Akten, auf denen eine Brille liegt

Auslandsentsendung und Wohnungskosten

BFH zum Werbungskostenabzug bei doppelter Haushaltsführung

Die notwendigen Kosten für eine Wohnung im Ausland aufgrund einer Entsendung können im Rahmen einer sogenannten doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sein. Die Finanzbehörden gehen allerdings davon aus, dass die Kosten nur insoweit notwendig sind, als sie für eine durchschnittliche Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 Quadratmetern angefallen wären. Wenn die entsendete Person aufgrund ihrer Position im Unternehmen zwangsläufig eine wesentlich größere Wohnung beziehen muss, kann diese Begrenzung einen deutlich höheren Steuersatz zur Folge haben als bei Abzug der Kosten in voller Höhe. Der Bundesfinanzhof hat in einem neu veröffentlichten Urteil entschieden, dass diese pauschale Beschränkung bei Auslandsfällen nicht greift, sondern eine Einzelfallprüfung notwendig ist (Urteil vom 09.08.2023, VI R 20/21).

  • Doppelte Haushaltsführung

    Eine doppelte Haushaltsführung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers aufgrund einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind grundsätzlich als Werbungskosten abzugsfähig (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG).

    Häufig wird bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendungen ein eigenständiger Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen geschlossen und der Arbeitsvertrag mit der Heimatlandgesellschaft ruhend gestellt. In diesem Fäll richtet sich während der Entsendung der Ort der ersten Tätigkeitsstätte danach, welcher ortsfesten betrieblichen Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens der Arbeitnehmer laut Vertrag mit der Gesellschaft im Ausland zugeordnet ist (BFH-Urteil vom 17.12.2020, VI R 21/18). Wenn der Wohnsitz im Heimatland beibehalten wird, liegt demnach regelmäßig eine doppelte Haushaltsführung vor.

Urteilsfall: „Dienstwohnung“ im Ausland

Der Kläger war bis zum 14.09.2017 in Usbekistan und seit dem 15.09.2017 in Tadschikistan als deutscher Botschafter tätig. Er bezog einen Bruttoarbeitslohn von rund 98.000 Euro und nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfreie Bezüge. Das Auswärtige Amt wies ihm eine Wohnung mit einer Fläche von 249 Quadratmetern (Usbekistan) bzw. von 186 Quadratmetern (Tadschikistan) zu. Für die Wohnungen wurde von den Bezügen des Klägers eine „Dienstwohnungsvergütung“ vom Gehalt einbehalten. Seine Frau wohnte während des ganzen Jahres in der gemeinsamen Wohnung in Deutschland.

Finanzamt erkennt Aufwendungen nur teilweise an

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 (Streitjahr) machten die Kläger Kosten für die doppelte Haushaltsführung im Ausland in Höhe von insgesamt rund 25.000 Euro geltend. Das Finanzamt (Beklagter und Revisionskläger) erkannte die Aufwendungen für die Miete nur so weit an, wie sie bei einer ortsüblichen Miete für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 Quadratmetern angefallen wären.

Das Merkmal „notwendig“ orientiere sich daran, welche Wohnungsgröße für eine Einzelperson erforderlich sei, die von dort ihrer Arbeit nachgehe, deren Lebensmittelpunkt sich aber an einem anderen Ort befinde und die dort ihren Haupthausstand beibehalten habe.

Klage vor dem Finanzgericht

Im Ergebnis setzte das Finanzamt Aufwendungen für Miete und Verpflegung in Höhe von insgesamt rund 7.400 Euro an. Mit seiner Klage vor dem Finanzgericht beantragte das Ehepaar, die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers um 8.220 Euro zu erhöhen. Sie machten insbesondere geltend, dass es allein schon aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt gewesen sei, eine andere Wohnung zu wählen. Der Kläger hätte die Stelle nicht annehmen können, wenn er nicht in die ihm zugeteilte Wohnung eingezogen wäre.

Finanzgericht: Kürzung der Kosten zu Unrecht erfolgt

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 22.06.2021, 3 K 1255/20). Nach Auffassung des Gerichts hat das beklagte Finanzamt die geltend gemachten Kosten für die Wohnungen im Ausland zu Unrecht auf den Anteil gekürzt, der für eine Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern angefallen wäre.

