6 Minuten Lesezeit 29 Januar 2021

            Mann füllt Glas mit Servierschaufel im Zero Waste Store

Warum es dringend globale Nachhaltigkeitsstandards braucht

Von Victor Chan

International Director, Global IFRS Services, Ernst & Young Global Limited

Develops insights on applying IFRS to emerging accounting issues. Focuses on leases, crypto-assets, investment property and latest standard-setting activities. Enjoys relaxing with family.

6 Minuten Lesezeit 29 Januar 2021

Neue Initiativen des Weltwirtschaftsforums und der IFRS Foundation unterstützen die Forderung nach weltweit akzeptierten Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Überblick
  • Investoren, Versicherer, Banken, führende Unternehmen und Standardsetter verlangen nach einer Harmonisierung und globalen Leitlinien zu Nachhaltigkeitsstandards.
  • Jetzt ist es an der Zeit zu handeln, das Wissen und die Erfahrung zusammenzuführen, um ein globales Regelwerk an Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln.
  • Globale Standards sind dringend erforderlich, denn sie können zu Transparenz, Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit beitragen.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat in den letzten Jahren zunehmend an Interesse gewonnen. So verlassen sich institutionelle Investoren bei ihren Anlageentscheidungen neben den traditionellen Jahresabschlüssen zunehmend auf nichtfinanzielle Daten, darunter auch Nachhaltigkeitskennzahlen. Auch Versicherer, Asset-Manager und Banken fordern eine höhere Qualität und mehr Einheitlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung, um Geschäftsentscheidungen mit relevanten und zuverlässigen Informationen treffen zu können.

Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie die Bedeutung nachhaltiger und widerstandsfähiger Geschäftsmodelle hervorgehoben, um die wirtschaftlichen Wiederherstellungsstrategien von Unternehmen zu unterstützen. Auch aufschlussreiche Berichte, die Stakeholdern, die fundierte Entscheidungen etwa bezüglich Investitionen treffen wollen, ein klares Verständnis dieser Modelle vermitteln, sollen so gefördert werden. Darüber hinaus hat die Pandemie das Bewusstsein für die untrennbaren Verbindungen zwischen Umwelt, Gesellschaft und dem regulatorischen und politischen Umfeld erhöht.

Diese Entwicklungen deuten alle auf einen dringenden Bedarf nach einem stabileren Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung hin. Welche Fortschritte gab es, um dieses Ziel zu erreichen, und welche Anforderungen müssen noch erfüllt werden?

Eine globale Anleitung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist erforderlich

In den letzten Jahren hat es eine Vielzahl von Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegeben, die häufig nichtfinanzielle Informationen beinhalten. Es wurde eine Fülle von Rahmensystemen, Methoden und Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt, um den sich entwickelnden Informationsbedarf der Investorengemeinschaft und die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit an die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft zu erfüllen.

Die Existenz mehrerer Rahmensysteme und Methoden mit unterschiedlichen Perspektiven widerspricht jedoch dem größeren Ziel globaler Standards. Globale Standards würden es Stakeholdern ermöglichen, die unternehmensübergreifende Nachhaltigkeitsberichterstattung wesentlich aussagekräftiger, effektiver und effizienter zu bewerten und zu vergleichen.

Der private Sektor fordert im Allgemeinen mehr Organisation, Einheitlichkeit und globale Leitlinien in diesem Bereich, wie dies die jüngste Initiative des International Business Council (IBC) des Weltwirtschaftsforums zeigt. Am 22. September 2020 veröffentlichte das IBC in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Big Four ein White Paper – Measuring Stakeholder Capitalism: Towards Common Metrics and Consistent Reporting of Sustainable Value Creation.

In diesem White Paper wird eine Reihe spezieller Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen innerhalb von vier Säulen erläutert: die Prinzipien der Governance, des Planeten, der Menschen und des Wohlstands. Es beinhaltet 21 Kern- und 35 erweiterte Kennzahlen und Angaben, die den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zugeordnet sind. Die Diskussionsschrift spiegelt die harte Arbeit in den letzten zwei Jahrzehnten wider und die Verpflichtung der führenden freiwilligen Anbieter von Rahmensystemen und Standardsetter, nämlich des Climate Disclosure Standards Board (CDP), der Global Reporting Initiative, des International Integrated Reporting Council und des Sustainability Accounting Standards Board, in Richtung einer gemeinsamen Vision zu arbeiten.

