängig zu sein. Eine dezentrale digitale Akte könnte biometrische Daten, Gesundheitsdaten (digitale Krankenakte / digitaler Impfnachweis), Daten über Bonität und Eigentumsverhältnisse sowie weitere persönliche Informationen speichern. Damit würde die Identifizierung und Authentifizierung, die zum Beispiel bei einer Bundestagswahl oder bei einer Aktienhauptversammlung nötig sind, vereinfacht.

Die Breite von Anwendungsmöglichkeiten macht deutlich, welche Chancen in den Krypto-Assets stecken. Während der Hype rund um die Spekulation mit Bitcoin & Co abflaut und die Produkte reifer werden, rücken die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der Kryptowährungen ebenso vermehrt in den Fokus wie Unternehmen, welche die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Möglicherweise wiederholt sich hier auch die Geschichte, denn in Zeiten des großen Goldrausches in Kalifornien sind vor allem jene richtig reich geworden, die die Goldgräber mit Material und Ausstattung versorgt haben. Einer von ihnen hieß übrigens Levi Strauss.

Fazit

Im Jahresverlauf 2022 dürfte die endgültige Version der EU-Regulierung zu Krypto-Assets (MiCA) vorliegen. Die Zeit sollten Unternehmen und Finanzdienstleister nutzen, um sich mit den verschiedenen digitalen Vermögenswerten auseinanderzusetzen – sei es als Zahlungsmittel, zur Geldanlage oder  als Option für innovative Finanzprodukte.

Über diesen Artikel

Von EY Deutschland

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