Ist das X-Chromosom Einflussfaktor einer erfolgreichen Unternehmensführung?

Von Liz Bolshaw

EY alum – former EY Global Growth Markets Lead Analyst

Atypical analyst. Digital content champion. Chronicler of entrepreneurship and women in business. Experienced moderator for present and future business leaders, academics and policy makers.

6 Minuten Lesezeit 3 Juli 2018

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Warum Unternehmen, die von Frauen geführt werden, den Markt überholen

Trotz anhaltender Herausforderungen bei der Kapitalbeschaffung zeigen sich weibliche CEOs wachstumshungriger als ihre männlichen Kollegen. Fast ein Drittel (30 Prozent) aller weiblich geführten Unternehmen strebt in den nächsten 12 Monaten Wachstumsraten von mehr als 15 Prozent an, bei den von Männern geführten werden nur 5 Prozent anvisiert. Und das, obwohl mehr als die Hälfte der weiblich geführten Unternehmen (52 Prozent) angibt, keinen Zugang zu externer Finanzierung zu haben. 

  • Umfragemethodik

    EY hat Euromoney Institutional Investor Thought Leadership mit einer Online-Umfrage unter 2.766 C-Level-Führungskräften beauftragt. 60 Prozent davon setzten sich aus CEOs, Gründern oder Managing Directors zusammen. Die Befragung schloss Unternehmen aus 21 Ländern ein, die einen Jahresumsatz von 1 Million bis 3 Milliarden Dollar erwirtschaften. Die Umfrage wurde zwischen dem 15. Januar und dem 1. März 2018 durchgeführt. Außerdem lud EY das globale EY Entrepreneur Of The Year™ Alumni-Netzwerk zur Teilnahme ein. Die Fragen wurden auf Englisch und in sechs weiteren Sprachen gestellt. Zwischen März und April 2018 wurden außerdem tiefergehende Interviews zur weiteren Erkenntnisgewinnung geführt.

Erfahren Sie mehr zur Finanzierungslücke in unserem nachfolgenden Artikel.

Frau schaut durch ein Modell
(Chapter breaker)
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Kapitel 1

Kundenorientierung als Wachstumsmotor

Weiblich geführte Unternehmen konzentrieren sich im Vergleich zu männlich geführten stärker darauf, ihre Marktanteile auszuweiten, um Marktführer ihrer Branche zu werden.

Laut einer unabhängigen Studie mit 2.766 Führungsverantwortlichen des Mittelstands sind weiblich geführte Unternehmen im Vergleich zu männlich geführten stärker darauf bedacht, ihre Marktanteile auszuweiten, um Marktführer ihrer Branche zu werden. Diese Strategie beruht auf der starken Motivation, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und deren allgemeine Erfahrungen zu verbessern. 25 Prozent der weiblichen CEOs gaben an, dass die Verbesserung des Kundenerlebnisses Hauptziel der technologischen Investitionsanstrengungen sei – womit sie gleichauf mit den männlichen Befragten liegen (26 Prozent). Allerdings bezeichnen mehr als doppelt so viele weibliche Führungskräfte die Anforderungen der Kunden als Hauptantriebsfaktor für Innovation (34 Prozent zu 16 Prozent). „Wenn es um Wachstum geht, ist nichts wichtiger als das Kundenerlebnis, denn Kunden werden immer die Hauptquelle für Wachstum bleiben“, sagt Julia Beardwood, Founding Partner von Beardwood & Co., „Es ist grundlegend, ihre Prioritäten zu kennen und ihnen eine herausragende Erfahrung zu bieten.“

Weibliche Führungskräfte scheinen ihre Unternehmen außerdem mit einem kollaborativeren Ansatz zu führen als Männer. Sie gehen öfter externe Allianzen ein, um Innovationen voranzutreiben (25 Prozent zu 22 Prozent). Die australische SourceHub Group, ein Unternehmen für Konsumartikel, belegt das eindrucksvoll - hier wurde das typische Einzelhandels-Modell erfolgreich auf den Kopf gestellt: Produkte werden in Zusammenarbeit mit den Verbrauchern und Einzelhändlern entwickelt. „Statt jedes einzelne Produkt bei so vielen Händlern wie möglich zu platzieren, arbeiten wir mit unseren Kunden zusammen und entwickeln exklusive Produktreihen auf Basis der jeweiligen Markenwerte und Kundenprofile. Durch diesen Prozess sind viele unserer Produkte als Weltneuheit an sich oder in einer bestimmten Kategorie auf den Markt gekommen,“ erklärt Vanessa Garrard, Gründerin und CEO von SourceHub.