Es wurde eine Fülle von Rahmensystemen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, zu Nachhaltigkeitsmethoden und -kennzahlen entwickelt, um die Bedürfnisse von Investoren zu erfüllen und als Reaktion auf die breiteren öffentlichen Erwartungen an die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Die Existenz mehrerer Rahmensysteme und Methoden mit unterschiedlichen Perspektiven widerspricht jedoch dem übergeordneten Ziel globaler Standards.

Globale Nachhaltigkeitsstandards setzen

Die IBC-Kennzahlen sind ein beeindruckendes Ergebnis, aber sie sind erst der Anfang. Jetzt ist es an der Zeit zu vereinheitlichen und das Wissen und die Erfahrung, die über die Jahre gesammelt wurden, zusammenzuführen, um einen globalen Satz von Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln.

Vorreiter auf diesem Weg ist die International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation, deren Treuhänder am 30. September 2020 ein Konsultationspapier zur Nachhaltigkeitsberichterstattung herausgegeben haben. Darin werden die Stakeholder gefragt, ob die Stiftung eine Rolle bei der Festlegung globaler Nachhaltigkeitsstandards spielen sollte und ob sie zusätzlich zu ihrer derzeitigen Rolle als Standardsetter für die Finanzberichterstattung ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausweiten sollte.

Es wurde ein Board für Nachhaltigkeitsstandards („sustainability standards board“ – SSB) von den Treuhändern vorgeschlagen, das von der Stiftung verwaltet wird, vorausgesetzt dass bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen umfassen Unterstützung durch und Interaktion mit Stakeholdern, Führungsstruktur, Rekrutierung, Ressourcen und Finanzierung sowie Synergien mit der Finanzberichterstattung.

Die Stiftung ist gut aufgestellt, um einen Standardsetter für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in einer Art und Weise zu bilden und zu beaufsichtigen, die diese Erfolgsvoraussetzungen sowie weitere Schlüsselkriterien erfüllen würde. Daher unterstützt die EY-Organisation die Empfehlung der Treuhänder, sich an diesem Prozess durch die Entwicklung eines SSB zu beteiligen, das globale Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verkündet und eine stärkere Verknüpfung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen ermöglicht. Dies wird Unternehmen helfen, über ihren nachhaltigen Wert für Investoren und anderer Stakeholder, einschließlich der Gesellschaft insgesamt, zu berichten.

Eine wichtige Beobachtung ist, dass sich die Stiftung bisher auf die Finanzberichterstattung konzentriert hat, sodass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Führungsstruktur eine ausgewogene Zusammensetzung aus Aufsichtsräten und dem entsprechenden technischen Know-how in der Nachhaltigkeitsberichterstattung aufweist. Daher benötigt die Stiftung für das Nachhaltigkeitsprojekt die Mitarbeiter und Mitglieder der zuständigen führenden Organisationen, um über starke technische Fähigkeiten und Erfahrungen in den verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verfügen.

Kapitalmärkte vs. Multi-Stakeholder-Ansatz

Derzeit besteht die Mission der Stiftung darin, stabile, zuverlässige und transparente Informationen als Input für die Entscheidungen der primären Nutzergruppen eines allgemeinen Jahresabschlusses zu liefern. Vor diesem Hintergrund haben einige Stakeholder angeregt, dass sich das vorgeschlagene SSB auf die Erzeugung von Informationen über die Auswirkungen relevanter Ereignisse auf das Unternehmen konzentrieren sollte, da dies die Entscheidungen derselben primären Nutzergruppen unterstützen würde (Kapitalmarktansatz).

Andere Stakeholder sind jedoch noch weiter gegangen und haben vorgeschlagen, Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln, die ein Unternehmen auch dazu verpflichten, seine Auswirkungen auf die breitere Umwelt offenzulegen. Die Angaben beziehen sich typischerweise auf Themen, die für das Verständnis mehrerer Stakeholder über die Auswirkungen eines Unternehmens auf seine Umwelt wesentlich sind (Multi-Stakeholder-Ansatz).

Es besteht eine natürliche Tendenz, sich auf die Nachhaltigkeitsinformationen zu konzentrieren, die für Investoren und andere Marktteilnehmer am relevantesten sind, deshalb der Kapitalmarktansatz. Aber die Akzeptanz und das Engagement für eine Reihe globaler Standards erfordern den Beitrag eines breiten Spektrums von Akteuren. Die Verantwortung für Nachhaltigkeit ist breit gefächert und der Kapitalmarktansatz kann nicht das gesamte Bild der Nachhaltigkeit liefern.