Wohnungskosten waren notwendig

Maßgeblich war für das Gericht unter anderem, dass

  • sich der Kläger dem Wohnen in der Dienstwohnung nicht entziehen konnte,
  • er daher auch die daraus folgenden Kosten nicht vermeiden konnte,
  • bei Botschafterwohnungen die Wohnungsgröße regelmäßig 60 Quadratmeter übersteigt.

BFH weist die Revision zurück

Der BFH hat die Revision der Finanzverwaltung gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zurückgewiesen. Deutschland konnte unstreitig die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Botschafter besteuern. Eine Typisierung, dass Unterkunftskosten notwendig sind, soweit sie die durchschnittliche Miete einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, komme für Auslandssachverhalte nicht in Betracht. Sie basiere auf einem Merkmal, das nach inländischen Verhältnissen ermittelt wurde.

Zudem sei es nicht möglich, die ortsübliche Miete je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung am Beschäftigungsort festzustellen. Deshalb habe das Finanzamt im Streitfall unterstellt, dass die Dienstwohnungsvergütung der ortsüblichen Vergleichsmiete einer durchschnittlichen Wohnung entsprach.

Darüber hinaus gebe es bei Unterkunftskosten im Ausland keinen für eine solche Typisierung notwendigen typischen Fall. Diese Kosten seien von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt. Deshalb sei bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig seien. Der BFH widerspricht damit ausdrücklich dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).

Das FG habe festgestellt, dass die betreffenden Wohnungen dem Kläger vom Auswärtigen Amt (nach § 72 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes) zugewiesen wurden. Danach kann der Dienstvorgesetzte anweisen, dass eine Dienstwohnung zu beziehen ist, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern. In solchen Fällen seien die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Unterkunftskosten für die zugewiesene Dienstwohnung nach objektiven Maßstäben in voller Höhe notwendig.

Handlungsempfehlung

Die Entscheidung betrifft einen relativ speziellen Fall. Zum einen waren die Einkünfte im Inland steuerpflichtig (Kassenstaatsprinzip, da hier der Bund der Arbeitgeber war) und damit hatte die Höhe der Werbungskosten eine wesentliche Auswirkung auf die Höhe der deutschen Einkommensteuer. Zum anderen musste der Steuerpflichtige insbesondere aufgrund von Sicherheitsüberlegungen zwingend diese spezielle Wohnung beziehen.

Dennoch ist das Urteil auch für private Arbeitgeber relevant. So sind etwa die Einkünfte aus einer Entsendung ins Ausland in Deutschland steuerpflichtig, wenn

  • kein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem anderen Staat vorliegt,
  • aufgrund besonderer Umstände dessen Anwendung ausscheidet oder
  • die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode vermieden wird

und der Wohnsitz in Deutschland beibehalten wurde.

Zudem gibt es auch in der Privatwirtschaft Positionen, die eine bestimmte Wohnungsgröße notwendig machen – aus Repräsentationsgründen, aber auch aus Sicherheitsgründen wie im Streitfall. Gibt dann noch der Arbeitgeber vor, welche Wohnung zu beziehen ist, ist unseres Erachtens die betreffende Konstellation jedenfalls mit dem entschiedenen Sachverhalt vergleichbar.

Doch auch in allen anderen Auslandsfällen scheidet nach diesem BFH-Urteil eine automatische Begrenzung des Abzugs der Mietaufwendungen als Werbungskosten auf eine Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern (wie sie regelmäßig von der Finanzverwaltung praktiziert wird) aus. Es empfiehlt sich daher bei diesen Sachverhalten die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu prüfen. Allerdings zeigt das Urteil nicht auf, nach welchen Kriterien die notwendigen Kosten der ausländischen Wohnung in den weit häufigeren Fällen, in denen keine Sicherheitsanforderungen zu erfüllen sind, bestimmt werden sollen. Die Reaktion der Finanzverwaltung und die weitere höchstrichterliche Rechtsprechung bleiben abzuwarten.

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