Dieser nach außen gerichtete, kundenzentrierte Ansatz könnte sich in den nächsten Jahren als entscheidend herausstellen. Denn Verbrauchertrends wie die Personalisierung oder der „Jederzeit und überall“-Zugang zu Angeboten zeigen, dass Unternehmen offen und reaktionsschnell sein sollten. Während das Einkommen von Frauen 2018 weltweit bereits bei 18 Billionen US-Dollar lag, wird bis 2028 erwartet, dass Frauen 75 Prozent der diskretionären Ausgaben weltweit kontrollieren. Unternehmen, die in herausragende Ökosysteme eingebunden sind, werden eher in der Lage sein, diese sich schnell entwickelnde Kundschaft zu verstehen und zu nutzen, als inselartige Vorstandsetagen, die von Männern dominiert sind. Ihnen droht, den Kontakt zur Basis zu verlieren.

Erwartete Wachstumsraten für das kommende Jahr
Fachleute unterhalten sich in Meeting
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Kapitel 2

Kapitalbeschränkung als maßgebliches Hindernis

Weibliche CEOs kämpfen immer noch um den Zugang zu Kapital, das männlich geführten Unternehmen viel leichter zur Verfügung gestellt wird.

Der Ehrgeiz weiblicher CEOs ist umso bemerkenswerter, weil sie immer noch darum kämpfen müssen, Kapital zu generieren, das ihre männlichen Kollegen viel problemloser erhalten. Ein großer Teil weiblich geführter Unternehmen hat besonders in frühen Unternehmensphasen Schwierigkeiten, die Finanzierung zu sichern. Das kann sie daran hindern, Finanzierungsalternativen auszuloten. 

Die Umfrage ergab, dass eine von fünf weiblichen CEOs (20 Prozent) keine Kapitalbeschaffungspläne hat, bei den Männern sind es nur drei Prozent. Auffallend ist, dass mehr als die Hälfte aller weiblich geführten Unternehmen ohne jegliche externe Finanzierung auskommt (52 Prozent), im Vergleich zu 30 Prozent bei ihren männlichen Pendants. 41 Prozent der weiblichen CEOs gaben zudem an, dass sie einen Börsengang noch nicht Betracht gezogen oder geplant haben, 23 Prozent sind es bei von Männern geführten Unternehmen. Dies lässt sich zum Teil damit erklären, dass ein größerer Anteil der weiblich geführten Unternehmen weniger als fünf Jahre alt ist (26 Prozent der Unternehmen sind Start-ups verglichen mit 11 Prozent der von Männern geführten Unternehmen).

Was die Finanzierungslücke bedeutet

Ein 2017 im Magazin Venture Capital veröffentlichter Bericht besagt, dass 97 Prozent der gesamten Risikokapitalfinanzierung an Unternehmen mit männlichen CEOs geflossen ist. Mögliche Gründe hierfür lassen sich in fest etablierten, männlich dominierte Branchennetzwerken und dem härteren Screening-Prozess finden, dem sich  Unternehmerinnen unterziehen müssen. Ein Bericht von TechCrunch aus dem Jahr 2016 zu Risikokapitalinvestitionen ergab, dass zwischen 2010 und 2015 weltweit lediglich zehn Prozent aller Risikofinanzierungen an Start-ups gingen, die von einer oder mehreren  Frauen gegründet worden waren. Kiyomi Tsuchiya, Managing Director der japanischen Sound-F Co and STOCK POINT Inc, sagt dazu: „In einer Situation, in der es zwei Individuen mit den exakt gleichen Fähigkeiten gibt, eines davon weiblich und das andere männlich ist, sind die Chancen hoch, dass der Mann ausgewählt wird.“