Der Unterschied zwischen dem Kapitalmarkt- und dem Multi-Stakeholder-Ansatz wird im Laufe der Zeit verschwimmen, da die Zusammenhänge zwischen externen Effekten und direkten oder indirekten Auswirkungen auf den zukünftigen Cashflow des Unternehmens deutlicher werden. Und in dem Maße, in dem sich gesellschaftliche und finanzielle Werte weiter annähern, werden Investoren erkennen, dass die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt zwar heute vielleicht keine direkten Konsequenzen für den Cashflow haben, aber zu Vorschriften, Handlungen und Verhaltensweisen führen können, die den langfristigen Wert und die Lebensfähigkeit des Unternehmens beeinflussen werden.

Daher wird eine Unterscheidung zwischen dem, was für Investoren relevant ist, und dem, was nur für andere Entscheidungsträger relevant ist, immer schwieriger. Wenn der Kapitalmarktansatz gewählt wird, sollte die Frage neu überdacht werden, sobald der Standardsetter einige Erfahrung mit der Festlegung von Nachhaltigkeitsstandards gesammelt hat.

Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts

Ein weiteres wichtiges Thema ist, ob die anzugebenden Nachhaltigkeitsinformationen überprüfbar sein oder externen Vorschriften zur Bestätigung unterliegen sollten. Die Treuhänder der Stiftung haben kommentiert, dass Nachhaltigkeitsinformationen, die von Unternehmen gemeldet werden, der externen Bestätigung unterliegen müssen, um global einheitliche Nachhaltigkeitsberichtspraktiken zu erreichen.

Das Ziel des SSB sollte es sein, globale Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln, die mit einem angemessenen fachlichen Standard bewertet werden können, sodass sie zu relevanten, vollständigen, zuverlässigen, neutralen und verständlichen Informationen führen. Um Verwirrung bei den Anwendern zu vermeiden, ist die Vergleichbarkeit zwischen dem Grad der Prüfungssicherheit für Nachhaltigkeitsengagements und dem Grad der Prüfungssicherheit, der bei der Abschlussprüfung anzuwenden ist, entscheidend.

In Anbetracht der Tatsache, dass eine hinreichende Prüfungssicherheit für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zumindest kurzfristig aufgrund des relativen Mangels an Reife und geeigneten Fähigkeiten eine Herausforderung darstellen könnte, könnte die Erbringung einer begrenzten Prüfungssicherheit ein vorübergehender Ansatz sein. Dies würde ein Mindestmaß an Arbeitsaufwand (einschließlich substanzieller Tests) erfordern, das mittel- bis langfristig zu einer hinreichenden Sicherheit führen sollte.

Der langfristige Wert und die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens werden zunehmend in Verbindung mit dem Wert gesehen, den das Unternehmen sowohl für Investoren als auch für eine breitere Gruppe von Stakeholdern, einschließlich der Gesellschaft als Ganzes, liefern kann, und nicht nur in seiner historischen finanziellen Performance.

Die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung sind in der heutigen Geschäftswelt zu einem zentralen Thema geworden. Stakeholder verlassen sich zunehmend auf nichtfinanzielle Unternehmensinformationen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Der langfristige Wert und die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens werden zunehmend in Verbindung mit dem Wert gesehen, den das Unternehmen sowohl seinen Investoren als auch einer breiteren Gruppe von Stakeholdern, einschließlich der Gesellschaft als Ganzes, liefern kann, und nicht nur in seiner historischen finanziellen Performance.

Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung können zu Transparenz und Einheitlichkeit in der Berichterstattung von Unternehmen beitragen. Diese Argumente sind eine rechtzeitige Erinnerung daran, dass es dringend notwendig ist, einen weltweit akzeptierten Satz von Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und einen umfassenden globalen Rahmen zu entwickeln.

Fazit

Es gibt einen dringenden Bedarf nach einem stabileren Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, der auf globalen Standards basiert. In den letzten Jahren haben sich Nachhaltigkeitsberichtsinitiativen ausgebreitet, aber das Vorhandensein mehrerer Rahmensysteme und Methoden mit unterschiedlichen Perspektiven kann zu Verwirrung führen. Neue Initiativen des Weltwirtschaftsforums und der IFRS Foundation bekräftigen die Forderung nach allgemeinen Kennzahlen und globale Standards, die es Stakeholdern ermöglichen würden, unternehmensinterne Nachhaltigkeitsberichte auf sinnvollere, effektivere und effizientere Weise zu bewerten und zu vergleichen.

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Von Victor Chan

International Director, Global IFRS Services, Ernst & Young Global Limited

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