5 Minuten Lesezeit 11 Februar 2021
Broker in Großraumbüro am Telefon

Ready to exit: Wie Banken neue Kreditrisiken bewältigen können

Von Tobias Stockstrom

Partner, EMEIA Financial Services - Strategy and Transactions - Restructuring, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Über 20 Jahre Erfahrung im Finanzdienstleistungssektor, einschließlich Private Equity; Familienmensch, der Sport und Grillabende liebt und begeistert davon ist, mit seinem Team neue Wege zu gehen

5 Minuten Lesezeit 11 Februar 2021

Weitere Materialien

  • COVID-19: Mehrzahl erwartet steigende NPL-Quote und Transaktionen am deutschen NPL-Markt

Corona hinterlässt Spuren im Kreditgeschäft. Banken sollten sich auf steigende Kreditausfälle einstellen und ihr NPL-Portfolio reduzieren. 

Überblick
  • Im Zuge der Corona-Pandemie geraten viele Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten, die Kreditausfälle bei Banken werden deutlich zunehmen.
  • Um die Risiken in den Bankbilanzen zu begrenzen, sollten Geldhäuser ihre Bestände an Non-Performing Loans (NPL) frühzeitig und konsequent reduzieren.
  • Erfolgreiche Portfolio-Transaktionen erfordern Transparenz, Datenqualität und die Expertise von Fachkräften.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist in Deutschland mit einem deutlichen Anstieg von Non-Performing Loans (NPLs) in den Bankbilanzen zu rechnen. Der Zeitpunkt und das Ausmaß der Zunahme sind ungewiss, schließlich hängt dies von den Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie ab. Laufen die Stützungsprogramme für Wirtschaft und Konjunktur aus, kann es zu einer zusätzlichen Welle an Unternehmensinsolvenzen und Kreditausfällen kommen. Die Entwicklung bei den Non-Performing Loans ist ungefähr so ernst wie in der Finanzkrise von 2008/2009 – wenn nicht sogar ernstzunehmender. Besonders betroffen von der Pandemie sind Branchen wie Transport-, Immobilien- und Freizeit/Reiseunternehmen.

EY Spotlight NPL-Markt

93%

der befragten Banking-Professionals erwarten eine steigende NPL-Quote durch Corona.

Demnach stehen Banken und Sparkassen in Deutschland derzeit unter dem verstärkten Druck, sich von notleidenden Engagements zu trennen. Angesichts der 2021 und 2022 zu erwartenden erhöhten Wertberichtigungsbedarfe haben zahlreiche Geldhäuser ihre Kreditvorsorge bereits kräftig erhöht.

Etwa 16 Prozent der befragten Institute rechnen laut der Studie zum NPL-Markt sogar mit einem starken Anstieg, weitere 42 Prozent mit einem mittleren Anstieg der Quote an Problemkrediten. Für das Geschäftsjahr 2020 wurden bereits erste größere NPL-Portfolien gebildet, diese Entwicklung dürfte sich 2021 noch verstärken. Drei Viertel der Befragten rechnen bis 2022 mit erhöhten NPL-Transaktionen. 

Weitere Materialien

  • EY Spotlight zum NPL-Markt | Covid-19: Banking-Professionals erwarten steigende Kreditausfälle und Portfolio-Transaktionen auf dem deutschen NPL-Markt

Die Folgen dieser Entwicklungen sind weitreichend: Eine deutliche Zunahme von NPLs gefährdet nicht nur die Rentabilität und Existenz der Institute – und damit auch die Stabilität des Finanzsystems. Knapp 60 Prozent der Befragten rechnen zudem mit einem Rückgang der Neukreditvergabe. Damit dürfte die Konjunkturerholung nach Corona wesentlich langsamer verlaufen als erhofft.

Um solche Szenarien zu vermeiden, sollten Finanzinstitute sich zeitnah und konsequenter als bisher auf den absehbaren NPL-Zuwachs einstellen. Die Häuser sollten dabei ganzheitlich strategisch agieren, um selbst gestärkt aus der Krise hervorgehen zu können.

Banken bisher zurückhaltend bei NPL-Abbau

Trotz zahlreicher Konzepte der deutschen und europäischen Bankenaufsicht zum Umgang mit NPL sind die Geldhäuser bislang zurückhaltend beim Abbau notleidender Kredite. Unserer NPL-Studie zufolge steht für drei von vier Befragten ein Risikotransfer nach außen noch nicht auf der Tagesordnung.

Infolge der seit der Finanzkrise verschärften Vorgaben von Basel III hat die Branche ihre Eigenkapitalpuffer zwar erhöht. Allerdings sorgt der regulatorische Risikovorsorge-Backstop für neu ausgereichte Kredite für gegenläufige Effekte. 

EY Spotlight NPL-Markt

61%

haben sich in der Vergangenheit noch nicht mit der Vorbereitung eines Portfolio-Transfers auseinandergesetzt.

Um neue Spielräume für die Kreditvergabe zu erhalten, wird ein Abbau von NPL unumgänglich. Allerdings zählen Kreditportfolio-Transaktionen oder NPL-Verbriefungen nicht zum Tagesgeschäft. Für den Ernstfall besteht in der Branche noch ein gewisser Nachholbedarf: Erst 57 Prozent der Banking-Professionals sehen ihre Häuser auf die Übertragung von Kreditrisiken angemessen prozessual vorbereitet.

Optionen zum Risikotransfer

Es bestehen zahlreiche Optionen zum Abbau des eigenen NPL-Bestandes mit teilweise ansehnlichen Volumina: Ein Viertel der Befragten der Studie würde NPL vorzugsweise über True Sale reduzieren, 14 Prozent über einen Workout. Nahezu jeder zehnte befragte Banking-Experte rechnet mit einem Transaktionsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro. Knapp 5 Prozent planen einen Abbau ihrer notleidenden Kredite um 51 Millionen bis 100 Millionen Euro.