Diese Finanzierungslücke ist von Bedeutung, weil Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial  in ihrer Entwicklung behindert werden, wenn sie sich keine frühen Investitionen sichern können. Weibliche CEOs sind sich nur allzu bewusst, dass die begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten ihre Unternehmen ausbremsen. Fast dreimal so viele Frauen wie Männer sagen, dass die Finanzierung der wichtigste Faktor im Aufbau unternehmerischer Agilität ist (17 Prozent vs. 6 Prozent). Ebenfalls 17 Prozent sind der Ansicht, dass Kosten und Verfügbarkeit von Eigenkapitalfinanzierungen das größte Wachstumshindernis darstellen, von den männlichen Kollegen sehen das nur 11 Prozent so.

Faktoren, die die Unternehmensflexibilität erhöhen
Frau in Meeting
(Chapter breaker)
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Kapitel 3

Vielfalt bringt Wettbewerbsvorteile

Führungsteams in Unternehmen mit weiblichem CEOs bestehen zu 41 Prozent aus Frauen.

Laut einer aktuellen Studie des Peterson Institutes for International Economics in Zusammenarbeit mit EY gibt es auf dem C-Level oder im Vorstand jedes dritten Unternehmens auf der Welt keine einzige Frau. Bei den global agierenden Konzernen gilt dies für etwas mehr als die Hälfte. Weiblich geführte Unternehmen stellen sich hier weitaus besser dar. Führungsteams in Unternehmen mit weiblichem CEOs bestehen zu 41 Prozent aus Frauen. In Unternehmen mit einem männlichen Chef sind es nur 22 Prozent. Dieser Unterschied stellt einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar: Weiblich geführte Unternehmen können sich auf die Suche nach Talenten mit speziellen Fähigkeiten konzentrieren, die ein entscheidender Antrieb für Wachstum sind. Dagegen herrscht in von Männern geführten Unternehmen die Ansicht vor, dass die wichtigste Rekrutierungspriorität der Aufbau einer vielfältigeren Belegschaft ist.

Dies deckt sich mit dem Fakt, dass Unternehmen mit vielfältigeren Führungsteams die mit homogeneren überflügeln. Ihre diversitäre Unternehmenskultur und die strategische Ausrichtung auf den Kunden können auch eine Erklärung dafür sein, warum der demographische Wandel für weiblich geführte Unternehmen weniger beängstigend ist: Ein Drittel (33 Prozent) der männlichen Chefs bezeichnete ihn als disruptivsten Megatrend, bei den Frauen sieht das nur knapp eine von fünf so (18 Prozent). Weiblich geführte Unternehmen nennen vielmehr die Digitalisierung als wichtigsten Megatrend, das sagen 36 Prozent der Frauen im Gegensatz zu nur 14 Prozent der Männer.

In unserer Untersuchung stellte sich heraus, dass ein signifikant höherer Teil der Familienunternehmen von Frauen geführt wird (32 Prozent vs. 12 Prozent). Dies deutet darauf hin, dass Familienbetriebe ein förderliches Umfeld für die Entwicklung weiblicher Führungskräfte bieten. Dieser Befund wird durch den aktuellen EY Report Women in leadership: The family business advantage gestützt. Darin kam heraus, dass Familienunternehmen Frauen stärker und schneller fördern als nicht-familiäre Pendants.

Rekrutierungsprioritäten

Fazit

Mehr als die Hälfte aller weiblich geführten Unternehmen verfügt über keine externe Finanzierung, während es bei den männlich geführten Unternehmen weniger als ein Drittel sind. Diese Finanzierungslücke ist bedeutsam, weil Unternehmen mit hohem Wachstumspotential in ihrer Entwicklung gehemmt werden, wenn sie sich keine frühen Investitionen sichern können.

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