Bialojan: Man muss hinsichtlich der Krankheiten unterscheiden. Es gibt Krankheiten, die bei allen Patienten in etwa gleich aussehen, zum Beispiel, wenn es um hohen Blutdruck geht. Da machen Blockbuster Sinn.
Wenn wir über das Thema personalisierte Medizin sprechen, geht es sehr häufig um Krebstherapien. Hier sieht tatsächlich jeder Patient beziehungsweise die Ursache für seinen Krebs etwas anders aus. Genau da sehen wir, dass die personalisierte Medizin immer stärker an Relevanz gewinnt. Trotzdem gibt es gewisse Grundmerkmale für Krebs, die mit Blockbustern behandelt werden. Das beste Beispiel sind die bekannten Checkpoint-Inhibitoren, die ja durchaus ihren signifikanten Markt erobern. Dieses Thema muss man einfach in dieser Differenzierung betrachten.
Schiebt die Corona-Krise auch das Thema Big Data für ein verbessertes „Health Outcome“ an?
Stürz: Ja. Dass wir Daten brauchen, um Prozesse optimieren zu können, auch medizinische Versorgungsprozesse, steht außer Frage. Nehmen wir als Beispiel die Versorgung der Kliniklandschaft in Deutschland, der Arztpraxen, der medizinischen Versorger: Dort ist die Bedarfsplanung – wieviel wird wovon, wann und wo gebraucht – nicht auf Knopfdruck regionsübergreifend verfügbar. Weil sie nicht vernetzt existiert. Weil sie in individuellen Systemen gesteuert wird. Jede Arztpraxis macht sich ihre eigenen Gedanken, ebenso wie jede Klinik. Wir haben nicht einmal auf kommunaler Ebene einen systematischen Überblick, geschweige denn auf Landesebene oder auf Ebene von Bezirksregierungen.
Ich bin zuversichtlich, dass die Länder und das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam erkannt haben, dass die Zukunft auch darin liegt, über konsolidierte Daten Bedürfnisse quantitativ besser abschätzen zu können und damit die Versorgung sicherzustellen.
Die Frage ist: Wie hoch ist die Bereitschaft, Informationen über die eigenen Grenzen etwa der Klinik, der Kommune oder des Kreises hinaus zu teilen, um diese Steuerung wirklich zu einem kraftvollen Instrument werden zu lassen? Weg von der Excel-basierten Individualplanung einer Klinik oder einer Arztpraxis, hin zu einem konsolidierten System einer Bedürfnisstruktur-Steuerung, die uns in kürzester Zeit zuverlässige Bedarfsmengen liefert.
Stichwort Psychopharmaka: Dieser Bereich galt bis vor Kurzem noch als stark vernachlässigt, jetzt holt er deutlich auf. Wurden die Zeichen der Zeit erkannt?
Bialojan: Der Bedarf ist ganz klar. Jedoch konnte er über viele Jahre nicht gedeckt werden. Viele Pharmafirmen haben unterschiedlichste Ansätze verfolgt, die dann allerdings gescheitert sind. Das beste Beispiel ist Alzheimer. Über Jahre wurden riesige Mengen an Forschungsgeldern in diese Krankheit gesteckt und es ist eigentlich nichts Vernünftiges dabei herausgekommen.