Drei geopolitische Themenkomplexe haben für Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz besondere Bedeutung: strengere Klimapolitik, die zunehmende strategische Autonomie Europas und die Regulierung von Tech und Data.
Auf europäischer Ebene zeigt besonders der „Green Deal“ der EU, wie die Klimaschutzpolitik von nun an alle Entscheidungen beeinflusst. Die Klimaneutralität bis 2050 ist jetzt rechtlich verankert, und auch rund 30 Prozent des EU-Rettungspakets in Höhe von 750 Milliarden Euro sind an klimafreundliche Projekte gekoppelt. Das neue „Fit for 55“-Paket der EU schlägt zudem Schritte zum Erreichen von 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen 2030 im Vergleich zu 1990 vor. Dazu zählen CO2-Standards für Autos, Energiebesteuerung oder Zielwerte für erneuerbare Energien. Weitere Impulse werden vom Klimagipfel COP26 in Glasgow im November ausgehen.
Das alles geschieht in einer EU, die auf der weltweiten Bühne gerade ihre eigene Stellung neu definiert. Der wegen wechselseitiger Abhängigkeiten komplexe Konflikt zwischen China und den USA erhöht die Notwendigkeit einer unabhängigen europäischen Politik, um zu garantieren, dass die eigenen Interessen berücksichtigt werden. Digitale und grüne Schwerpunkte prägen die Handels- und Investitionspolitik. Die EU und Deutschland werden weiterhin eine Führungsrolle in Diskussionen über globale Normen und Standards einnehmen, beispielsweise wenn es um digitale Regulierung und Umweltpolitik geht.
Die Vorschriften der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben ebenfalls gezeigt, wie Europa weltweite Standards prägt. Denn weitere Länder wollen ähnliche Datenschutzvorschriften einführen. Die Besteuerung digitaler Unternehmen, der Schutz geistigen Eigentums und juristische Fragen des Kartellrechts dürften in der unmittelbaren Zukunft viele Unternehmen prägen.
Auch die EY-Umfrage „Geostrategy in Practice“ zeigt, dass politische Risiken auch in Zukunft alle Unternehmensfunktionen beeinflussen werden. 87 Prozent der Befragten äußerten sich dahin gehend. Operatives Geschäft und Lieferketten werden besonders von geografischem, regulatorischem und gesellschaftlichem Risiko betroffen sein.
Komplexe Herausforderungen und das Management politischer Risiken: fünf nötige Maßnahmen für Unternehmen
Ein weiteres Fazit der EY-Studie „Geostrategy in Practice“ ist, dass schon 2020 die Bedeutung politischer Risiken auf dem höchsten Stand seit vielen Jahren war und dass sie in den Augen vieler Befragter noch weiter ansteigen wird.
Für jedes Unternehmen ist die individuelle Bedeutung dieser politischen Risiken unterschiedlich. Es gibt aber fünf generell anwendbare Maßnahmen, um politische Risiken im unternehmerischen Handeln zu berücksichtigen und so für mehr Krisensicherheit zu sorgen:
- Quantitative Indikatoren zu politischen Risiken identifizieren und sammeln
Die qualitative Beurteilung politischer Risikofaktoren hat weiterhin einen sehr hohen Stellenwert. Daneben können Unternehmen aber stärker am Monitoring quantitativer Indikatoren arbeiten, um neue politische Risiken zu identifizieren und bereits bestehende zu beobachten. - Fähigkeiten zum Bewerten von Unternehmensfolgen politischer Risiken aufbauen oder beauftragen
Unternehmen sollten darin investieren zu verstehen, welchen Impact politische Risiken für Unternehmensfunktionen oder Geschäftsfelder haben können. Regelmäßig sollten solche Analysen bis zur Vorstands- und Aufsichtsratsebene vermittelt werden und in breitere Risiko- und Strategiebeurteilungen einfließen. - Politische Risikoanalysen in Enterprise Risk Management integrieren
Politische Risiken sollten Bestandteil des Enterprise Risk Management werden, um ein umfassenderes Bild von externen Risiken zu erhalten. Zu den Aufgaben eines Teams für politisches Risikomanagement könnten Alternativstrategien zum Absichern von Finanzen und Prozessen genauso zählen wie die Identifikation möglicher strategischer Chancen. - Vorstände und Aufsichtsräte anregen, politische Risiken in die strategische Planung einzubeziehen
Unternehmen sollten sicherstellen, dass diese Schritte und die gewonnenen Erkenntnisse konsequent in strategische Unternehmensentscheidungen einfließen. Geopolitik sollte nicht nur die aktuelle Strategie beeinflussen, sondern beispielsweise auch über Fusionen und Übernahmen oder Markteintritte und -austritte informieren. Das gelingt besonders, wenn Vorstände und Aufsichtsräte aktiv und sichtbar solche Informationen nutzen. - Aufbau einer crossfunktionalen geostrategischen Arbeitsgruppe
Häufig gibt es Inselwissen zu geopolitischen Risiken an einzelnen Standorten oder zu einzelnen unternehmerischen Funktionen – bei der unternehmensweiten bzw. globalen Zusammenführung entstehen dann Probleme. Ein prominent besetztes und regelmäßig tagendes Komitee zum Thema schafft den nötigen Austausch und kann die Vernetzung in die Führungsebene sicherstellen.
In einem volatilen weltweiten Umfeld erhöhen diese Schritte schon in der Aufbauphase die Widerstandskraft. Sie bereiten Unternehmen zudem mit der Zeit auch auf die nächste Disruption vor. Die klare Kommunikation des individuellen Frameworks kann das Vertrauen ins strategische Risikomanagement steigern – und gleichzeitig helfen, gute finanzielle Ergebnisse zu erzielen.
Fazit
Geopolitische Risiken nehmen zu und Unternehmen sollten sie in ihren strategischen Managementprozessen berücksichtigen. Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte zeigt sich, dass die zu Jahresbeginn im EY „Geostrategic Outlook“ erhobenen geopolitischen Risiken weiter gelten. Für Unternehmen im DACH-Raum sind besonders verschärfte Klimaregulierungen, die strategische Autonomie Europas und die Technik- und Datenregulierung wichtig. Ein geostrategisches Framework mit fünf Prozessschritten hilft, die Arbeit im Unternehmen besser auf politische Risiken auszurichten.