Angesichts des zu erwartenden deutlichen Anstiegs und der herrschenden Personalknappheit bieten insbesondere NPL-Portfoliotransaktionen den Instituten die Chance, größere Bestände an Problemkrediten zeitnah zu reduzieren. Dies betrifft vor allem komplexe Finanzierungen etwa für Infrastrukturprojekte, Flug- oder Seehäfen, die sich nicht über standardisierte Plattformen abbilden lassen.

Transparenz ist unerlässlich

Die Voraussetzung für einen erfolgreichen, zeitnahen NPL-Abbau ist eine ganzheitliche Neuausrichtung des Risikomanagements. Im Rahmen einer Exit-Readiness-Analyse können Geldhäuser im Vorfeld eingehend prüfen, ob sie einen Portfolio-Transfer in allen erforderlichen und häufig auch komplexen Prozessschritten bewältigen können. Dabei analysiert eine speziell eingerichtete Task Force, auf welchem Wege Problemfinanzierungen abgebaut sowie welche Maßnahmen bei möglichen Portfolio-Transaktionen berücksichtigt werden sollten. Eine gute Datenlage und Transparenz sind für den Erfolg von Portfolio-Transaktionen unerlässlich. Banken sollten einen hohen Anspruch an ihre Datenqualität stellen; Investoren setzen dies voraus.

Eine gute Datenlage und Transparenz sind für den Erfolg von Portfolio-Transaktionen unerlässlich. Banken sollten einen hohen Anspruch an ihre Datenqualität stellen; Investoren setzen dies voraus.
Tobias Stockstrom
Partner, EMEIA Financial Services - Strategy and Transactions - Restructuring, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Banken benötigen digitale Lösungen, wie spezielle Daten-Tools, und Fachkräfte, um Investoren bewertungsrelevante Daten in anonymisierter Form über API-Schnittstellen zur Verfügung stellen zu können. Zudem müssen die Daten, die den Investoren von der Bank geliefert werden, während des Bewertungsprozesses laufend aktualisiert werden. Diese fortgeschrittenen technologischen Infrastrukturen sind in zahlreichen Häusern nicht vorhanden. Investitionen in neue Technologien wie Data Analytics zur Portfolioselektion anhand bestimmter Leistungsindikatoren sowie in Personal oder den Aufbau spezieller Deal Teams sind daher in vielen Fällen unumgänglich.

Häufig liegen auch die Preisvorstellungen einer Bank und die Bewertungen der NPL-Portfolien durch Investoren weit auseinander. Anhand einer indikativen Bewertung des Portfolios aus externer Sicht können solche Unterschiede im Vorfeld bereits ermittelt und von der Bank besser eingeschätzt werden. Dies erleichtert den Transaktionsprozess und gewährleistet einen erfolgreichen Abschluss.

Nach Digitalisierung, Minizinsen und verschärfter Regulierung infolge der Finanzkrise stehen Banken angesichts der Corona-Pandemie vor neuen Herausforderungen. Diese schwere globale Wirtschaftskrise lässt in den Bilanzen neue Kreditrisiken entstehen und erfordert bei Finanzdienstleistern eine umfassende Neuausrichtung des Kreditgeschäfts und Risikomanagements.Nach Digitalisierung, Minizinsen und verschärfter Regulierung infolge der Finanzkrise stehen Banken angesichts der Corona-Pandemie vor neuen Herausforderungen. Diese schwere globale Wirtschaftskrise lässt in den Bilanzen neue Kreditrisiken entstehen und erfordert bei Finanzdienstleistern eine umfassende Neuausrichtung des Kreditgeschäfts und Risikomanagements.

Wie NPL nicht zum Stressfaktor werden

Angesichts des zu erwartenden drastischen Anstiegs der NPL-Quoten sollten Banken ihre Bestände an notleidenden Krediten frühzeitig und entschlossener als bisher angehen. Dabei können sie auch von ihren Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/2009 profitieren.

Eine Exit-Readiness-Analyse bietet die beste Voraussetzung dafür, über Portfolio-Transaktionen Risiken und Kosten im Blick zu halten. Kurzfristige Investitionen in Fachpersonal und Big Data sind dabei allerdings unumgänglich, um auch mit Blick auf die weiter bestehenden Herausforderungen des Sektors wie Digitalisierung, Regulierung und das anhaltende Niedrigzinsumfeld die Rentabilität des Hauses langfristig zu stärken.

Fazit

Die Corona-Pandemie wird in den Bankbilanzen zu einem deutlichen Anstieg der notleidenden Kredite führen. Um zusätzliche Risiken zu vermeiden, sollten Banken frühzeitig mit dem Abbau ihrer bestehenden NPL-Bestände beginnen. Portfolio-Transaktionen bieten die Chance, die Risiken komplexer Problemfinanzierungen über den Sekundärmarkt zu transferieren. Wie eine EY- Umfrage zum deutschen NPL-Markt zeigt, haben sich 61 Prozent der befragten Banking-Professionals noch nicht mit solchen Transfers befasst. Die Kreditabteilungen von Banken sollten sich jetzt bereits angemessen auf die erforderliche Übertragung von Kreditrisiken vorbereiten.

Über diesen Artikel

Von Tobias Stockstrom

Partner, EMEIA Financial Services - Strategy and Transactions - Restructuring, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Über 20 Jahre Erfahrung im Finanzdienstleistungssektor, einschließlich Private Equity; Familienmensch, der Sport und Grillabende liebt und begeistert davon ist, mit seinem Team neue Wege zu gehen